Soldateska

von Alexander Staib

Zwyfacher Soldaten-Spiegel […] darinnen Ursachen […] warumb in dem Zehenjährigen teutzschen Kriege die Catholischen den Evangelischen gemeiniglich obgesieget und nunmehr fast die Oberhand bekommen [verfasst] durch einen Fried- und freyheitliebenden teutzschen Soldaten - 1629 [Quelle: Badische Landesbibliothek Karlsruhe 95B 78455].
Zwyfacher Soldaten-Spiegel […] darinnen Ursachen […] warumb in dem Zehenjährigen teutzschen Kriege die Catholischen den Evangelischen gemeiniglich obgesieget und nunmehr fast die Oberhand bekommen [verfasst] durch einen Fried- und freyheitliebenden teutzschen Soldaten - 1629 [Quelle: Badische Landesbibliothek Karlsruhe 95B 78455]

Das Bild gewalttätiger und rücksichtsloser Soldaten, gemeinhin der Inbegriff der Soldateska, ist mit dem Dreißigjährigen Krieg eng verbunden. Der zeitgenössisch bereits verwendete Begriff meinte um 1618 – abweichend vom heutigen – schlicht das Kriegsvolk. Die negative Konnotation von gleichsam verwilderten wie verwahrlosten Truppen ist erstmals unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. fassbar; zu einer Zeit, als das französische Heer neu organisiert wurde. Eine umfangreiche publizistische Kampagne zeichnete das Bild des vergangenen Krieges und der Söldner in den dunkelsten Farben. Das sich gerade etablierende stehende Heer sollte sich positiv von den Armeen der vorherigen Kriege abheben; schließlich sollten die Ständevertreter der Krone nicht ihre Unterstützung in Form von Steuern und Abgaben für deren Aufbau untersagen. In Anlehnung an das Französische erhielt der Begriff ‚Soldateska‘ bald auch seine negative Bedeutung im Alten Reich.

Bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts – und auch darüber hinaus – blieben normative Zeugnisse die Hauptquelle und formten nachhaltig das Bild vom Dreißigjährigen Krieg und seinen Kombattanten. Im nachfolgenden Jahrhundert bildeten die Söldner die Kontrastfolie zu den bürgerlichen Armeen nationaler Prägung. Eine weitere Zuspitzung erfuhr der Begriff schließlich in der Volksgeschichte und im Nationalsozialismus: Das kämpferische Germanentum habe sich einer internationalen und heimatlosen Soldateska erwehrt, deren einziger Antrieb der materielle Gewinn durch ihr Kriegshandwerk gewesen sei. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich waren die Lebensbedingungen der Mannschaften für einen langen Zeitraum ein Tabu; bis auf den heutigen Tag wird das Bild der älteren Forschung mitunter noch immer unkritisch und unreflektiert übernommen.

So ist von der „Entartung des Söldnertums im Dreißigjährigen Krieg“ die Rede, „Saufen, Fressen und Unzucht waren die Lebensgesetze“, denn die Söldner waren „[o]hne Bindung an Staat und Religion“ eine „Geißel für das Land“, die sich nebst anderem durch „[u]nmenschliche Rohheit und wilde Grausamkeit“ auszeichneten [1]. Auch in jüngst erschienener Literatur findet sich das Bild von den Söldnern als „zügellose Haufen“, die sich aus „kahlgefressenen Regionen zu versorgen suchten und mit Versprechungen auf künftige Soldzahlungen mühsam hingehalten wurden, bis sie wieder einmal die Seiten wechselten“ [2].

Dem ist entgegenzuhalten, dass gerade die Kompanie der Schutz- und Lebensraum des Einzelnen war. Ein Wechsel fand nur bei hohen Verlusten, hervorgerufen durch Kampfhandlungen, Hunger oder Epidemien statt. Eine europaweite Ansammlung arbeitsscheuer und krimineller Personen, die sich zum Söldnerdasein ins Alte Reich aufmachten, ist nicht zu belegen. Auch in den Heeren Spaniens, Frankreichs und Schweden war der Anteil nicht aus dem Reich stammender Soldaten niedrig – und sank während des Krieges auf einen Anteil von rund 10 Prozent bis 20 Prozent. Vielmehr entstammten Söldner allen Volksschichten, mit anhaltender Konfliktdauer jedoch zunehmend den städtischen und ländlichen Unterschichten. Gewaltsame Werbungen, wie sie aus späterer Zeit bekannt sind, gab es seltener. Das Söldnerleben war attraktiv, da es ein Auskommen versprach und darüber hinaus Aussicht auf Beute bot; es bestand sogar die Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs innerhalb des Militärs.

Das Bild der plündernden und mordenden Söldner gilt es aber nicht weißzuwaschen – viele Grausamkeiten und Ausschreitungen finden sich, von Augenzeugen festgehalten, in zeitgenössischen Schriftstücken und auch die Verluste an Mensch und Material sprechen Bände.

Die Ausschreitungen der Militärs sind, neben persönlichem und kollektivem Mutwillen, auch auf logistische Probleme zurückzuführen. Durch die Vergrößerung und Verstetigung der Heere war deren Versorgung schwieriger geworden – der Transport über Land war teuer und gefährlich, die See barg ihre eigenen Risiken und Einschränkungen. Die Versorgung aus dem Land, in der Forschung gern auf die gängige Formel „Der Krieg ernährt den Krieg“ gebracht, etablierte sich im Laufe der Auseinandersetzung zunehmend bei allen Parteien. Für das Auskommen der Truppen spielten die politischen Unterschiede zwischen Freund und Feind keine Rolle mehr. Das Gleiche galt für die Bevölkerung; die durchziehenden Truppen waren eine Belastung, ob sie nun verbündeten oder gegnerischen Landesfürsten angehörten. Erschwerend kam hinzu, dass sich der Krieg für die Kriegsunternehmer, Offiziere und Händler auszahlen sollte („Ausbeutungsmentalität“); jeder wollte profitieren, worunter auch die materielle Versorgung der einfachen Söldner litt. Leidtragend waren hierbei sowohl die Bevölkerung als auch die Soldateska. Die Ausbeutung der Bevölkerung erscheint in dieser Perspektive als Existenzsicherungsmaßnahme.

Vor allem war für die Bevölkerung die Absonderung kleiner Trupps von der Gesamtarmee zum Furagieren oder zur Plünderung auf eigene Rechnung ein Problem. Meistens wurden Übergriffe von Reitertrupps aus 20 bis 30 Personen, häufig ohne Truppenkennzeichnung unterwegs, ausgeübt. Nützliches wurde entwendet, Vieh fortgetrieben, Bewohner gefoltert, um an Lebensmittel zu kommen, Brandschatzung angedroht, Geiseln sowie Stadtschlüssel oder wertvolle Archivalien nur gegen Lösegeld zurückgegeben.

Die neuere Forschung neigt in ihrer Wertung zu einem differenzierten Bild. Das alte, unreflektierte Motiv des Täters wurde überwunden, die Söldner erscheinen zugleich als Opfer wie Täter des Dreißigjährigen Krieges – im zeitgenössischen, schlichten Sinne eben als Soldateska.

Anmerkungen

[1] Hermann, Militärgeschichte, S. 82, 84f.
[2] ebd., S. 136.

Literatur in Auswahl

  • Arndt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 18642), Stuttgart 2017.
  • Burkhardt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt a. M. 2015.
  • Hermann, Carl H., Deutsche Militärgeschichte. Eine Einführung, Frankfurt a. M. 1966.
  • Kroener, Bernhard R., Soldat oder Soldateska? Programmatischer Aufriß einer Sozialgeschichte militärischer Unterschichten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Bernhard R. Kroener. Kriegerische Gewalt und militärische Präsenz in der Neuzeit. Ausgewählte Schriften, hg. von Ralf Pröve/Bruno Thoß, Paderborn u. a. 2008, S. 125-151.
  • Kroener, Bernhard R., „Die Soldaten sind ganz arm, bloss, nackend, ausgemattet“. Lebensverhältnisse und Organisationsstruktur der militärischen Gesellschaft während des Dreißigjährigen Krieges, in: 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textbd. 1, hg. von Klaus Bußmann/Heinz Schilling (Europaratsausstellungen, Bd. 26), München 1998, S. 285-292.
  • Müller, Rolf-Dieter, Militärgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2009.

Zitierhinweis: Alexander Staib, Soldateska, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 11.08.2022

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