Henri de La Tour d‘Auvergne, vicomte de Turenne (geb. 11.09.1611, gest. 27.07.1675)

von Marius Wieandt

Henri de La Tour d‘Auvergne, vicomte de Turenne (1611-1675) [Quelle: Unibibliothek Tübingen]
Henri de La Tour d‘Auvergne, vicomte de Turenne (1611-1675) [Quelle: Universitätsbibliothek Tübingen]

Henri de La Tour d‘Auvergne, vicomte (= Vizegraf) de Turenne war ein französischer Feldherr, der sich in zahlreichen Konflikten als einer der bedeutendsten Heerführer Frankreichs im 17. Jahrhundert profilierte und dessen strategische Ideen sich als zukunftsweisend für die europäische Kriegsführung bis zur Französischen Revolution erwiesen.

Henri de La Tour d’Auvergne wurde am 11. September 1611 als zweiter Sohn des hugenottischen Herzogs von Bouillon geboren, der sich als Calvinist mehrfach in Opposition zum König befunden hatte. Als zweiter Sohn sollte Henri eine militärische Laufbahn einschlagen, sodass er nach einer militärischen Ausbildung spätestens ab 1629 in der niederländischen und ab 1630 in der französischen Armee diente und am Dreißigjährigen Krieg beteiligt war. Dort machte Turenne rasch Karriere, zunächst auf dem italienischen Kriegsschauplatz. Nachdem die Franzosen Ende des Jahres 1643 eine schwere Niederlage in der Schlacht bei Tuttlingen erlitten hatten, wurde Turenne mit seiner Armee jedoch nach Süddeutschland berufen und er selbst zum Marechal de France befördert.

In den folgenden Jahren kämpfte Turenne mit wechselndem Erfolg in Süddeutschland. Im letzten Kriegsjahr, 1648, gelang es ihm bis tief nach Bayern vorzustoßen, kaiserlich-bayerische Armeen zum überhasteten Rückzug zu zwingen und den bayerischen Hof zur Flucht aus München zu bewegen.

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges kämpfte Turenne zunächst abwechselnd für beide Parteien in der Fronde, einem Aufstand französischer Fürsten gegen den König, und nach dem Ende dieses Konflikts in Flandern gegen die Spanier. 1660 wurde Turenne zu einem von nur sieben Generalmarschällen der französischen Geschichte befördert und stand damit in seinem Rang über allen anderen Marschällen Frankreichs. Acht Jahre später konvertierte er auf Wunsch Ludwigs XIV. zum Katholizismus. Durch seine militärischen Fähigkeiten, seinen Ruhm und seine Position als Berater und militärischer Lehrmeister Ludwigs XIV. sowie familiäre und freundschaftliche Verbindungen ins Ausland hatte Turenne eine gefestigte Machtposition am Hof und hohen Anteil an diplomatischen Entscheidungen. Nach nur acht Friedensjahren beteiligte sich Turenne ab 1667 an den Reunionskriegen Ludwigs XIV., wo er am 27. Juli 1675 im Vorfeld der Schlacht bei Sasbach auf rechtsrheinischem Gebiet starb, als er bei einer Erkundung von einer Kanonenkugel getroffen wurde. Bestattet wurde Turenne in der Kathedrale von Saint Denis, der Grablege der französischen Könige.

Der als vorsichtig geltende Turenne legte besonderen Wert auf logistische Belange und eine ausreichende Versorgung seiner Armee. Er achtete auf eine regelmäßige Bezahlung und Verpflegung, was seiner Armee schnelle Märsche ermöglichte, da die Soldaten sich weniger aus dem Umland ernähren mussten. Diese Taktik, die auf Beweglichkeit und zuverlässigen Nachschubwegen fußte, sollte nach dem Dreißigjährigen Krieg bis zur Französischen Revolution große Wirkmächtigkeit in der westeuropäischen Kriegsführung entfalten. Um im kriegsversehrten süddeutschen Raum sein Heer unterhalten und schnell bewegen zu können, verteilte er seine Truppen zum Marsch und zur Einquartierung meist großflächig in der Region und bündelte sie nur kurzzeitig für einen konzentrierten Schlag gegen den Gegner. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, die eine Belagerungskriegsführung bevorzugten, suchte Turenne die Entscheidung häufiger in Feldschlachten, deren Ausgangsposition er zuvor durch strategische Bewegungen und logistische Vorsorge zu seinen Gunsten zu beeinflussen versuchte. Wegen seiner Bedeutung für Frankreich und seiner innovativen Ansätze in der Kriegsführung verfasste Napoleon Bonaparte in seinem Exil auf St. Helena eine Schrift, in der er sich mit der Taktik und Strategie Turennes auseinandersetzte. Zudem befindet sich inzwischen in Sasbach, nahe Turennes Todesort, ein Museum, das Turenne und der deutsch-französischen Geschichte jener Zeit gewidmet ist.

Literatur in Auswahl

  • Bérenger, Jean, Turenne, Paris 1987.
  • Bonaparte, Napoléon I., Darstellung der Kriege Caesars Turennes Friedrichs des Grossen, Darmstadt/Berlin 1943, S. 200-334.
  • Findeisen, Jörg-Peter, Der Dreißigjährige Krieg, Graz/Wien/Köln 1998, S. 463-464.
  • Weygand, Maxime, Turenne, München 1937.

 

Zitierhinweis: Marius Wieandt, Henri de La Tour d‘Auvergne, vicomte de Turenne (geb. 11.09.1611, gest. 27.07.1675), in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 15.08.2022

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