Kometen

von Regina Fürsich

 Medaille auf den großen Kometen 1618/19 (Quelle: Landesmuseum Württemberg)
Medaille auf den großen Kometen 1618/19 [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Zwischen August 1618 und Januar 1619 erschienen in Mitteleuropa drei Kometen. Zunächst als Komet 1618 I (heute bekannt als C/1618 Q1), 1618 II (heute C/1618 W1) und 1618 III (heute C/1618 V1) bezeichnet, waren die Kometen 1618 I und III nur für Astronomen und nur mithilfe von Ferngläsern oder Teleskopen sichtbar (und zwar von August bis September, respektive von November bis Anfang Dezember). Komet 1618 II, oftmals auch als „Winterkomet“ bezeichnet, war allerdings mit bloßem Auge und somit auch für die breite Bevölkerung sichtbar und wurde infolge dessen durch viele Flugblätter, Flugschriften und Predigten von einem großen Teil der Gesellschaft wahrgenommen. Entsprechend der überkonfessionell verbreiteten starken Stellung des sogenannten Prodigienglaubens, wurden die Kometen (speziell der Winterkomet) als göttliche Zeichen gewertet. Prodigienglaube als solcher bezeichnet die Überzeugung, dass Himmels-, Natur- und Wundererscheinungen Zeichen (prodigia) des Zornes Gottes seien, als Ankündigung von göttlichen Strafen negativen Ereignissen vorangehen und damit Aufrufe zur Umkehr und Buße seien.

Ganz in diesem Sinne erschienen in diesem Zeitraum etliche Flugblätter und -schriften zum Thema und speziell in protestantischen Gebieten wurde der Winterkomet auch in etlichen Predigten (gedruckt und ungedruckt) als Anlass für Aufrufe zur Umkehr und Buße genommen. So beispielsweise in der am 2. Adventssonntag 1618 im Ulmer Münster von Conrad Dieterich gehaltenen und 1619 im Druck erschienen „Cometen Predigte“. Wenngleich es schon weit früher immer wieder Flugschriften und Traktate zu Kometen gegeben hatte, wurden diese jedoch meist eher in wissenschaftlichen Kreisen (Tycho Brahe, Johannes Kepler, Galileo Galilei) rezipiert. Das Zusammentreffen von Erscheinung (Winterkomet) und Ereignis (die konfessionellen Spannungen und der Beginn des böhmisch-pfälzischen Krieges) im Jahr 1618 war allerdings auffällig und hatte die Rezeption durch eine breitere Öffentlichkeit zur Folge. Auch wenn 1618 die Deutung des Prodigiums noch nicht feststehen konnte, herrschte bereits der Glaube vor, dass etwas Schlimmes passieren müsse, und manche Quellen sagten gar einen Krieg voraus. In diesem Kontext ist es zu lesen, wenn die Autoren verschiedener Quellen dezidiert das Erscheinen des Winterkometen als Anlass ihrer Aufzeichnungen benennen, wie das beispielsweise Hans Heberle in seinem „Zeytregister“ tut. Speziell im Nachhinein wurde der Winterkomet ganz konkret als Vorbote des Dreißigjährigen Krieges interpretiert.

Quellen in Auswahl

  • Abelin, Johann Philipp, Theatrum Europaeum, Oder Außführliche, und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten: so sich hin und wider in der Welt, fürnämlich aber in Europa, und Teutschen Landen, so wohl im Religion- als Prophan-Wesen, vom Jahr Christi 1617. biß auff das Jahr Jahr 1629. Bey Regierung deren… Keysern Matthiae… und Ferdinandi deß Andern… sich begeben und zugetragen haben, &c., Wolfenbüttel 1635, S. 116-119.
  • Dieterich, Conrad, Vlmische Cometen Predigte, Von dem Cometen, so nechst abgewichnen 1618. Jahrs im Wintermonat sich erstenmahls in Schwaben sehen lassen: Darinn nachfolgende drey Puncten gehandlet werden, 1. Was Cometen seyen. 2. Was Sie bedeuten. 3. Was vns gegen deren bedeutung vorzunehmen, Ulm 1619. URL: http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10900671.html (aufgerufen am 23.08.2022).
  • Ehinger, Elias, Iudicium Astrologicum Von dem Newen Cometa Welcher den 1. Decemb. 1618. am Morgen vor und nach 6. uhren zu Augspurg von vilen Personen gesehen worden, Augsburg 1618. URL: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10200819_00001.html (aufgerufen am 23.08.2022).
  • Güntzer, Augustin, Kleines Biechlin von meinem gantzen Leben. Die Autobiographie eines Elsässer Kannengießers aus dem 17. Jahrhundert, hg. von Fabian Brändle und Dominik Sieber (Selbsterzeugnisse der Neuzeit, Bd. 8), Köln u.a. 2002, hier Bl. 64v-63[a]r.
  • Happe, Volkmar Chronicon Thuringiae, in: Mittelhochdeutsche Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (MDSZ), hg. von Hans Medick/Norbert Winnige, hier Teil If. 24v. URL: http://www.mdsz.thulb.uni-jena.de/sz/search_sz.php?szid=10&personid=alle&placeid=alle&commid=alle (aufgerufen am 23.08.2022).
  • Herlitz, David, Prodromus vnd Erster Vortrab, Oder Kurtze vnd Einfeltige Erklerung, Deß Cometen, oder Geschwäntzten Sterns, so sich im November deß M.DC.XVIII. Jahres hat sehen lassen, Nürnberg 1618. URL: http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11120554_00001.html (aufgerufen am 23.08.2022).
  • Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer Darstellung. Hans Heberles ,Zeytregister' (1618-1672). Aufzeichnungen aus dem Ulmer Territorium. Ein Beitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten, hg. von Gerd Zillhardt (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm, Bd. 13), Stuttgart 1975, hier S. 86f.

Literatur in Auswahl

  • Bähr, Andreas, Der grausame Komet. Himmelszeichen und Weltgeschehen im Dreißigjährigen Krieg, Hamburg 2017.
  • Calder, Nigel, Das Geheimnis des Kometen. Wahn und Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1981.
  • Classen, Johannes, 15 Kometenflugschriften des 17. und 18. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Sternwarte Pulsnitz, Bd. 11), Pulsnitz 1997.
  • Gindhart, Marion, Das Kometenjahr 1618. Antikes und zeitgenössisches Wissen in der frühneuzeitlichen Kometenliteratur des deutschsprachigen Raumes (Wissensliteratur im Mittelalter. Schriften des Sonderforschungsbereichs 226 Würzburg / Eichstätt, Bd. 44), Wiesbaden 2006.
  • Griesser, Markus, Die Kometen im Spiegel der Zeiten. Eine Dokumentation, Bern / Stuttgart 1985.
  • Heitzer, Elisabeth, Bild des Kometen in der Kunst, Berlin 1995.
  • Heitzer, Elisabeth, Kometen, Kreuze und die Pest in Darstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Fördern und bewahren. Studien zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit. Festschrift anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Dr. Günther Findel-Stiftung zur Förderung der Wissenschaften, hg. von Helwig Schmidt-Glintzer (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 70), Wiesbaden 1996, S. 231-254.
  • von Krusenstjern, Benigna, Prodigienglaube und Dreißigjährigen Krieg, in: Im Zeichen der Krise. Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts, hg. von Hartmut Lehmann / Anne-Charlott Trepp (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 152), Göttingen 1999, S. 53-78.
  • Lehmann, Hartmut, Die Kometenflugschriften des 17. Jahrhunderts, in: Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland, Bd. 2, hg. von Peter Blickle u.a. (Wolfenbüteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 13), Wiesbaden 1985, S. 683-700.
  • Meinel, Christoph (Hg.), Grenzgänger zwischen Himmel und Erde. Kometen in der Frühen Neuzeit (Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg, Bd. 1), Regensburg 2009, hier S. 28-31, 34f. und 38-77.
  • Sfountouris, Argyris, Kometen, Meteore, Meteoriten. Geschichte und Forschung, Stuttgart / Wien 1986.

 

Zitierhinweis: Regina Fürsich, Kometen, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 23.08.2022

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