Marienverehrung und katholische Frömmigkeit

von Amelie Bieg

 Die St. Loretto Capelle [bei Konstanz] (Quelle: LABW)
St. Loretto bei Konstanz, erbaut 1638 [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK J-B Bodensee 57]

Eine Folge der Kriegsdrangsale war in den katholischen Territorien eine verstärkte Hinwendung zur Frömmigkeit, vor allem zur Gottesmutter Maria. Schon die Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde in katholischer Lesart zu einem Kreuzzug gegen die „neuen Ketzer“, die Protestanten. Damit knüpfte man an die Seeschlacht von Lepanto 1571 an, in welcher der Sieg der Heiligen Allianz über das Osmanische Reich der Fürsprache der Jungfrau Maria zugeschrieben wurde. Der Schlachtruf „Maria!“ Herzog Maximilians von Bayern und das Erscheinen des Karmeliterpaters Dominicus a Jesu Maria sind Beispiele für die Marienfrömmigkeit der „ecclesia militans“.

In der Folge des Sieges 1620 wurde von den Habsburgern der Kult von Loreto zur Rekatholisierung Böhmens und zur Verfestigung des katholischen Glaubens intensiv verbreitet. Die Casa Santa im italienischen Loreto ist der Legende nach das Haus, „in dem zu Nazareth die Verkündigung an Maria stattgefunden hat und das auf wunderbare Weise nach dem heutigen Loreto [...] übertragen worden ist“ “[1]. Kapellen, welche den Maßen des Hauses von Loreto entsprachen, wurden 1620/1623 im mährischen Nikolausburg oder 1622 bis 1627 in der Augustinerkirche in Wien errichtet. Dieser Kult breitete sich auch im deutschen Südwesten aus. So entstanden beispielsweise noch während des Krieges Loretokapellen in Tettnang (1624-1627), Binsdorf (1626), Scheer (1628-1831) oder Ellwangen (1638-1639).

Nicht nur Kaiser Ferdinand II., sondern auch Kurfürst Maximilian von Bayern betrieb zu seinen Lebzeiten einen intensiven Marienkult und förderte ihn in seinen Herrschaftsgebieten öffentlichkeitswirksam. 1638 ließ Maximilian in München am ersten Sonntag nach Allerheiligen, „einem Tag, an dem alljährlich eine Dankprozession für den Sieg auf dem Weißen Berg stattfand“ [2], eine Mariensäule auf dem Marktplatz (seit 1854 Marienplatz) errichten. Damit demonstrierte er deutlich sichtbar die schon vor dem Krieg erklärte Erhebung Marias zur „Patrona Bavariae“. Auch in der eroberten Oberpfalz betrieb der bayerische Herzog die Rekatholisierung durch die Initiierung zahlreicher Marienpatrozinien und das verpflichtende Rosenkranzgebet.

Die Bevölkerung von Rottweil nahm 1643 Maria ebenfalls als Schutzpatronin vor den Feinden wahr. In der von französisch-weimarischen Truppen belagerten Reichsstadt soll eine Madonnenstatue in der Nacht vom 9. auf den 10. November die Augen gewendet und ihre Gesichtsfarbe gewechselt haben. Die Einnahme der Stadt, die ohne Plünderung und Brandschatzungen verlaufen war, und die anschließende schnelle Rückeroberung durch kaiserliche Truppen wenige Tage später wurde dem Wunder dieser sogenannten „Madonna von der Augenwende“ zugesprochen, welche fortan als Gnadenbild intensiv verehrt wurde. Damit diente die Muttergottes gleichermaßen als Mittel und Medium zur Rekatholisierung und zur katholischen Konfessionalisierung im 17. Jahrhundert, auf deren Fürsprache und Schutz die Menschen in den Kriegszeiten besonders vertrauten.

Anmerkungen

[1] Matsche: Casa-Santa-Kopien, S. 81.
[2] Junkelmann: Maximilian, S. 42.

 

Literatur in Auswahl

  • Chaline, Oliver, Die Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620), in: 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textbd. 1, hg. von Klaus Bußmann / Heinz Schilling (Europaratsausstellungen, Bd. 26), München 1998, S. 35-101.
  • Chaline, Oliver, Religion und Kriegserfahrung. Die Schlacht am Weißen Berge 1620, in: Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa, hg. von Franz Brendle / Anton Schindling, Münster 2006, S. 511-518.
  • Hartinger, Walter, Konfessionalisierung des Alltags in Bayern unter Maximilian I., in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 65 (2002), S. 123-156.
  • Haude, Sigrun, Religion während des Dreißigjährigen Krieges, in: Frömmigkeit – Theologie – Frömmigkeitstheologie. Festschrift für Berndt Hamm, hg. von Gudrun Litz / Heidrun Munzert / Roland Liebenberg, Boston 2005, S. 537-553.
  • Holzem, Andreas, „... zum Seufzen und Wainen also bewegt worden.“ Maria im Krieg – Das Beispiel Rottweil 1618-1648, in: Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa, hg. von Franz Brendle / Anton Schindling, Münster 2006, S. 191-216.
  • Holzem, Andreas, Religiöse Semantik und Kirchenkrise im „konfessionellen Bürgerkrieg“. Die Reichsstadt Rottweil im Dreißigjährigen Krieg, in: Kriegsniederlagen. Erfahrungen und Erinnerungen, hg. von Horst Carl u. a., Berlin 2004, S. 233-256.
  • Junkelmann, Marcus, Maximilian I. von Bayern. Der eiserne Kurfürst (Kleine bayerische Biografien), Regensburg 2017.
  • Matsche, Franz, Gegenreformatorische Architekturpolitik. Casa-Santa-Kopien und Habsburger Loreto-Kult nach 1620, in: Jahrbuch für Volkskunde, Neue Folge 1 (1978), S. 81-118.
  • Schreiner, Klaus, Maria Victrix. Siegbringende Hilfen marianischer Zeichen in der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620), in: Kloster – Stadt – Region. Festschrift für Heinrich Rüthing, hg. von Johannes Altenberend (Sonderveröffentlichung des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Bd. 10), Bielefeld 2002, S. 87-144.
  • Stock, Klemens, Christliche Wallfahrt und Wallfahrt auf den Schönenberg, in: Ellwanger Jahrbuch 32 (1987/1988), S. 71-84.

 

Zitierhinweis: Amelie Bieg, Marienverehrung und katholische Frömmigkeit, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 23.08.2022

Suche

Logo der Abteilung Landesgeschichte des Historischen Instituts der Universität Stuttgart