Vorsicht Schusswaffen!

Der südbadische Grenzschutz im Zeichen des RAF­Terrors

 

Fahndungsplakat aus dem Jahr 1985. Vorlage: Landesarchiv BW, StAF Q 60/1 Nr. 140. Zum Vergrößern bitte klicken.
Fahndungsplakat aus dem Jahr 1985. Vorlage: Landesarchiv BW, StAF Q 60/1 Nr. 140. Zum Vergrößern bitte klicken.

Terroranschläge sollen für Schrecken und Verunsicherung sorgen – in der Bevölkerung aber vor allem bei Polizei und staatlichen Stellen. Solche Aktionen dienen aber auch der Selbstver- gewisserung der Terroristinnen und Terroristen: Sie sorgen für mediale Präsenz, sollen eine Demonstration der eigenen Stärke und der staatlichen Machtlosigkeit sein und die Unterstützungsbereitschaft der Sympathisantenszene fördern. Schon bald nach ihrer Gründung machte die Rote Armee Fraktion (RAF) vor allem in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit zunehmender Radikalität und Gewalt auf sich aufmerksam. Was aus dem Geist der Studentenrevolte der 1960er Jahre heraus als – so die Selbstsicht der Protagonistinnen und Protagonisten – internationaler Klassenkampf gegen Imperialismus und Kapitalismus begann, entwickelte sich zunehmend zum reinen Versuch, inhaftierte RAF-Mitglieder mit Gewalt freizupressen. Dieses Ziel verfolgte vor allem die zweite Generation der RAF mit selbstfixierter Besessenheit. Während Mitgliedern der ersten Generation wie Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof der Prozess gemacht wurde, erreichte die Brutalität gerade 1977 eine neue Stufe.

Abgesehen hatte es die RAF vor allem auf Angehörige bestimmter Funktionseliten, etwa aus der Wirtschaft, dem Finanzsektor, dem diplomatischen Dienst, der Politik und der Justiz. Die schrecklichen Attentate evozierten teils extrem weitreichende Forderungen nach drastischen Gegenmaßnahmen. Diese reichten von verschärften Gesetzen und härterer Strafverfolgung bis hin zum Ruf nach der Todesstrafe und dem Einsatz der Bundeswehr im Innern.

Die staatlichen Maßnahmen gegen die RAF waren in der Bundesrepublik seinerzeit omnipräsent: Fahndungsplakate hingen überall und auch zahlreiche Polizeikontrollen mögen die Angst vor dem Terror durchaus verschärft haben. Doch wesentlicher Katalysator, der die Furcht in der Bevölkerung schürte, waren natürlich die Gewaltakte der RAF selbst. Diese Angst nahm bisweilen bizarre Formen an, sodass Polizei und Behörden überreagierten und auch Unschuldige ins Visier der Fahndung gerieten. Der Staat musste den schwierigen Spagat zwischen Fahndung, Strafverfolgung und Schutz potenzieller Opfer einerseits und der Wahrung der Grundrechte andererseits meistern.

Auch in Südwestdeutschland war der Kampf gegen den RAF-Terrorismus spürbar und hat deutliche Spuren in der Überlieferung verschiedenster Behörden hinterlassen. Sobald bekannt wurde, dass sich die RAF-Mitglieder geschickt und ortskundig vor allem im Dreiländer-Eck auch über Grenzen hinwegbewegten, beschlossen die Sicherheitsbehörden des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, den Grenzschutz zu intensivieren. Dies betraf vor allem die Grenzschutzämter Konstanz und Weil am Rhein. Durch Präventionsansätze sollte der Mobilität der RAF die Grundlage entzogen werden. Engmaschige Personenkontrollen mit Datenabgleichen und die Analyse sichergestellter Gegenstände wie gefälschter Ausweispapiere wurden als zielführend erachtet. Da der Transport von Waffen und Munition bevorzugt über die grüne Grenze erfolgte, lagen hier teils ganze Hundertschaften des Grenzschutzes auf der Lauer und häuften unzählige Überstunden an. Von den verschärften Kontrollmaßnahmen versprach man sich auch eine beruhigende Wirkung auf die Bevölkerung.

Celina Reinke

Quelle: Archivnachrichten 63 (2021), Seite 36-37.

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