Hildegard  Ziegler - Preußens erste Abiturientin

Die Abiturarbeit von Hildegard Ziegler 1895 - Quelle: Landesarchiv BW - StAS
Die Abiturarbeit von Hildegard Ziegler 1895 - Quelle: Landesarchiv BW - StAS

Hildegard Ziegler (1871-1953) wuchs als Tochter eines Pastors in Liegnitz auf, wo sie die höhere Töchterschule besuchte und nach einem Pensionatsjahr in Lausanne 1892 das Lehrerinnenexamen bestand. Sie studierte seit 1893 in Zürich, da sie dort auch ohne Abitur zum Studium zugelassen worden war. 1895 legte sie mit einer Sondergenehmigung ihr Abitur am Königlich Katholischen Gymnasium in Sigmaringen ab. Sigmaringen war die Zürich am nächsten gelegene preußische Stadt mit Gymnasium. Die Prüfung fand im Rahmen eines Vorversuches für den ersten weiblichen Abiturjahrgang, der durch die Frauenrechtlerin und Pädagogin Helene lange vorbereitet wurde, statt. Nun konnte Ziegler auch an einer deutschen Universität studieren. Ihre Wahl fiel auf Halle, wo sie 1898 im Fach Geschichte promovierte. Im Anschluss war sie in Berlin als Lehrerin für Mädchen in Gymnasialkursen tätig. Doch diese Tätigkeit musste sie wegen ihrer Eheschließung mit dem Arzt Dr. Max Wegscheider und den anschließenden Geburten ihrer beiden Söhne einstellen. Politisch engagierte sie sich als sozialdemokratische Rednerin - sie war der Partei in ihrer Züricher Zeit beigetreten. Neben der Politik war ihr auch die Trinker-Fürsorge ein Anliegen. Nachdem ihre Ehe zerbrochen war, holte Hildegard Wegscheider das Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen nach und nahm anschließend eine Stelle als Oberlehrerin in Bonn an.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte Wegscheider nach Berlin zurück, wo sie von 1919 bis 1921 für die SPD der verfassunggebenden preußischen Landesversammlung angehörte und ab 1921 Mitglied des Preußischen Landtags war. Von 1920 bis 1933 war Wegscheider als Oberschulrätin im Provinzialschulkollegium in Berlin tätig. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde sie aus allen Ämtern entfernt. Nach dem Zusammenbruch des Hitler-Regimes nahm Wegscheider ihre politischen Aktivitäten wieder auf.

In Anerkennung von Wegscheiders Verdiensten wurde 1946 eine Schule in Berlin-Grunewald nach ihr benannt. Im Jahr 1952 erhielt die erste Abiturientin Preußens das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. 1953 verstarb sie im Alter von 81 Jahren in Berlin und wurde auf dem Friedhof Berlin-Wilmersdorf in einem Ehrengrab beigesetzt.

Birgit Meyenberg

Veröffentlicht in: "Auch das rein Geschichtliche muss für den Staat von Bedeutung sein". Historische Schätze aus dem Staatsarchiv Sigmaringen. Begleitband zur Ausstellung des Landesarchivs BW, Staatsarchiv Sigmaringen, aus Anlass des 150-jährigen Jubliläums des Staatsarchivs Sigmaringen. Hg. v. Volker Trugenberger. Stuttgart 2015,  S.  146. 

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