Belagerungen

von Marius Wieandt

Darstellung der Belagerung der Festung Hohentwiel im Jahr 1641 auf einem Kupferstich von 1643 [Quelle: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Graph. Sammlung Schef.fol.3534].
Darstellung der Belagerung der Festung Hohentwiel im Jahr 1641 auf einem Kupferstich von 1643 [Quelle: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Graph. Sammlung Schef.fol.3534]

In einem Aufsatz über Festungen schrieb Klaus Jordan 2012, dass „[d]ie Kriegsgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (…) immer auch und vor allem eine ‚Geschichte der Belagerungen von Festungen‘“[1] gewesen sei. Auch und vor allem während des Dreißigjährigen Krieges wurde um die Kontrolle von Festungen an strategisch bedeutsamen Positionen gekämpft. Da eine offene Feldschlacht die Möglichkeit in sich barg, an einem einzigen Tag eine mühsam und kostspielig aufgebaute Armee zu verlieren, kamen solche großen Feldschlachten nur selten vor. Viel sicherer war es, die Kontrolle über einen Landstrich aus einer Festung heraus auszuüben, wo die Verteidiger mitsamt ihren Vorräten gut geschützt waren und sich notfalls längere Zeit gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner zur Wehr setzen konnten.

Ziel einer Belagerung war es daher, der Festungsbesatzung diese nützlichen Positionen abzunehmen, um sie selbst nutzen zu können. Dies konnte geschehen, indem die gegnerische Verteidigung gewaltsam überwunden und eingenommen wurde oder aber die Verteidiger in eine hoffnungslose Lage gebracht wurden, in der sie freiwillig die Waffen streckten. Bei einer Belagerung hatten die Verteidiger den Vorteil, sich in bekannter Umgebung und gesicherter Stellung verschanzen zu können. Allerdings kamen im Vorfeld von Belagerungen häufig Angehörige der Landbevölkerung in die befestigten Orte, um dort Schutz vor den marodierenden Gegnern zu suchen. Die daraus folgende hohe Bevölkerungsdichte hinter den schützenden Mauern führte dazu, dass rasch Hunger und Krankheiten grassierten. Auch hatten die Belagerten häufig keine Möglichkeit, ihr eingelagertes Getreide zu mahlen, da Mühlen meist außerhalb der Mauern standen.

Auf der württembergischen Festung Hohentwiel wurde daher 1635 nach Plänen des Kommandanten Konrad Widerholt eigens eine Windmühle mit horizontalen Flügeln errichtet, um auch während einer Belagerung Getreide mahlen zu können. Die von den Schweden belagerten Lindauer brachten 1647 ihr Getreide sogar mit Schiffen in die Mühlen der Schweiz, obwohl sie bei der Überquerung des Bodensees durch eine schwedische Seeblockade manövrieren mussten.

Vielfach hatte der Belagerer jedoch mit ähnlichen Hygiene- und Versorgungsproblemen zu kämpfen. Nur selten stand den Belagerern eine feste Unterkunft zu Verfügung, häufig mussten sie in Zelten oder improvisierten Unterkünften leben. Die Versorgung mit sauberem Wasser und Lebensmitteln konnte sich über längere Zeit als schwierig erweisen, sodass sich auch im Lager der Angreifer Krankheiten verbreiteten.

So konnte der Ausgang einer Belagerung davon abhängig sein, welche Partei den Ausbruch von Seuchen länger vermeiden konnte und eine größere Leidensfähigkeit mitbrachte. Die eingeschlossenen Verteidiger genossen dabei häufig den Vorzug größerer Entschlossenheit. So ergab sich die Festung Breisach am Rhein 1638 erst nach acht Monaten der Belagerung, als der größte Teil der Eingeschlossenen bereits verhungert war.

Es konnte daher bei großer Überlegenheit für die Belagerer reizvoll sein, den Versuch zu unternehmen, die gegnerischen Mauern zu erstürmen. Es konnten Leitern genutzt werden, um die Mauern zu überwinden, oder der Angreifer trieb Minen unter die Mauern und zündete dort Sprengsätze, die Teile des Mauerwerks einstürzen ließen. Meist jedoch wurde mit schweren Geschützen versucht, die Verteidigungsstellungen durch längeren Beschuss für einen Sturm bereitzumachen.

Die Vorbereitung eines Beschusses war jedoch zeitintensiv, da im Vorfeld die Kanonen hergerichtet und gegen Ausfälle und Gegenbeschuss gesichert werden mussten. Wochen konnten vergehen, bis der Beschuss von Mauern begann. Auch dann wurde meist nur stundenweise und fokussiert auf einige Abschnitte der Mauer geschossen. Auch wurden Kanonenkugeln mit mehr oder minder großem Erfolg über die Mauern hinweg geschossen, um die Bewohner zu demoralisieren und zur Aufgabe zu bewegen. So schossen etwa die Schweden bei der Belagerung Lindaus 1647 am ersten Tag des Beschusses, dem 18. Tag der Belagerung, über drei Stunden 250 meist glühende Geschosse über die Mauern. Dennoch brachen in der Stadt keine Brände aus und nur ein ziviles Todesopfer war zu beklagen.

Die Erstürmung eines befestigten Ortes war ausgesprochen selten, da sie meist mit hohen Verlusten einherging. Die gewaltsame Einnahme einer strategisch gut gewählten Festung, wie dem württembergischen Hohentwiel, gesichert mit ausreichend Verteidigern, war nahezu unmöglich. Eher möglich war der Sturm auf die Mauern einer Stadt, besonders berühmt wurde die Magdeburger Bluthochzeit 1631, weil Städte wegen ihrer Größe und Lage schwerer zu verteidigen waren.

Viel häufiger als die Erstürmung einer Stadt oder Festung war jedoch eine vertragliche Übergabe. Ein belagerter Ort, der sich in einer hoffnungslosen Lage befand, weil keine Aussicht darauf bestand, der Belagerung weiter standzuhalten oder von einem verbündeten Heer, das zu Hilfe kam, entsetzt zu werden, konnte sich per Akkord ergeben. Dabei wurden die Konditionen der Übergabe der Stadt oder Festung ausgehandelt und ein Vertrag zwischen beiden Parteien darüber geschlossen. Die Bedingungen konnten dabei sehr unterschiedlich ausfallen und reichten von der bedingungslosen Kapitulation bis zu Übereinkünften, nach denen die Besatzung mit Fahnen und geladenen Waffen abziehen durfte.

Anmerkungen

[1] Jordan: Hygiene in Festungen, S. 115.

 

Literatur in Auswahl:

  • Bumiller, Casimir, Hohentwiel. Die Geschichte einer Burg zwischen Festungsalltag und grosser Politik, Konstanz 1997.
  • Fritz, Eberhard, Mikrohistorie als neuer Zugang zu einem klassischen Thema der Forschung. Die Festung Hohentwiel im Dreißigjährigen Krieg unter Kommandant Konrad Widerholt, in: Die Festungen der Neuzeit in historischen Quellen, hg. von der Deutschen Gesellschaft für Festungsforschung e.V. (Festungsforschung, Bd. 9), Regensburg 2018, S. 107-115.
  • Jordan, Klaus, Hygiene in Festungen, in: Kasernen – Lazarette – Magazine. Gebäude hinter den Wällen, hg. von der Deutschen Gesellschaft für Festungsforschung e.V., Regensburg 2012 (Festungsforschung, Bd. 4), S. 115-139.
  • Mayr, Otto, Die schwedische Belagerung der Reichsstadt Lindau 1647. Der Dreißigjährige Krieg am Bodensee und in Oberschwaben (Neujahrsblatt des Historischen Vereins Lindau e. V., Bd. 53), München 2016.

Zitierhinweis: Marius Wieandt, Belagerungen, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 10.08.2022

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