Kartause Güterstein 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1439 [1439]
Zerstörung/Aufhebung: 1535 [1535]
Beschreibung: Einer späteren chronikalischen Notiz zufolge stiftete Kardinal Konrad von Urach (+ 1227) im Schatten der Stammburg Hohenurach ein Kloster "zum Stein" ("ad lapidem"), das dem Zisterzienserorden, dessen Generalabt Konrad war, zugehören sollte. Aufgrund des Rückzugs der Grafen von Urach aus dem Ermstal nach dem Ende der Stauferzeit vermochte sich dieses Projekt, dessen sich ab 1254 auch Konrads Bruder Rudolf angenommen hatte, nie richtig zu entwickeln. Nach etwa 150 Jahren ohne Quellennachricht erscheinen an dem nun Güterstein genannten Platz am Steilabhang der Schwäbischen Alb Benediktinermönche aus der Abtei Zwiefalten, die im Ermstal reichen Besitz hatte. An der Marienkapelle hatte sich zu unbekanntem Zeitpunkt eine Wallfahrt entwickelt, die eine dauernde geistliche Betreuung erforderte. Durch Stiftungen der Grafen von Württemberg, die die Schirmherrschaft ausübten, und dem regionalen Niederadel entwickelte sich die rechtlich eigenständige Propstei rasch. Dem Wunsch der Grafen Ludwig I. und Ulrich V. von Württemberg, ein Kartäuserkloster in ihrem Land zu errichten, wurde die Benediktinerpropstei 1439 geopfert. Dahinter steckten wohl territorial- ebenso wie kirchenpolitische Erwägungen der Grafen, die die für die Reformbewegung der Zeit wichtigen Kartäuser ins Land holen wollten. Dafür waren sie auch bereit, weitestgehend auf Einflussrechte zu verzichten. Die Kartäuser erhielten in der Folge eine Vielzahl von Stiftungen, so dass in Ehningen im Gäu und in Entringen bei Tübingen zwei neue Schwerpunkte der Gütersteiner Grundherrschaft entstehen konnten. Außerdem wurden bis um 1495 umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt. Das jährliche Einkommen des Klosters wurde 1525 auf 1400 Gulden geschätzt. Durch den Besitz von zahlreichen Patronatsrechten erlangten die Kartäuser Einfluss auf die Besetzung von Pfarrstellen in der Umgebung des Klosters. Seelsorge selber auszuüben war dem Orden indes nicht gestattet. Als Kartause spielte Güterstein in dreifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle für die Grafschaft Württemberg. Zunächst wurde das Kloster nach der Landesteilung 1441/42 Grablege der in Urach residierenden Grafenfamilie und damit memoriales Zentrum des Landes. Zum zweiten erlangten die Prioren, in erster Linie Konrad von Münchingen (+ 1482) und Albert Hummel aus Donzdorf (+ 1501), eine erhebliche Bedeutung für die Reform der württembergischem Einfluss unterliegenden Klöster. In der entscheidenden Reformbulle Papst Pius’ II. für Württemberg von 1459 wurde u. a. der Gütersteiner Prior mit dem Auftrag der Klostervisitation versehen. Drittens verweist das in Güterstein entstandene volkssprachliche Schrifttum auf die geistige Strahlkraft des Konvents. Mit dem 1447 niedergeschriebenen "Geistlichen Gespräch zwischen einer Fürstin und einer Krämerin", deutschen Heiligenleben und einem gedruckten Rosenkranzgebet tut sich ein Spektrum geistlicher Literatur auf, das auf Transformation gelehrter theologischer Inhalte für ein Laienpublikum abzielt. Dies wird auch an einzelnen Konventualen ersichtlich. In Güterstein verbrachte der vormalige Augsburger Benediktiner und Buxheimer Kartäuser Johannes Mickel (+ 1508) seinen Lebensabend, der den verbreiteten Traktat "Alphabetum divini amoris" ins Deutsche übertragen hatte (1493 in Memmingen gedruckt). Neuere Forschungen lassen vermuten, dass es sich bei dem Mediziner und in Güterstein als Mönch verstorbenen Dr. Thomas Finck (+ 1523/24) um den bedeutenden Übersetzer Thomas de Heilprun handelte. Mit den von Graf Eberhard V. entwickelten eigenständigen kirchenpolitischen Ideen, die sich an der Gründung der Universität Tübingen und der Berufung der Brüder vom gemeinsamen Leben nach Urach (beides 1477) zeigen, ging die Bedeutung der Kartause zurück. Innerhalb des Ordens wurde der personell starke Konvent immer wieder zur Ergänzung und zur Visitation anderer Ordenshäuser herangezogen. Benedikt Eichel und Thilmann Mosenus wurden auch in das Diffinitorenkollegium des jährlich tagenden Generalkapitels gewählt. Mosenus erlangte überdies eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung der Kartäuser mit der beginnenden Reformation in Südwestdeutschland. Vor der Vertreibung des Konvents in der Reformation (1535) gab es 20 Religiosenzellen und nochmals zehn für Laienbrüder. Die Mönche gingen nach Aufhebung der Kartause überwiegend nach Buxheim. Ein Restitutionsversuch 1550/51 scheiterte. Die Klosteranlage, zu der neben Marienkirche, Zellenhäuschen und Gebäuden für das konventuale Leben auch eine Andreas geweihte Grabkapelle und eine abseits des Klosterbezirks errichtete Pilgerkapelle sowie Wirtschaftsgebäude gehörten, wurde nach der Reformation zur Gänze abgetragen. Die 1554 noch aufgefundenen Überreste der Gräber des Hauses Württemberg wurden in die Stiftskirche Tübingen verbracht. Bedeutend ist das Grabmal Erzherzogin Mechthilds (um 1450), das Hans Multscher zugeschrieben wird. In der Pfarrkirche Oberstenfeld befindet sich ein Passionsaltar von 1512, der aus Güterstein stammen könnte. 1715 entstand an der Stelle des Klosters ein Wasserhebewerk für den oberhalb gelegenen herzoglichen Fohlenhof. Unterhalb des Klosters, vermutlich an Stelle des klösterlichen Wirtschaftshofes, entstand ein weiterer Gestütshof, die heutige Anlage entstammt dem 19. Jahrhundert. In Urach hat sich bis heute der Pfleghof der Kartause erhalten.
Autor: ROLAND DEIGENDESCH
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Zisterzienser um 1226-nach 1260 (?)
  • Benediktiner vor 1370-1439
  • Kartäuser 1439-1535
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=528

Adresse Bad Urach

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 252f. (R. DEIGENDESCH).|Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg. Inventar Schwarzwaldkreis. Bearb. v. E. von Paulus. Stuttgart 1897. OA Urach, 467f.R. DEIGENDESCH: Die Kartause Güterstein (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 39). Leinfelden 2001.
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