Tollkirsche und Herbstzeitlose: Herzog Karl Eugen von Württemberg warnt vor dem Verzehr von Pflanzen

Kupferstich Atropa belladonna L. ( Schwarze Tollkirsche), J.S.Kerner, Juni 1788. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 352 Bü 28
Kupferstich "Atropa belladonna L." ( Schwarze Tollkirsche), J.S.Kerner, Juni 1788. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 352 Bü 28

Essbare Nahrungsmittel mit giftigen zu verwechseln kommt immer wieder vor und kann beim Menschen zu schweren Erkrankungen bis hin zum Tod führen. Als besonders gefährlich gilt die Tollkirsche (Atropa belladonna). Das vornehmlich in Wäldern wachsende Nachtschattengewächs sieht den schwarzen Esskirschen sehr ähnlich. Nach der Einnahme bewirkt ihr Gift Herz- und Kreislaufprobleme, Halluzinationen bis hin zum Atemstillstand.

Die württembergischen Regierungsakten, die im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt werden, zeugen von verschiedenen Versuchen der Regierung, ihre Untertanen vor solchen Gefahren zu schützen. Mitte des 17. Jahrhunderts sollten in einer groß angelegten Vernichtungsaktion alle Tollkirschstauden ausgerottet werden.

Herzog Karl Eugen von Württemberg (1728 –1793) erkannte, dass die Aufklärung bereits in der Schule beginnen musste. Er erließ am 14. November 1788 ein Generalreskript, das auf die Gefährlichkeit der Tollkirsche hinwies. Der Beschreibung der Frucht war zum Vorzeigen für die Kinder ein prächtig kolorierter Kupferstich beigelegt worden. Der Zeichner war Johann Simon Kerner (1755– 1830). Herzog Karl Eugen hatte Kerner zunächst als Gärtner in der von ihm gegründeten Hohen Karlsschule eingestellt. Schon bald unterrichtete Kerner die Schüler in Botanik und Pflanzenzeichnung. Die Zeichnung der Tollkirsche stammte aus seinem achtbändigen Werk Abbildung Aller Oekonomischen Pflanzen (Stuttgart, 1786 –1796) und wurde für das Reskript nachgefertigt und vervielfältigt. Verwendet wurde hierfür noch ein handgeschöpftes, aber bereits maschinell verarbeitetes Papier. Die Zeichnung zeigt alle Teile der Pflanze, Wurzeln, Blätter, Blüten sowie die hochgiftigen Früchte. An den Herstellungskosten der Kupferstiche mussten sich alle Gemeinden beteiligen.

Allerdings gab es noch andere giftige Pflanzen, die den Menschen schwer schaden konnten: Im Sommer 1791 wurde dem Herzog die traurige Nachricht überbracht, dass zwei Mädchen an Krämpfen und Erbrechen nach 24 Stunden qualvoll gestorben waren. Beim Spielen zur Heuerntezeit waren den Kindern die süßen Samen der giftigen Wiesenpflanze Herbstzeitlose in die Hände gefallen und gegessen worden. Einem neuerlichen Reskript vom 5. September 1791 wurde nun nicht nur eine Beschreibung der Pflanze beigefügt, sondern auch geschildert, welche Beschwerden nach dem Verzehr auftreten konnten und was es als Gegenmaßnahme zu tun galt. Den Kranken war direkt nach der Einnahme des Giftes Brechwein einzuflößen. Nach Erbrechen war mit dem Verzehr von fetten Nahrungsmitteln wie Milch und Butter die entzündliche Reizung in den Eingeweiden zu mindern. Jeder Apotheker bzw. Pfarrer hatte das Medikament aufzubewahren.

Nichtsdestotrotz kam es weiterhin zu Todesfällen. Zehn Jahre später scheiterte der Botaniker Kerner mit seinem Antrag bei der Regierung, sein Buch, in dem er die wichtigsten Giftpflanzen besprach und kolorierte, als Schulpflichtlektüre in Württemberg einzuführen – aus Kostengründen. Noch im heutigen Schulunterricht dürfen die giftigen Pflanzen nur unter hohen Sicherheitsbestimmungen in biologischen Versuchsreihen verwendet werden.

 Alexandra Haas

Quelle: Archivnachrichten 53 (2016), S.14-15.

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