Die Seitenlinie Neuenstadt (1649–1742)

Einleitung: Christoph Eberlein (Lexikon des Hauses Württemberg, S. 219-221)

Neuenstadt und Umgebung auf einer Karte des Hardthäuser Walds, vermutlich 18. Jh. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS N 3 Nr. 23/5
Neuenstadt und Umgebung auf einer Karte des Hardthäuser Walds, vermutlich 18. Jh. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS N 3 Nr. 23/5

Am 27. September 1649 kam es in Stuttgart zwischen dem regierenden Herzog Eberhard III. von Württemberg und dessen jüngerem Bruder Friedrich zum Abschluß des sogenannten „Fürstbrüderlichen Vergleichs“. Dieser Vertrag bestimmte, daß „Statt vnd Ambt Newenstatt am Kocher, auch Statt vnd Ambt Meckhmühl, mit sambt allen derselben Rennten, Züntzen, Zöllen, Zehenden, güllten, vnd gefallen […] Herrn Hertzog Friderichs […] vnd dero Eheliche Mannliche Leibs Erben, vnd dero Descendenten […] Vollkommlich innhaben, nutzen vnd genießen mögen vnd sollen.“ Außerdem erhielt Friedrich die Niedergerichtsbarkeit in beiden Ämtern Neuenstadt und Möckmühl zugesprochen, verbunden mit der Maßgabe, sich an das geltende Landesrecht des Herzogtums Württemberg zu halten. Desgleichen wurde ihm Stadt und Amt Weinsberg mit allen Einkünften und der halben Niedergerichtsbarkeit zugeteilt. Zur Residenz wurde Neuenstadt bestimmt. Damit war eine neue Seitenlinie des Hauses Württemberg begründet worden!

Friedrich bezog das von Herzog Christoph im 16. Jahrhundert neugebaute Schloß. Neuenstadt war nicht zum ersten Mal württembergische Residenzstadt: Bereits von 1617 bis 1631 war das Schloß Wohnsitz des unverheirateten Herzogs Friedrich Achilles, eines Sohns Friedrichs I., gewesen. Im Dreißigjährigen Krieg war die Stadt vom Kaiser an seinen Günstling, den Diplomaten Graf Maximilian von Trautmannsdorff, vergeben worden. Erst durch den Westfälischen Frieden kam das schwer verheerte Amt wieder in den Besitz Württembergs.

Stammtafel der Seitenlinie Neuenstadt.
Stammtafel der Seitenlinie Neuenstadt. Quelle: Lexikon des Hauses Württemberg , S. 219. Zur Vergrößerung bitte klicken.

Unter Herzog Friedrich und seiner Gemahlin Clara Augusta, einer geborenen Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, erlebte das vom Dreißigjährigen Krieg stark betroffene Neuenstadt eine bescheidene Blütezeit. Abgesehen vom Bau des Marstallgebäudes sowie kleineren Umbauten und Erweiterungen des Schlosses traten die neuenstädtischen Herzöge als Bauherren jedoch wenig in Erscheinung.

Es sind zwei Punkte hervorzuheben, für die die Linie Neuenstadt berühmt gewesen ist: Zum einen ihre Sammlungen und zum anderen das Kriegsgeschick Friedrichs und seiner Söhne.

Die berühmteste Sammlung war sicher die seit 1656 von Herzog Friedrich errichtete Bibliothek. Angeregt wurde er durch seinen Schwiegervater, Herzog August von Braunschweig-Lüneburg. Dieser hatte in seiner Jugend mit dem Aufbau seiner „Bibliotheca Augusta“ begonnen, die rasch einen großen Umfang erreichte. Diese Herzog August Bibliothek, seit den 1640er Jahren in Wolfenbüttel beheimatet, ist heute immer noch ein bedeutendes Zentrum der Wissenschaft. Auch die Neuenstädter Bibliothek stellte bald nach ihrer Aufrichtung einen kulturellen Mittelpunkt für das ganze Herzogtum Württemberg dar. In einem Inventar von 1681 sind mehr als 25.000 Bände verzeichnet. Sie enthielt in der Mehrzahl theologische Schriften, doch auch juristische, medizinische, historische, philosophische und philologische Werke waren vertreten. Zum Bestand gehörten außerdem noch mehrere hundert Handschriften sowie zahlreiche Kupferstiche. In seinem Testament bestimmte Friedrich zwar, daß die Bibliothek unveräußerlich bleiben sollte, doch finanzielle Notsituationen zwangen die Erben 1688 zum Verkauf nach Stuttgart. Das Herzogspaar begann ebenfalls mit dem Aufbau eines bedeutenden Münzkabinetts. Beraten wurden sie dabei von dem aus Frankreich geflohenen Charles Patin, einem der namhaftesten Numismatiker jener Zeit. Daneben vervollständigten noch die Kunstkammer und die Gemäldesammlung das Bild vom Kunstsinn der Herzöge. Erstere enthielt vor allem wertvolle Geschirre, Gläser und diverse kleine kunsthandwerkliche Gegenstände, letztere war eine typische Bildersammlung der Barockzeit mit mythologischen Motiven, Genrebildern und Landschaftsmalereien vor allem süddeutscher Künstler. Teile der Bibliothek und der Münzsammlung sind heute im Besitz der Württembergischen Landesbibliothek und des Württembergischen Landesmuseums.

Nach Friedrichs Tod beerbte ihn sein Sohn Friedrich August. Dieser nahm ab 1682 seine Residenz in dem von seiner Frau in die Ehe eingebrachten Gochsheim im Kraichgau. Carl Rudolph folgte 1716 seinem Bruder in den Neuenstädter Besitzungen. 1737 wurde er, fast siebzigjährig, Administrator des Herzogtums Württemberg und Vormund für Herzog Carl Eugen. Doch fühlte er sich der Aufgabe in seinem Alter nicht mehr gewachsen und legte die Administration im Sommer 1738 nieder.

Friedrich, aber vor allem seine Söhne Ferdinand Wilhelm und Carl Rudolph waren bedeutende Feldherren. Dreißigjähriger Krieg, Türkenkriege, Franzosenkriege, Spanischer Erbfolgekrieg und Nordischer Krieg sind die Schauplätze, auf denen sich die Herzöge von Neuenstadt bewegten. Vater und Söhne machten Karriere in dänischen, englischen und holländischen Kriegsdiensten und erreichten hohe Generalsränge. Alle drei wurden mit dem höchsten Orden des Königreichs Dänemark, dem Elephantenorden, ausgezeichnet. Ferdinand Wilhelm wurde auch Gouverneur in Holländisch Flandern, sein Bruder Carl Rudolph Oberbefehlshaber der dänischen Armee.

Mit dem Tod Carl Rudolphs erlosch 1742 die Seitenlinie Neuenstadt im Mannestamm und die Ämter Neuenstadt, Möckmühl und Weinsberg fielen wieder an die regierende Hauptlinie in Stuttgart zurück. Die letzte weibliche Angehörige der Linie, Friederike, starb 1781 unverheiratet in Neuenstadt.

Quelle

  • A.L. Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze 2. Bd., Stuttgart u.a. 1829, S. 357–365.

Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Neckarsulm, hrsg. vom Königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1881, S. 215–220, 534–574. 
  • Werner Fleischhauer, Die hochfürstliche Residenz zu Neuenstadt an der Linde, in: Schwäbische Heimat 3 (1952), S. 123–128. 
  • Carl Roth, Geschichte der Stadt Neuenstadt an der großen Linde und des abgegangenen Ortes Helmbund, Heilbronn 1877.
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Biographien

1. Friedrich (1615–1682) - Christoph Eberlein

2. Clara Augusta (1631–1700) - Christoph Eberlein

3. Friedrich August (1654–1716) - Christoph Eberlein

4. Albertine Sophie Esther (1661–1728) - Christoph Eberlein

5. Sophia Dorothea (1658–1681) - Christoph Eberlein

6. Ferdinand Wilhelm (1659–1701) - Christoph Eberlein

7. Anton Ulrich (1661–1680) - Christoph Eberlein

8. Carl Rudolf (1667–1742) - Christoph Eberlein

9. Maria Theresia († 1748) - Christoph Eberlein

10. Auguste Sophie (1691–1743) - Christoph Eberlein

11. Eleonore Wilhelmine Charlotte (1694–1751) - Christoph Eberlein

12. Friederike (1699–1781) - Christoph Eberlein