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Der Krieg nach dem Krieg

Im März 1923 besetzten französische Einheiten den Karlsruher Rheinhafen

Die Wache Rheinhafen in Karlsruhe, (Quelle: Landesarchiv BW, StAF T 1 Zugang 1975-0001 Nr. 79a-0493)

Im März 1923 besetzten französische Einheiten den Karlsruher Rheinhafen und beschlagnahmten lebensnotwendige Güter wie Weizen und Kohle aber auch Exportartikel wie Rohmetall und verarbeitete Metallwaren. Der gesamte Güterverkehr wurde eingeschränkt, die Versorgung stockte, wirtschaftlich notwendige und für die Liquidität erforderliche Ausfuhren wurden sanktioniert. Von Besetzungen betroffen waren auch andere badische Städte, wie Mannheim mit dem Hafen, der Rheinbrücke und sogar dem Schloss, ferner Offenburg an der bedeutsamen Bahnstrecke Frankfurt-Basel. Die Besetzungen standen in Verbindung mit Auflagen, die Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg akzeptiert hatte aber auch mit einer Reihe daraus resultierender Konflikte, die das Krisenjahr 1923 prägten.

Als Folge des Waffenstillstands von Compiègne und des Versailler Vertrags waren zunächst die linksrheinischen Gebiete Deutschlands und vier rechtsrheinische Brückenköpfe den Ententemächten unterstellt worden. Neben Köln, Koblenz und Mainz gehörte auch das badische Kehl dazu. Eine 50 km breite, neutrale und entmilitarisierte Zone erstreckte sich von Nord nach Süd über das gesamte badische Gebiet. Anfang der 1920er Jahre zeichnete sich ab, dass es für Deutschland immer schwieriger werden würde, die Reparationsforderungen im geplanten Umfang zu erfüllen. Anfang des Jahres 1923 scheiterte eine Konferenz, die dem geschwächten Land mehr Flexibilität einräumen sollte. Während die USA und Großbritannien einen liberaleren Kurs verfolgten, blieb Frankreich unter seinem neuen Premierminister Raymond Poincaré bei einer unnachgiebigen Haltung. Hinter dem Beharren auf Erbringung der Leistungen, vorrangig ging es um Kohle, standen auch nationale Interessen mit dem Ziel, mehr Einfluss auf die wirtschaftlich bedeutsamen linksrheinischen Gebiete zu gewinnen. Die Besetzung des Ruhrgebiets am 11. Januar durch französische und belgische Truppen war ein völkerrechtlicher Verstoß und ein Bruch mit dem Versailler Vertrag, der keine militärischen Maßnahmen beim Ausbleiben von Leistungen vorsah. Die militärische Besetzung, gefolgt von umfassenden, bis zur Rücksichtslosigkeit reichenden Beschlagnahmungen, begleitete auf beiden Seiten eine Kette von Reaktionen und Gegenreaktionen. Die deutsche Regierung unter Wilhelm Cuno verordnete den Behörden Widerstand durch Passivität. Tausende, Angehörige der Führungsschichten oder andere unliebsame Personen, wurden zusammen mit ihren Familien ausgewiesen. Ein Generalstreik legte nicht nur die deutsche Wirtschaft lahm. Frankreich schickte weitere Truppen. Blutigen Übergriffen, etwa auf streikende deutsche Arbeiter, Willkür und Kriegsgerichten standen gewaltsame Aktionen deutscher kommunistischer und nationalsozialistischer Gruppen gegenüber. Die ohnehin leidende Bevölkerung in ganz Deutschland geriet in den Sog der Hyperinflation. Schließlich nutzten Extremisten auch in anderen Teilen Deutschlands die Situation für ihre Ziele. Im Spätsommer 1923 drohte die Pattsituation festzufahren. Die auf Cuno folgende Regierung Stresemann schaffte es, mit Kompromissen und Zugeständnissen eine Lösung herbeizuführen. Die Verhältnisse vor der Besetzung sollten im Rheinland wiederhergestellt werden. Das Angebot im Gegenzug lautete, die Reparationen nach einer Phase der Konsolidierung wiederaufzunehmen. Innenpolitisch war damit die Währungsreform verbunden, die die Inflation beendete.

Am Ende hatte die Besetzung des Ruhrgebiets über 130 Todesopfer gefordert, darunter viele Arbeiter und einige unbeteiligte Kinder. Die Besitzverhältnisse mittlerer und höherer Schichten veränderten sich grundlegend. Nicht eingedämmt werden konnte die Aggressionsbereitschaft von Extremisten wie den Deutsch-Nationalen, die mit dem Hitlerputsch am 8./9. November 1923 einen traurigen Höhepunkt erreichte. Zweifelhaften Ruhm erlangte Albert Leo Schlageter aus Schönau im Schwarzwald, der als einziger während der Besetzung des Ruhrgebiets nach der Verurteilung durch ein französisches Militärgerichtlich hingerichtet und anschließend zum Märtyrer stilisiert wurde.

Zum Weiterlesen:

Besetzte Gebiete - französische Truppen in Baden im Themenmodul von der Monarchie zur Republik

„Schlageter ist nicht mehr!“ Eine „Märtyrerfigur“ der Weimarer Republik aus Schönau im Schwarzwald

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