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Die „Scala Santa“ von Rastatt und das Bauprogramm der Markgräfin Sibylla Augusta

 

Kreuzprozession zur Einweihung der Heiligen Stiege am 21. Januar 1720 nebst Beschreibung der Feierlichkeiten, Kupferstich [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK Rastatt 220 Nr. 732 K 1]
Kreuzprozession zur Einweihung der Heiligen Stiege am 21. Januar 1720 nebst Beschreibung der Feierlichkeiten, Kupferstich [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK Rastatt 220 Nr. 732 K 1]

1719 unternahm Sibylla Augusta von Baden-Baden (1675-1733), Witwe des Türkenlouis und Regentin, zusammen mit dem noch unmündigen Erbprinzen Ludwig Georg Simpert eine Reise nach Rom. Der Weg führte über Loreto, die Heimreise über Siena und Florenz. Die tief religiöse Markgräfin war beeindruckt vom Empfang durch den Papst und den Kirchenschätzen. Unmittelbar nach der Rückkehr ließ sie im Rastatter Residenzgarten eine Loretokapelle erbauen. Kurz darauf gab sie die Heiligen Stiege in Auftrag, eine Nachbildung der Scala Santa im römischen Lateranpalast, die zusammen mit einer Kapelle in unmittelbarer Nähe ihrer Privatgemächer im Rastatter Schloss errichtet wurde. Das Vorbild in Rom verkörpert die Treppe im Palast von Pontius Pilatus, die Christus während seiner Passion mit Blut benetzt haben soll. Vorrichtungen lassen vermuten, dass das Treppenhaus der Rastatter Nachbildung mit entsprechenden Reliquien ausgestattet war, ebenso die Kapelle zum Leiden Christi am oberen Ende des Aufgangs. Wandbilder entlang der Stiege zeigen Szenen der Passion Christi. Eine Inschrift weist darauf hin, dass die Treppe kniend zu bewältigen sei. Sibylla Augusta schuf damit eine Wallfahrtsstätte, für deren Besuch die Pilger nach altem römisch-katholischem Brauch Ablass erhielten. Die Maßnahmen waren Teil eines umfangreichen Programms, mit dem die Regentin die katholische Konsolidierung verfolgte und das sich unter anderem in ihrer weiteren Bautätigkeit äußerte. Sibylla Augusta pflegte intensive Kontakte zu den der Gegenreformation verpflichteten Jesuiten. Besonderen Beistand erhielt sie durch ihren Seelsorger und Beichtvater, den Jesuitenpater Joseph Mayer.

In den Jahren 1720-1723 entstand die Hofkirche zum Heiligen Kreuz, die sich äußerlich in die Architektur des Schlosses einfügt. Im Inneren schuf die Markgräfin zusammen mit Baumeister Michael Ludwig Rohrer und Künstlern aus ihrer böhmischen Heimat ein theologisch-ikonografisches Gesamtwerk. So ließ sie die Kirche mit einem Grab Christi ausstatten. Das Deckengemälde zeigt das Erlösungsgeschehen mit Christus als Sieger. In die Handlung ist Kaiserin Helena eingebunden, deren Darstellung große Ähnlichkeit mit Sibylla Augusta aufweist. Die Legende besagt, dass die als Heilige verehrte Mutter Konstantins des Großen, der sich nach 312 zum Christentum bekannte, während einer Reise nach Jerusalem Reste des Kreuzes sowie den Ort der Grablegung Christi wiederentdeckte. Die Hofkirche, die auf Wunsch der Markgräfin „extra schön“ erscheinen sollte, verfügt über weitere Besonderheiten wie einen geschossartig erhöhten Hauptaltar, dessen Alabastersäulen beleuchtet werden konnten. Neben Wandmalereien tragen kostbare bestickte Vorsätze an Kanzel, Pilastern und Altären zum Gesamteindruck bei.

Die Grundsteinlegung der Schlosskirche war in die Feierlichkeiten zur Weihe der Heiligen Stiege eingebunden, die am 21. Januar 1720 begangen wurden. Als einer ihrer Höhepunkte erscheint die aufwendig inszenierte Prozession in Kreuzform mit einem Großaufgebot an Darstellern und symbolischen Hinweisen, festgehalten in einem Kupferstich. Die Hofkirche, auch als bauliches Wunder der Gegenreformation bezeichnet, erhält weiteres Gewicht durch den Umstand, dass sich die Markgräfin 1733 hier beisetzen ließ.

Weiterführende Infos
Details zu Schloss und Hofkirche in Rastatt bei Schlösser und Gärten.

Eine ausführliche Beschreibung über die Schlosskirche, die nach umfangreicher Restaurierung 2017 wiedereröffnet wurde unter
Wilhelm, Johannes, Die Schlosskirche zum Hl. Kreuz in Rastatt. Wiedereröffnung eines „Raumwunders“ der Gegenreformation, in: Denkmalpflege 1 (2018), S. 10-17.

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