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Barbarische Türken ? - Osmanen in der deutschen Provinz des 16. und 17. Jahrhunderts

Sultan Süleyman I. befehligte 1529 die Erste Türkenbelagerung Wiens, Quelle UB Tübingen
Sultan Süleyman I. befehligte 1529 die Erste Türkenbelagerung Wiens, Quelle UB Tübingen

Die kriegerischen Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jh. zwischen dem Osmanischen Reich und der westlichen Welt hatten weitreichende Folgen. Neben der militärischen Konfrontation, der politischen Bedeutung, Einflüssen auf Kunst und Kultur, neben Klischees und der Faszination für exotische Welten an europäischen Höfen, schlugen sie sich im Alltag der Menschen nieder. Ein Aspekt waren die immer wieder vom Reichstag bewilligten Sonderabgaben der Türkensteuern. Ein anderer Sachverhalt lag lange Zeit im Dunkeln. Die zurückkehrenden Militärführer brachten eine größere Anzahl von Gefangenen mit. Bekanntheit erlangten Männer, die als Kammerherren verpflichtet wurden und bei Hofe Karriere machten sowie einige zu Legenden stilisierte Kurtisanen. Die Mehrzahl jedoch ging nach einer meist zeremoniell gestalteten Taufe in den Gemeinden auf, heiratete und übte nicht selten angesehene Berufe aus. Selbst in Villingen, Teil der vorderösterreichischen und daher den Habsburgern verpflichteten Lande, erhielt 1646 ein ehemaliger osmanischer Soldat mit der Taufe den Namen Johann Antonius.

Eine Anzahl von schätzungsweise mehreren hundert Menschen osmanischer Herkunft soll nach 1683 im Gefolge der großen Heerführer in die deutschen Territorien gelangt sein. Neben dem Türkenlouis hatten die Kurfürsten Max Emanuel von Bayern und Johann Georg von Sachsen für das Reich gekämpft, aber auch fränkisch-schwäbische Truppen sowie württembergische Soldaten, die unter lothringischer Führung standen. Auf der anderen Seite bestand das osmanische Weltreich nicht nur aus türkischsprachigen Muslimen. So dienten im osmanischen Heer viele orthodoxe Christen. Obwohl die Propaganda mit Berichten über türkische Greueltaten nicht sparte, waren Grausamkeiten bei beiden Kriegsparteien an der Tagesordnung. Nach dem Überfall auf Sarajevo 1697 notierte der hochdekorierte Prinz Eugen von Savoyen in sein Tagebuch: Man hat die Stadt völlig niedergebrannt und auch die ganze Umgebung. Unsere Trupps, die den Feind verfolgten, haben Beute eingebracht, und auch Frauen und Kinder […]

Forschungen ergaben, dass unter den Verschleppten bis zu 50 Prozent Kinder waren. Unterlagen zum Schicksal eines Mädchens haben jüngst die Kollegen von Württembergische Kirchengeschichte Online in einem Alpirsbacher Kirchenbuch gefunden. Hier wurde 1691 ein Türken Mägdlen auf den Namen Christiana Maria Elisabetha getauft. Das Mädchen unterstand zunächst Prinz August Leopold von Pfalz-Veldenz, der 1688 an der Belagerung von Belgrad teilgenommen hatte aber schon 1689 währen der Kämpfe um Mainz zu Tode kam. Christiana fand Aufnahme in die Familie von Anna Maria und Wolfgang Diez, einem Alpirsbacher Klosterverwalter und späteren Rentkammerrat. Über ihr weiteres Leben ist nichts bekannt.

Jenseits überkommener Vorstellungen und der Pracht der Türkenbeute badischer Markgrafen ermöglicht die Große Landesausstellung Kaiser und Sultan: Nachbarn in Europas Mitte 1600-1700 einen Blick auf die friedlichen historischen und kulturellen Verflechtungen in Ostmittel- und Südosteuropa. Neben der Präsentation im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe gibt es eine umfangreiche Online-Darstellung.

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