Kurerzbistum Mainz

Krautheim und Umgebung, Landtafelkarte aus der Werkstatt Wilhelm Besserers, 1594 (GLAK H/e 9)
Krautheim und Umgebung, Landtafelkarte aus der Werkstatt Wilhelm Besserers, 1594 (Landesarchiv BW, GLAK H/e 9)

Der Mainzer Erzbischof war durch die sich seit der späten Karolingerzeit herausbildende Erzkanzlerwürde und die damit zusammenhängende führende Stellung unter den Königswählern der vornehmste unter allen Ständen des Reiches. In einem gewissen Missverhältnis zu dieser Rolle steht das Gewicht seines Territoriums. Diesem waren schon durch die Tätigkeit des heiligen Bonifatius die Wege gewiesen. Während das linksrheinische Hinterland von Mainz durch kirchlichen Fernbesitz dem jungen Erzbistum nahezu verschlossen blieb, öffnete sich seiner Besitzpolitik der große rechtsrheinische hessisch-fränkische Sprengel. Für die Territorialgeschichte Südwestdeutschlands bedeutete das, dass dem Erzbistum die Ausdehnungsrichtung mainaufwärts und bis vor die Tore Würzburgs vorgegeben war. Vom 13. Jahrhundert an versuchten die Erzbischöfe, von dieser Ausgangsstellung aus weiter nach Süden vorzudringen. In der Rheinebene und im Odenwald sperrten ihnen die Pfalzgrafen, die sich in weiten Teilen des einst Lorscher Gebietes durchsetzten, den Weg, während die Erzbischöfe über östlichen Odenwald und Bauland bis in die einstigen Reichsländer des Neckarbeckens vorstoßen konnten. Nur die Schwäche des Erzstifts im Spätmittelalter bewahrte die Pfalz hier vor einer Umklammerung. Dies war die Folge der schweren Krisen des Erzbistums durch drei zwiespältige Bischofswahlen im 14. Jahrhundert und die Mainzer Stiftsfehde von 1461/63. Damals scheiterte die groß angelegte Ausdehnungspolitik des Erzstifts nach Nordosten am Widerstand der Landgrafen von Hessen, zurück blieben nur Territorialsplitter zwischen dem Eichsfeld, Erfurt und dem Untermain. Da auch das unmittelbar bei der Hauptstadt liegende Territorium im Rheingau, das Unterstift, den Taunus nicht zu überschreiten vermochte, waren die Besitzungen zwischen Main und Neckar, das Oberstift, noch der größte verbliebene Territorialkomplex.

Als älteste Besitzungen in diesem Raum, noch mit der Mission zusammenhängend, begegnen Bürgstadt und Tauberbischofsheim. Im späten 10. Jahrhundert, als die Erzbischöfe das Stift Aschaffenburg und den Wildbann im Spessart vom König hinzu erhielten, war bereits ein beachtlicher Ansatz geschaffen. Nach der Ausschaltung der Grafen von Rieneck (1222/66), die sowohl die zentrale Hochstiftsvogtei als auch die Vogtei über Aschaffenburg innehatten, und dem Rückerwerb des an den König verliehenen Tauberbischofsheim konnte an den Ausbau dieser Herrschaften gedacht werden. Die Vogtei über das in der Würzburger Diözese gelegene Kloster Amorbach war vom Kaiser 1168 den Herren von Düren (= Walldürn) als staufischen Gefolgsleuten übertragen worden. Hauptsächlich auf ihr, aber auch anderem Kirchen- und Reichsgut hatten diese in enger Anlehnung an die staufische Herrschaft am Neckar ein größeres Machtgebiet geschaffen und waren zum Grafenrang aufgestiegen. Walldürn, dann die Wildenburg bei Amorbach wurden die eigentlichen Zentren. Die meisten Städte zwischen Amorbach und der Jagst wurden von den Dürnern gegründet. Ihnen setzte der Erzbischof etwa gleichzeitig Miltenberg, Külsheim und Tauberbischofsheim entgegen. Die seit 1258 unter die Linien Dilsberg, Forchtenberg und Wildenburg aufgeteilte Herrschaft konnte das Erzbistum zwischen 1271 und 1309 in ihrem Nordteil aufkaufen.

Der Main bei Wertheim auf einer Karte von 1593 (StAWt R K 5950)
Der Main bei Wertheim auf einer Karte von 1593 (Landesarchiv BW, StAWt R K 5950)

Das für Mainz andernorts nicht so erfolgreiche 14. Jahrhundert sollte vor allem unter Erzbischof Gerlach von Nassau (1354-1371) einen Vorstoß bis über die Jagst hinaus und weit neckaraufwärts bringen, u. a. durch den Aufkauf der Adelsherrschaft Krautheim, der Städte Osterburken und Neudenau von den Erben der Grafen von Dürn, der Herrschaft Scheuerberg von den Herren von Weinsberg und den Lehensheimfall alten Lorscher Besitzes in Bönnigheim. Aus der 1363 erworbenen Landvogtei Wimpfen war kein großer Nutzen mehr zu ziehen. Mit dem Kauf von Königshofen 1418 und dem Austausch von Scheuerberg gegen Deutschordensbesitz bei Prozelten 1484 folgte die Befestigung der Stellung im Bauland bei Aufgabe der südlichen Ausläufer. Zu Ende des 15. Jahrhunderts bildeten sich landständische Körperschaften; im Oberstift waren es nur die Vertreter der dortigen neun Städte, die bereits mit dem Bauernkrieg wieder ihre Rechte verloren. Die Verwaltung des Oberstifts unterstand dem Vitztum von Aschaffenburg. Das Kurerzbistum, auf dem Höhepunkt des Dreißigjährigen Krieges zur schwedischen Kriegsbeute gezogen, zum Teil an verdiente Verbündete vergeben, konnte nach 1649 durch Heimfall verschiedener Lehen und Auslösung von Pfändern abgerundet werden. Unter der Mainz wie Würzburg umfassenden Regierung von Johann Philipp von Schönborn (1642-1673) wurden 1656 die geistlichen Sprengel mit den alten weltlichen zur Deckung gebracht, nach ihm 1684 dann in einer weiteren Bereinigung die stärksten Überschneidungen zwischen Zenthoheit und Landeshoheit beseitigt. Ein ähnlicher Austausch erfolgte 1715 mit der Kurpfalz. Dass trotz seiner räumlichen Zerrissenheit das Erzstift durchaus ein Staatsbewusstsein bei seinen Einwohnern entwickeln konnte, zeigte sich noch in der erstaunlichen Widerstandskraft des in den Zenten aufgebotenen Landsturms gegenüber den Truppen der französischen Revolution.

(Quelle: Bearbeitete Fassung aus dem Abschnitt Landesgeschichte, in: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band I, Stuttgart, 2. Aufl. 1977)

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