Mallebrein, Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 31.07.1855;  Wolfach
Sterbedatum/-ort: 06.08.1925;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Chemiker, Vorstandsmitglied der Landesversicherungsanstalt Baden
Kurzbiografie: 1874 Abgangsprüfung an der Höheren Bürgerschule Freiburg
1874-1876 kaufmännische Lehre beim Bankhaus Metz Freiburg
1876-1877 Studium der Chemie in Heidelberg
1877 Jun. Promotion bei Bunsen, summa cum laude, Arbeit nicht erhalten
1877-1880 Weitere Ausbildung in der organischen Chemie, Polytechnikum und Universität Zürich
1880 Gymnasialabitur in Karlsruhe
1880-1883 Jurastudium in Heidelberg, Freiburg, Straßburg, Berlin und wieder Freiburg
1884 I. Juristische Staatsprüfung
1887 II. Juristische Staatsprüfung
1888-1889 Chemiker bei der BASF
1890-1892 Fortsetzung des Referendariats
1892-1896 Amtmann in Lahr, Emmendingen und Heidelberg
1896-1919 Regierungsrat, beamtetes Vorstandsmitglied der Landesversicherungsanstalt
1905 Ritterkreuz I. Klasse vom Orden des Zähringer Löwen
1910 Geheimer Regierungsrat
1917 Kriegsverdienstkreuz
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1893 (Freiburg) Ottilie Balbine, geb. Kapferer
Eltern: Vater: Josef-Carl (1812-1863), Polizeiamtmann und Oberamtsrichter
Mutter: Clara, geb. Durban (1828-1897)
Geschwister: 3 und 3 Stiefgeschwister
Kinder: 6, darunter Otto, Dr. med.,Gynäkologe und Verfasser der Familienchronik
GND-ID: GND/1012770249

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 197-198

Seit bald 100 Jahren ist das Medikament „Mallebrin“ im Handel, ein Gurgelmittel gegen Infektionen des Mund- und Rachenraums, das auf den Chemiker Mallebrein zurückgeht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand er einen Weg, die infektionshemmende Wirkung von Chlor und Sauerstoff wohldosiert und unkompliziert zur Anwendung zu bringen: durch ein Aluminiumchlorat, das bei Berührung mit Eiweiß – in diesem Fall der Schleimhäute – die leicht flüchtige Chlorsäure freisetzt, welche bei Körpertemperatur in Chlor und Sauerstoff zerfällt. Mallebrein wählte als Metall das dreiwertige Aluminium und erreichte die optimale Zahl von drei Chlor- und neun Sauerstoffatomen aus einem Molekül Aluminiumchlorat. 1906 hatte seine Idee Gestalt angenommen. Mallebrein suchte nun Ärzte für die Erprobung zu gewinnen, was durch seine Position als Vorstandsmitglied der Landesversicherungsanstalt Baden erleichtert wurde. Am systematischsten ging dabei C. Wasmer vor. Als Facharzt für Erkrankungen der Atmungsorgane war er Vertrauensarzt der Landesversicherungsanstalt und lebte und arbeitete wie Mallebrein in Karlsruhe. 1912 publizierte er seine Ergebnisse in der „Zeitschrift für Tuberkulose“ als Koautor zu Mallebrein, der seine Erfindung in wissenschaftlicher Form vorstellte. Er erhoffte sich damals abgesehen vom Einzug seines Mittels in die Hausapotheken zur Erkältungs- und Infektionsprophylaxe dessen Anwendung gegen Tuberkulose, die damals, lange vor der Entwicklung von Antibiotika, eine bedrohliche Seuche war.
Seit 1912 wird das Medikament von der Pharmafirma „Krewel“ (anfangs Köln, heute unter dem Namen „Krewel-Meuselbach GmbH“ in Eitorf bei Bonn) produziert und vermarktet. Neuerdings wird lediglich ein modifizierter Wirkstoff, nämlich Aluminiumchlorat, eingesetzt. Die Produktbezeichnung lautete anfangs „Prophylaktikum Mallebrein“ und „Mallebrein“. Bis Ende der 1970er Jahre bestand ein Lizenzvertrag mit Mallebreins Nachkommen.
Der berufliche Werdegang Mallebreins ist insofern ungewöhnlich, als er drei verschiedene Ausbildungen durchlaufen hat, ehe er sich im Alter von 37 Jahren als Beamter im badischen Staatsdienst fest anstellen ließ. Nach dem Abschluss der Höheren Bürgerschule in Freiburg, einer damals sechsklassigen öffentlichen Schule, die begabte Volksschüler im Alter von zehn Jahren aufnahm und zur Mittleren Reife führte, absolvierte er eine Banklehre. Sein Vater starb, als Mallebrein acht Jahre alt war. Die Mutter, eine tatkräftige und vermögende Wirtstochter aus Rheinbischofsheim, mit der er zeitlebens eng verbunden blieb, ermöglichte dem 21-jährigen ein Chemiestudium in Heidelberg, wofür damals das Gymnasialabitur nicht erforderlich war. Die Naturwissenschaften hatten den Kampf um die volle akademische Anerkennung noch vor sich. Mallebrein studierte drei Semester lang am Labor von Robert Bunsen und erhielt Gelegenheit, in dieser kurzen Frist zu promovieren. Mallebrein setzte das Chemiestudium in Zürich fort, worüber nur bekannt ist, dass er sich mit der organischen Chemie befasst habe. Vor allem scheint ihm damals klar geworden zu sein, dass er sich auf die Geisteswissenschaften umorientieren sollte. Dazu fehlte ihm jedoch das Reifezeugnis eines (humanistischen) Gymnasiums. 1880 legte er nach Selbststudium und vermutlich Privatunterricht das Abitur ab und begann in Heidelberg, inzwischen 25jährig, Jura zu studieren. Er wechselte dann von Semester zu Semester die Hochschule: Heidelberg, Freiburg, Straßburg, Berlin, kehrte schließlich aber in die Heimatstadt Freiburg zurück und legte das erste Staatsexamen ab. Als Rechtspraktikant durchlief er drei Jahre lang die üblichen Stationen: Bezirksamt, Amtsgericht und Anwaltspraxis und lernte dabei viele badische Amtsstädte kennen. 1887, nach dem zweiten Staatsexamen, folgte eine weitere Tour durch Baden, nun als Referendar.
Zu Beginn dieses Lebensabschnitts schwankte Mallebrein, ob er nicht doch zur Chemie zurückkehren sollte, wo er stets sehr gut beurteilt worden war, während seine Leistungen als Jurist und Verwaltungsmann immer nur als mittelmäßig oder schwächer taxiert wurden. Vom Dezember 1888 bis November 1889 ließ er sich aus dem staatlichen Vorbereitungsdienst beurlauben, um bei der BASF als Chemiker zu arbeiten. Danach setzte er das Referendariat jedoch fort, musste aber auf die endgültige Bestallung als Beamter im Höheren Dienst überdurchschnittlich lange warten. 1892 wurde er zum Amtmann ernannt. Kurzfristig war er in Lahr und Emmendingen, dann für einige Jahre in Heidelberg eingesetzt. 1896 erhielt er die Position bei der Landesversicherungsanstalt Karlsruhe als beamtetes Vorstandsmitglied, die er bis zu seiner Pensionierung mit 64 Jahren beibehielt. Seine vorgesetzte Behörde war das Innenministerium. Die Besoldung wurde zu einem Drittel aus der Staatskasse, zu zwei Dritteln aus der Anstaltskasse getragen. Erst mit 38 Jahren heiratete er die vermögende Tochter eines Freiburger Kaufmanns und Stadtrats.
Die Nachrufe zeichnen ein positives Bild seiner Tätigkeit bei der Landesversicherungsanstalt und heben sein soziales Engagement bei der Umsetzung der Reichsversicherungsordnung hervor. Dennoch hatte er manche Anfeindung über sich ergehen lassen müssen, vor allem im Zusammenhang mit seiner Erfindung, dem „Mallebrin“. Eine dieser Auseinandersetzungen betraf den ärztlichen Leiter einer Landesversicherungsanstalts-eigenen Lungenheilanstalt, dem Mallebrein vorwarf, Heilungserfolge mit „Mallebrin“ in einem Bericht verschwiegen zu haben. Wenn sich Mallebrein hier auch kämpferisch zur Wehr setzte, belasteten ihn dergleichen Vorgänge stark. Verschiedentlich gab er um Urlaub wegen Nervosität und Schlafstörungen ein. Ein Gehörschaden veranlasste den 64-jährigen, in den Ruhestand zu treten. Eine seiner Stärken war sein gewinnendes Wesen und freundliches Auftreten. Er habe „augenscheinlich eine sorgfältige Erziehung genossen“, vermerken die Akten.
Quellen: GLA Karlsruhe 236/18347, 236/18848 (Personalakten), 466/12117.
Werke: Diss. in Heidelberg nicht auffindbar, nur durch Urkunde in PA belegt; (zus. mit C. Wasmer), Über das Problem einer für den Organismus unschädlichen Anwendung von Chlor als bakterizides u. allgemein giftzerstörendes Agens, sowie dessen Bedeutung für die Prophylaxis u. die Therapie d. Tuberkulose u. anderer Infektionskrankheiten. Separatabdr. aus d. Zs. für Tuberkulose. Bd. 18, H. 3, 1912; dort auch Hinweis auf eine weitere Publikation Mallebreins im Dezemberheft 1910: Über die Wirkung bei Infektionen u. Erkältungen.
Nachweis: Bildnachweise: Postumes Portrait von Mallebrein in Familienbesitz, Maler Köth; Fotografien in d. Familienchronik (vgl. Quellen).

Literatur: Familienchronik Mallebrein 1436-1936, Verf. Dr. Otto Mallebrein, Manuskript o. J. [1935-1938] in Familienbesitz.
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