Schlippe, Joseph Karl Paul Rosa 

Geburtsdatum/-ort: 23.06.1885; Darmstadt
Sterbedatum/-ort: 28.12.1970;  Freiburg im Br., beerdigt auf dem Hauptfriedhof
Beruf/Funktion:
  • Architekt und Denkmalpfleger
Kurzbiografie: 1903-1910 Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt, Abschluss Dipl.-Ing., 1914 Regierungsbaumeister-Examen mit „Auszeichnung“
1915-1919 Regierungsbaumeister bei Plaue an der Havel und Charlottenburg im Neubauamt der militärischen Institute
1919-1921 Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Darmstadt
1920 Promotion bei Friedrich Pützer zum Dr.-Ing. an der Technischen Hochschule Darmstadt: „Louis Remy de la Fosse und seine Bauten“
1921-1925 Regierungsbaumeister bei der Reichsvermögensverwaltung in Koblenz und Königstein; Bauten in Koblenz, Bad Kreuznach und Königstein im Taunus
1925 Leiter des städtischen Hochbauamtes Freiburg im Br. Erste Aktivitäten (Vorträge und Berichte) bei „Schauinslandverein“ und „Badische Heimat“
1933 Gründungsmitglied des Freiburger Rotary-Clubs
1934 Ehrenamtlicher Bezirkspfleger der Kunst- und Altertumsdenkmäler in Freiburg
1935 Städtischer Oberbaudirektor, Ablehnung eines Rufs an die Technische Hochschule Danzig
1940 „Staatlicher Bevollmächtigter für die Pflege der neueren Denkmäler der Kunst im Elsass“, der „Abordnung“ als Straßburger Baudirektor kann er sich entziehen
1945 Leiter des Freiburger Wiederaufbaubüros
1948-1951 Konservator der weltlichen Baudenkmale in Baden
1951 Zurruhesetzung als städtischer Oberbaudirektor
1951-1956 Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Heimatschutz, ernannt von Leo Wohleb
1956-1970 Ende der offiziellen denkmalpflegerischen Arbeit im Regierungsbezirk Südbaden 1956, weiterhin Tätigkeit als Gutachter, Preisrichter, Referent, Autor und Inventarisation der Kunstdenkmäler der Stadt Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrenprofessur (1951) Bundesverdienstkreuz (1952)
Verheiratet: 1920 Maria Emilie, geb. Schimon (1896-1986)
Eltern: Vater: Paul Angelus (1839-1902), hessischer Generalstaatsanwalt
Mutter: Rosa, geb. Bernard (1850-1928)
Geschwister: 6:
Curd (1874-1881)
Paul (1878-1970), Dr. med., Obermedizinalrat
Hugo (geb. 1879), Apotheker
Auguste (1881-1952), Erzieherin
Konrad (1883-1943), Dr. med., Augenarzt
Barbara (1884-1971)
Kinder: 2:
Bernhard (1922-1998)
Margarete (Margot, geb. 1927), verheiratete Loewe
GND-ID: GND/118813579

Biografie: Adolf Schmid (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 328-333

Die Familie Schlippe zählte zur großbürgerlichen Gesellschaft in Darmstadt, der Residenz der hessischen Großherzöge. Das Interesse für Bildung und Kultur wurde beim kleinsten von sieben Kindern in diesem Milieu wohl früh geweckt. Nach dem Abitur begann Schlippe an der Technischen Hochschule seiner Heimatstadt Baukunst und Kunstgeschichte zu studieren und wurde Diplomingenieur.
Eine erste feste Anstellung fand Schlippe im hessischen Staatsdienst und beim Städtischen Hochbauamt in Frankfurt am Main, wo er zum Regierungsbaumeister ausgebildet wurde. Hier war er erstmals nicht nur als Architekt, sondern auch als Denkmalpfleger tätig, als er mit der Planung und Ausführung von Rettungsmaßnahmen auf dem Frankfurter Peterskirchhof betraut wurde. Während des I. Weltkriegs war er beim „Militärbauamt“, u. a. verantwortlich für den Bau einer Pulverfabrik; außerdem entwarf er Fabrikbauten für die Rüstungsindustrie und in der gleichen Zeit, Ende 1916, promovierte er mit Auszeichnung über den Barockarchitekten Louis Remy de la Fosse, der den Wiederaufbau des durch Feuer zerstörten Darmstädter Schlosses geplant hatte. Ab 1919 lehrte Schlippe als Assistent und Dozent an der Technischen Hochschule Darmstadt. Zwischen 1921 und 1925 arbeitete er dann für die Reichsvermögensverwaltung Koblenz und Königstein, wobei er u. a. für die Errichtung von Besatzungswohnbauten in der Rheinprovinz und die Planung einer Artillerie-Kaserne in Bad Kreuznach zuständig war.
1925 wurde Karl Gruber, der Leiter des Freiburger Hochbauamts, als Professor an die Technische Hochschule Danzig berufen. Unter den 80 Bewerbern um die Nachfolge suchte er sich Schlippe aus. Von ihm erwartete er eine ähnlich kritische Einstellung gegenüber der „Verschäferung“ der Stadt, d. h. gegen die überladenden Elemente des Historismus, wodurch in der Verantwortung des Stadtbaumeisters Carl Schäfer während der „wilhelminischen“ Zeit unter Oberbürgermeister Otto Winterer die mittelalterliche Altstadt mit viel „Romantik“ immer noch „historischer“ gestaltet werden sollte; originale Bausubstanz sollte wieder unverfälscht erhalten werden. Schlippe erwies sich rasch als artverwandt und ebenbürtig, vor allem suchte und fand er schnell Kontakt und Rückhalt bei gleichgesinnten Freiburgern, z. B. im „Schauinslandverein“ und im Landesverein „Badische Heimat“, beim Architekten Carl Anton Meckel, dem anerkannten Spezialisten für die Baukunst des Mittelalters, beim Stadtarchivar Friedrich Hefele, bei Werner Noack und dem Augustinermuseum, bei Fritz Geiges, dem „Glasprofessor“, bei Hermann Eris Busse, dem Schriftsteller und Geschäftsführer der Badischen Heimat, bei Joseph Sauer, dem Kunstexperten und Denkmalpfleger. Überall mischte sich Schlippe ein – als Referent, Autor, als Stadtführer. Vor allem aber arbeitete er als Stadtplaner, baute neue Wohnanlagen – rund 2 000 Wohnungen z. B. in der „Laubenkolonie“ in Haslach, das „Musikerviertel“ in Herdern. Freiburg wuchs rasch, war 1933 schließlich Großstadt, die Wohnungsnot drängte. Auch repräsentative Gebäude entstanden: das Verkehrsamt am Rotteckring, wo Schlippe erstmals seine Idee von Arkaden im Vorraum andeuten konnte, das städtische Forstamt am Sternwaldeck. Seine besondere Fürsorge galt alter erhaltenswerter Bausubstanz: der Adelhauserkirche, der Michaelskapelle auf dem Alten Friedhof, dem Wentzingerhaus, genauso wie dem Augustinermuseum und der Kartause.
Schlippe wurde immer sicherer, kritisierte offen die Stadtbaupolitik der Winterer-Zeit als „Akt der Stadtzerstörung“. Er mochte den „gründerzeitlichen Aufputz“ nicht, wünschte eine „stilistische Bereinigung“ des Freiburger Stadtbilds und sah die Gefahr, dass weiterhin „verkrampft modische oder ungestaltete, herkunftslose Neubauten zwischen die feinen, wundervoll abgewogenen und gegliederten alten Baukörper“ gestellt werden, die das „Gleichgewicht und Maß“ Freiburgs zerstören, „das schönste Beispiel hochromanischer Stadtbaukunst“. Und in Freiburg – mit seiner weiter wachsenden Bevölkerung – wurde in den 1930er Jahren viel gebaut, „gegen die Wohnungsnot“ und „für die Wirtschaftsankurbelung“.
Seit den 1920er Jahren leitete Schlippe auch den Sachverständigenausschuss für Heimat- und Denkmalpflege des Vereins „Badische Heimat“, 1934 übernahm er zusätzlich das Amt des ehrenamtlichen Bezirkspflegers der Kunst- und Altertumsdenkmäler im Amtsbezirk Freiburg. Darüber hinaus engagierte er sich für den Natur- und Landschaftsschutz, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung von Wasserkraftwerken am Hochrhein und im Schwarzwald, deren Notwendigkeit er nicht generell bestritt, er suchte aber ihre Positionierung ebenso wie ihr Erscheinungsbild bis hin zur konkreten Planung einzelner Gebäude mit seinen Vorstellungen von Landschaftsschutz in Einklang zu bringen.
Schlippes Reputation wuchs in ganz Deutschland, er vermochte es sogar, sich der NSDAP zu entziehen. Nicht weniger als neun Berufungen ehrten ihn, u. a. Angebote für Professuren an den Technischen Hochschulen in Darmstadt, Berlin, München, Hannover, Karlsruhe und Danzig. Letztere nahm er 1935 an, sagte jedoch auf Drängen des Freiburger NS-Oberbürgermeisters Kerber wieder ab und wurde Anfang Dezember 1935 zum Städtischen Oberbaudirektor befördert. Die Stadt Freiburg überließ ihm später auch das städtische „Hebsackgut“ als Wohnsitz. „Natürlich“ passte sich Schlippes Stadtplanung durchaus in die NS-Baugesinnung ein: Die Kaiserstraße z. B. – der Zeit entsprechend „Adolf-Hitler-Straße“ – sollte von allen „Verschandelungen“ befreit, es sollten alle „Bausünden ausgemerzt“ werden. 1938 zeichnete Schlippe Pläne für eine große „Aufmarschachse am Nordrande der Altstadt“: die Bezeichnung „linientreu“ scheint gerechtfertigt. Seit 1937 war Schlippes Amt untergebracht im „Colombi-Schlösschen“, wo sich die „Colombi-Grafen“ des Stadtbauamts recht wohl fühlten.
Nach Kriegsbeginn wurde Schlippes persönliche Lage bald dramatisch, er sollte Baudirektor in der elsässischen Hauptstadt werden, entzog sich aber mit Erfolg; in den Jahren 1940 bis 1944 musste er lediglich jede Woche für zwei Tage ins Elsass, wo er vom „Chef der Zivilverwaltung“ Robert Wagner persönlich als Denkmalpfleger eingesetzt worden war. Sachverständig agierte er dort, war dennoch auch der Vertreter der überaus aggressiv auftretenden deutschen Besatzungsmacht, der sich durchaus beteiligte an der „Entfranzösisierung und Entschandelung“ der elsässischen Stadtbilder. In seinem Entwurf für das von Hitler persönlich initiierte Architekturprojekt „Das Neue Straßburg“, dessen Planungen in Speer'scher Manier bis nach Kehl hinein reichen sollten, versuchte er, den gigantomanischen Richtlinien zu genügen und gleichzeitig seiner traditionellen wie heimatverbundenen Architekturauffassung treu zu bleiben. Als Denkmalpfleger gelang es Schlippe, sich im Elsass mit hoher Fachkompetenz und weitgehend sachbezogenen Entscheidungen auch unter Hinweis auf die Leistungen seiner französischen Vorgänger bei allen Instanzen Respekt zu verschaffen und dabei wesentliche Kulturgüter vor Kriegszerstörung zu bewahren. Hierfür zollten ihm schon 1945 Vertreter der französischen Besatzungsbehörden höchste Anerkennung. Er blieb auch von Entnazifizierungsmaßnahmen verschont, stellte unterdessen für seine Mitarbeiter ebenso wie für befreundete Architekten und Andere Dutzende von entlastenden Gutachten aus.
Vorausgegangen war die schlimmste Zeit für Freiburg. Am 27. November 1944 hatte sich die dramatische Wende ereignet; die Stadt war Ziel der systematischen Flächenbombardierung der Royal Air Force geworden. In weniger als 20 Minuten war die Altstadt zu 80 % zerstört, 4 320 Häuser wurden zerbombt. Zunächst ging es für Schlippe danach um Trümmerarbeit: eine Million Kubikmeter Trümmerschutt mussten beseitigt werden, dann um Notunterkünfte, für die Schlippe als „Beauftragter des Leiters der baulichen Sofortmaßnahmen“ verantwortlich war. Am 1. Dezember 1944 veranlasste er Oberbürgermeister Kerber, die Ziegelvorräte der Stadt, die schon reserviert waren für die Handelsschule, für das zerstörte Münsterdach zur Verfügung zu stellen. Am 21. April 1945 schließlich wurde Freiburg durch französische Truppen besetzt, in der Stadt lebten bei Kriegsende noch 57 974 Menschen. Und Schlippe sollte diese Stadt Freiburg wieder bewohnbar machen, auch die französische Besatzungsmacht wollte dies so. Wie Schlippe sich den Wiederaufbau vorstellte, hat der Basler Städtebauer Hans Bernoulli in die griffige Formulierung gepackt: „Ein Unglück, ja – aber auch eine Gelegenheit!“
Schlippe, inzwischen 60-jährig, nahm diese „Gelegenheit“ in höchster Verantwortung wahr; schon im Dezember 1945 stellte er seinen Plan zum „Neubau der Stadt Freiburg“ vor: Nach dem tradierten Grundplan sollte das alte Straßengefüge weitgehend beibehalten werden, nicht aber die „romantisch verlogene Kulissen-Architektur“. So werde sich auch die altvertraute Atmosphäre der gemütlichen Bürgerstadt wieder gewinnen lassen, hoffte er; freilich sei dies „eine Aufgabe von wahrhaft legendärem Ausmaß“, die Lösung sei eben auch nicht in einer „Kopie des schlechthin Unnachahmlichen“ zu sehen. Nur die Grundlinien seien „in den Neubau hinüberzuretten als ein stolzes Denkmal hochromanischer Stadtbaukunst“. Freiburg werde keine „charakterlose Wiederaufbaustadt“, keine „Dutzendstadt“ werden, wenn sowohl „übelste Profitgier“ wie auch „kleinlicher Bobbelesgeist“ ausgeschaltet seien. Vor allem aber wollte Schlippe dafür sorgen, dass man durch Maßstabslosigkeiten sich nicht am Genius Loci versündige: „Der gesunde Selbstbehauptungstrieb dieser Stadt wird dafür sorgen, dass das Leben der zerschlagenen Stadtmitte wieder erwacht, und ein neues Freiburg entsteht, das des alten nicht unwert sein wird“. Leidenschaftlich kämpfte er für seine Ideen, sein Arbeitszimmer war inzwischen im Verwaltungsgebäude am Schlossberg.
„Umlegungen“, von den Betroffenen vielfach als Enteignung erlebt, brachten viel juristischen und ideologischen Ärger. Das Badische Aufbaugesetz vom 25. November 1949 schuf mehr Klarheit. Die neuen Arkaden – für Schlippe eine „städtebauliche Notwendigkeit“ („Arkaden sind kein romantisches Requisit, sie wahren und mehren das Recht des Fußgängers ...“) – waren höchst umstrittene Elemente des „neuen“ Freiburg, Geschäftsleute leisteten lange energischen Widerstand. Der förmliche Beschluss, dass das amtliche Planfeststellungsverfahren für Freiburgs Wiederaufbau abgeschlossen war, erfolgte am 15. September 1955 – Schlippe war zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre pensioniert, von Oberbürgermeister Hoffmann sehr ungnädig und würdelos („ohne mein Verschulden wurde ich zum bestgehassten Mann in Freiburg gestempelt“) – nach etlichen Missverständnissen und Anschuldigungen in den Ruhestand verabschiedet; „Trostpflaster“ war die Ehrenprofessur der Universität, die auch der Oberbürgermeister angeregt hatte. Staatspräsident Wohleb persönlich kam diesem Wunsch noch im gleichen Jahre nach.
Schlippes von ihm nachdrücklich favorisierter Nachfolger Hans Geiges (1951-1967) konnte uneingeschränkt auf ihn zählen: Die „konservative Freiburger Baukommission“ musste sich ja lokal und auch national verteidigen und absetzen gegen die „Schrittmacher der Moderne“, die vor allem im Wiederaufbaubüro der Universität und in der Karlsruher Hochschule tätig waren. Schlippes Polemik gegen die „Neutöner“ blieb heftig, er wusste indessen, dass er „nicht alle Kämpfe gewinnen“ könne.
Wie aber sollte das Gefühl, in Freiburg wieder „daheim“ zu sein, alte emotionale Bindungen zu erleben, wieder entstehen? Auch hier konnte sich Schlippe auf viele Architekten, viele Freunde verlassen – im „Schauinsland“, 1947 wiedergegründet, in der „Badischen Heimat“, von ihm und seinen Freunden 1949 ebenfalls wiedergegründet. Schlippe war gerne bereit, die frühere ehrenamtliche Tätigkeit als Gutachter für die Denkmalpflege für seinen Landesverein zu übernehmen.
Der Pensionär hatte 1951 ein zweites Berufsleben begonnen: Staatspräsident Leo Wohleb übertrug ihm die Leitung des „Badischen Amtes für Denkmalpflege und Heimatschutz“. Viele badische Städte profitierten von seinem konservatorischen Impetus, seiner bewahrenden und restaurativen Leidenschaft: Endingen, Meersburg, Staufen. Schlippe erwies sich dabei als ein Meister der Öffentlichkeitsarbeit, denn er zog nicht nur regelmäßig als Vortragsredner durch das Land, sondern richtete auch das bis heute viel gelesene „NaRiBla“, das Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg, ein. Bis zu seinem Tod veröffentlichte Schlippe in beinahe jeder Ausgabe architekturgeschichtliche Beiträge über schützenswerte Burgen, Kirchen, Profangebäuden oder Ortschaften.
Bis zum Tode von Karl Gruber (1966) blieb Schlippe im Gespräch mit seinem Vorgänger, und einbezogen war immer auch der Nachfolger Hans Geiges: Die drei kollegialen Freunde sicherten so die bemerkenswerte Kontinuität, „ohne Altertümelei durchaus traditionsbewusst“ zu sein. 1955 erhielt Hans Geiges Glückwünsche zum Geburtstag – „mit herzlichem Dank für die Wahrung einer Linie in der ‚dritten Generation’!“ Und Karl Gruber stellte fest: „Das Bild der wieder aufgebauten Altstadt ist freiburgerischer als es vor der Zerstörung war“.
Schlippe beobachtete Freiburgs Entwicklung von seinem Tusculum, dem „Hebsackgut“, aus; er genoss den herrlichen Blick auf die geliebte alte Stadt, pflegte zusammen mit seiner Frau einen regen Umgang mit Freunden, Künstlern, Wissenschaftlern, bis zu seinem Tod. Der 71-jährige war noch an den Auftrag gegangen, die Kunstdenkmäler-Inventarisation der Stadt Freiburg durchzuführen, konnte dieses Mammutwerk allerdings nicht mehr vollenden. Am letzten Tag des Jahres 1970 wurde er in aller Stille – so sein Wunsch – beerdigt.
Schlippes Verdienste waren zur Zeit seines Todes noch immer umstritten bzw. unbeachtet, zum Teil bewusst totgeschwiegen. 1979 gab z. B. das Städtische Hauptamt eine Schrift heraus: „Das Ordnen eines Trümmerhaufens, 30 Jahre Umlegungsbehörde und Wiederaufbau in Freiburg im Br.“, in dem das Geschehen kenntnis- und facettenreich dargestellt wird. Den Namen Schlippe, Schöpfer der wichtigsten Grundlagen, sucht man im Text aber vergeblich! Längst ist „die neue alte Stadt wieder als ‚das alte Freiburg’ angenommen“ (Wolfgang Stopfel), Freiburgs Eigentümlichkeit besteht fort. Viel Lob und viel Ehre, die Freiburg in jüngster Zeit zuteil wurden, basieren auf Schlippes Wiederaufbauplan: Die Zähringerstadt zu erhalten und dennoch die moderne Entwicklung nicht auszuschließen. Ehrfurcht war das Schlüsselwort seines Denkens und Wirkens.
Quellen: StadtA Freiburg K 1/44, Nachlass S; Akten des Städt. Hochbauamts D. Ho; Meldekartei – StAF C25/1 78 D 2; C 25/1 240 E; C 25/1-388.
Werke: Auswahl: Louis Remy de la Fosse u. seine Bauten, Diss. TH Darmstadt, 1917; Aus d. Geschichte des Peterkirchhofes zu Frankfurt am Main, in: Kleine Presse, illustr. Beilage zum „Mittagsblatt“ 122, 1921; La Fosse, in: Thieme-Becker 22, 1928, 211-213; Über Denkmalpflege des alten u. Gestaltung des neuen Freiburg, in: Freiburg u. d. Breisgau, BH 16, 1929, 95-111; Die Großkraftwerke am Hochrhein u. d. Heimatschutz, in: BH 19, 1932, 100-109; Der Stockacher Kirchturm, in: BH 21, 1934, 175-186; Neue Baukunst in Freiburg, in: Alemannenland, Jb. d. Stadt Freiburg im Br. Bd. 1, Hg. von Franz Kerber, 1937; Das baukünstlerische Gesicht Darmstadts, in: Jubiläums-Nummer „200 Jahre Darmstädter Tagblatt“ Nr. 290 vom 23.10.1938; Burgen im Breisgau, in: Der Breisgau, BH 28, 1941, 126-172; Die Erhaltung des alten u. Gestaltung des neuen Freiburg, ebd. 369-391; Die schöne Stadt/Eine Lehrschau im Freiburger Kunstverein. Sonderdruck aus: Die nationalsozialistische Gemeinde. Gauausgabe Oberrhein, 1941; Denkmalpflege im Elsass, in: Oberrheinische Kunst, Jb. d. Oberrheinischen Museen 10, 1942, 183-191; Bericht von Oberbaudirektor Dr. J. Schlippe vom 5.12.1944 betr. Feststellung von Fliegerschäden an Baudenkmälern, in: Freiburg im Luftkrieg 1939-1945, hg. von Gerd R. Ueberschär, 1990, 408-411; Liste vom 31.1.1945: Luftkriegsschäden an Kultur- u. Kunstgütern, ebd. 412-421; Protokoll des Schlippe-Vortrags vor dem Freiburger Stadtrat vom 11.12.1945 über den „Neuaufbau“, in: Freiburg im Br. 1945. Eine Dokumentation, hg. von Max Bruecher, 1980; Der Wiederaufbau von Freiburg im Br. 1946/47, SWF-Vorträge am 27.11. u. 20.12.1946, 4.1. u. 17.1.1947; Die Neue Stadt/Der Wiederaufbauplan für Freiburg. – Wie Freiburg wiedererstehen soll, in: Freiburger Almanach 1950, 13-65; Freiburger Bürgerhäuser d. Louis XVI-Zeit, in: Schauinsland 72, 1954, 138-146; Freiburg einst u. heute, in: BH 39, 1959, 214-271; Wie Freiburg wiedererstanden ist, in: Freiburger Almanach 1959, 73-103; Freiburgs Baudenkmäler u. ihre Wiederherstellung. Teil I: Kirchl. Baudenkmäler, in: Einwohnerbuch d. Stadt Freiburg im Br., 1959 u. Teil II: Die profanen Baudenkmäler, ebd., 1960; Das Freiburger Münster im II. Weltkrieg, in: 75 Jahre Münsterpflege, hg. von Paul Booz, 1965, 75-88; Das Haus d. Bad. Heimat u. sein Architekt C. A. Meckel, in: BH 31, 1951, 194-199; Burgen d. Zähringer, in: BH 39, 1959, 272-312; Wie Freiburg wiedererstanden ist, in: Freiburger Almanach 10, 1959, 73-101; Freiburger Baudenkmäler u. ihre Wiederherstellung, in: Einwohnerbuch d. Stadt Freiburg, 1959, 19-29 u. 1960, 14-30; Burg Zähringen, in: BH 44, 1964, 113-125; Alt-Freiburger Gartenhäuser, in: Schauinsland 83, 1965, 115-129; Das Freiburger Münster im II. Weltkrieg, in: Paul Booz (Hg.), 75 Jahre Münsterpflege, 1965, 75-98; Rudolf Riggenbach u. die Denkmalpflege im Markgräflerland u. im Breisgau, in: Rudolf Riggenbach, 1965, 43-49; Aus dem Skizzenbuch eines Architekten um die Jahrhundertwende, in: BH 46, 1966, 211-246; R. Will, Alsace romane, Übersetzung ins Deutsche, 1966; Der Basler Hof in Freiburg, in: Schauinsland 84/85, 1966/67, 160-192; Eines Landpredigers Kommentar zum Darmstädter Schlossbrand von 1715, in: Archiv für hessische Geschichte u. Altertumskunde, NF 30, 1967/68, 141-146; Die drei großen Bettelordenskirchen in Freiburg, in: W. Müller (Hg.), Freiburg im Mittelalter, 1970, 109-140; Herkules am Scheideweg, in: Alemannisches Jb. 1970, 123-131; Denkschrift u. Resolution zur Erhaltung des Gebäudes d. Rotteck-Oberrealschule vom 9.7.1969, in: Freiburger Stadtbild 1971, 37 f.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Freiburg K1/44, M 7092/1133 u. 1134.

Literatur: Eberhard Meckel, Dr. Schlippe 70 Jahre alt, in: BZ vom 23.6.1955; K. Asal, Der Leiter des Landeskulturamtes tritt in den Ruhestand, in: Nachrichtenblatt d. Denkmalpflege Südbaden 6, 1955, 41 f.; Hans Geiges, In Memoriam Joseph Schlippe, in: Schauinsland 89, 1971, 153-156; Werner Bornheim gen. Schilling, J. Schlippe, in: Deutsche Kunst- u. Denkmalpflege 29, 1971, 171 ff.; Hans Geiges, Prof. Dr. J. Schlippe zum Gedenken, in: Ekkhart 41, 1972, 206-207; ders., In memoriam J. Schlippe, in: Schauinsland 89, 1971, 153-156; Alfred Weis/Wolfgang Klug, Das Ordnen eines Trümmerhaufens. 30 Jahre Umlegungsbehörde u. Wiederaufbau in Freiburg im Br., in: Freiburger Stadthefte 26, 1979 u. in: Denkmalpflege in B-W 9, 1980, 78; Bernhard Vedral, Altstadtsanierung u. Wiederaufbauplanung in Freiburg im Br. 1925-1951. Zum 100. Geburtstag von Oberbaudirektor Prof. Dr.-Ing. J. Schlippe, 1985; Adolf Schmid, J. Schlippe – Der Vater d. Arkaden, in: BZ vom 28. 12. 2000; W. Stopfel, Geschichte d. bad. Denkmalpflege u. ihrer Dienststellen Karlsruhe, Straßburg u. Freiburg, 2 Teile, in: Denkmalpflege in B-W, 32, 3, 2003, 202-210 u. 32, 4, 2003, 297-303; U. Scherb, D. Freiburger Architekt J. Schlippe u. die Gestaltung des „Neuen Straßburg“, in: Schauinsland 125, 2006.
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