Scholtz-Klink, Gertrud 

Geburtsdatum/-ort: 09.02.1902;  Adelsheim
Sterbedatum/-ort: 24.03.1999;  Brackenheim
Beruf/Funktion:
  • Reichsfrauenführerin
Kurzbiografie: 1908-1912 Volksschule in Eberbach
1912-1918 Realgymnasium Mosbach bis zur Mittleren Reife
1918-1920 Haustochter in einer Offiziersfamilie in Kiel, Haushaltungskurs in (Heidelberg-) Handschuhsheim, Mithilfe im Haushalt der Mutter
1921-1930 als Ehefrau des Lehrers Eugen Klink, Wohnorte: Reihen bei Sinsheim, Dietenhausen bei Pforzheim, Altenheim bei Offenburg
1930 Eintritt in die NSDAP, Mitglied Nr. 210 782, später geändert in: Eintritt 1929, Nr. 157 007, von Sep. 1933 bis Okt. 1934 vorübergehend ausgetreten
1930 erstes Auftreten als Rednerin, z. B. in Lahr Beerdigung Paul Billet, „Gau-Frauenschaftsleiterin“ in Baden, ab 1931 auch in Hessen
1932 Aufbau der Arbeitsgemeinschaft für den weiblichen Arbeitsdienst in Baden, dann Württemberg und Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Südwest
1933 Referentin für Frauenverbände im badischen Innenministerium, Konstantin Hierl in Stuttgart kennengelernt, er veranlasst ihre Berufung ins Reichsarbeitsministerium in Berlin (ab Jan. 1934) als Referentin für den weiblichen Arbeitsdienst
1934 Feb. reichsweit Führerin der NS-Frauenschaft und Leiterin des Deutschen Frauenwerks; 1937 Zusammenschluss aller Frauenverbände außerhalb der NSF als e. V., Titel „Reichsfrauenführerin“; Leiterin des Frauenamts der DAF, Führerin der Frauen im Deutschen Roten Kreuz, Sachverständige für Frauenschutz in der NS-Betriebszellen-Organisation, Mitglied im NS-Lehrerbund
1937 Goldenes Parteiabzeichen, verliehen auf dem Reichsparteitag in Nürnberg
1945 Apr./Mai Flucht aus Berlin nach Leitzkau an der Elbe
1945 Sep.-1948 Feb. unter falschem Namen in Bebenhausen bei Tübingen
1949-1950 Spruchkammerverfahren: Belastete, dann als Hauptschuldige eingestuft
1978 Publikation „Die Frau im Dritten Reich“
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., ab 1940 „gottgläubig“
Verheiratet: 1. 1921 (Mosbach) Eugen Klink (1894-1930)
2. 1932 (Ellmendingen bei Pforzheim) Dr. Günther Scholtz (geb. 1899), 1937 geschieden
3. 1940 (Berlin) August Heißmeyer (1897-1979), Inspekteur der SS und Polizeiführer für Berlin und Brandenburg
Eltern: Vater: Wilhelm Treusch (1866-1910), Bezirksgeometer in Eberbach
Mutter: Berta, geb. Michaely (1876-1942), Tochter eines Land- und Gastwirts in Adelsheim
Geschwister: 2 Brüder
Kinder: 7:
aus 1. Ehe 5, davon eines tödlich verunglückt
aus 2. Ehe eines, früh verstorben
aus 3. Ehe ein Sohn
dazu 6 Stiefkinder aus Heißmeyers 1. Ehe
GND-ID: GND/119288192

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 340-343

Scholtz-Klink war die ranghöchste Frau des NS-Apparats. Ausgestattet mit dem klangvollen Titel „Reichsfrauenführerin“ stand sie an der Spitze der NS-Frauenschaft und aller übrigen Frauenorganisationen, die sie unter dem Dach des Deutschen Frauenwerks zusammengefasst hatte. In Berlin leitete sie ein Amt mit rund dreihundert Mitarbeiterinnen. Nur zwei Männer waren im „Frauenministerium“ der Partei beschäftigt: ein Schatzmeister und ein Kraftfahrer. In Personalunion leitete Scholtz-Klink das Frauenamt der DAF, das ihr Mitwirkung in allen Fragen der werktätigen Frauen zur Aufgabe machte: Arbeitsschutz, Unfallschutz und in erster Linie Mutterschutz, denn die Erhaltung und Stärkung „der mütterlichen Kräfte“ war eines ihrer fundamentalen Anliegen. In der sogenannten Kampfzeit der Partei und in ihren frühen Amtsjahren propagierte sie eine Konzentration der Frauen auf ihre „naturgegebenen, arteigenen oder geschlechtstypischen“ Bereiche: Muttersein und Hauswirtschaft. Gleichwertig, wenn auch nicht gleichberechtigt nach dem Buchstaben des Gesetzes sollten sie „an der Seite der Männer stehen“, als zweite starke Säule der Volksgemeinschaft. Als die Frauen im Krieg in den Rüstungsbetrieben und zuletzt sogar bei der Wehrmacht gebraucht wurden, fiel es Scholtz-Klink nicht schwer zu begründen, dass Notzeiten Opfer verlangen über den alltäglichen Dienst hinaus. Als Realistin und Pragmatikerin blieb ihr nicht verborgen, dass sich die Frauen durch Leistung Anerkennung und Einfluss erwerben könnten, eine positive Perspektive für die Zeit nach dem Krieg, was für sie soviel hieß wie „nach dem Sieg“.
Der rasche Aufstieg der jungen Lehrersfrau im badischen Ried-Dorf Altenheim, die mit 24 Jahren schon fünffache Mutter war, bleibt erstaunlich und hat viele Gründe. Ihre Begabung als Rednerin trug dazu bei. Sie sprach sicher, wirkte natürlich, aufgeschlossen frisch, warmherzig und fraulich. Schon aus den Anfangsjahren ihres öffentlichen Auftretens ab 1930, dem Todesjahr ihres ersten Mannes, ist überliefert, dass sie die Zuhörer in ihren Bann zog, wenn sie in den Gasthöfen der Ortenau sprach. Ihre angenehme äußere Erscheinung half ihr in nicht zu unterschätzendem Maße, Sympathien zu gewinnen. Der entscheidende Impuls für ihre überregionale Karriere dürfte von der Freundschaft mit dem späteren badischen Gauleiter Robert Wagner ausgegangen sein. Zeitgleich mit Eugen Klink hatte er vor dem I. Weltkrieg das Lehrerseminar in Heidelberg besucht. Beide kehrten als Offiziere aus dem Krieg zurück und engagierten sich in der NSDAP.
Dass Scholtz-Klink die gebotene Chance nutzte und den Sprung von der Gau-Frauenschaftsleiterin für Baden zur Reichsfrauenführerin schaffte, verdankte sie überzeugenden Erfolgen bei der Organisation des weiblichen Arbeitsdienstes in Südwestdeutschland und der Gleichschaltung der Frauenverbände in Baden, wobei sie rücksichtsvoll vorging und alte bürgerliche Strukturen nicht zerschlug, sondern einzubinden versuchte: „Dass Du so weise uns alle eingebaut hast in das Werk“, formulierte es Agnes Miegel 1939 anlässlich des fünfjährigen Dienstjubiläums der Reichsfrauenführerin. Lydia Gottschewski, die 1933 für kurze Zeit die NS-Frauenschaft geleitet hatte, war in dieser Beziehung weniger sensibel vorgegangen und hatte sich auch noch durch ein Kompetenzen-Gerangel mit Paula Siber, der Gau-Frauenschaftsleiterin von Düsseldorf, disqualifiziert. Scholtz-Klink konnte sich in ihrer prominenten Stellung elf Jahre lang behaupten dank ihrer Energie und ihres Charmes, aber auch dank der Männer hinter ihr. Ihr zweiter Ehemann Dr. Scholtz, der die Witwe seines Freundes 1930 mit den Kindern bei sich aufgenommen hatte, stand finanziell für sie gerade, bis sie ab 1935 von der Partei ein Entgelt mit Aufwandsentschädigung erhielt. Erich Hilgenfeldt, der Chef der NS-Volkswohlfahrt, war ihr nicht nur dienstlich ein guter Berater, vor allem nach der Trennung von Dr. Scholtz 1935. 1936 besuchten sie gemeinsam eine internationale Konferenz für Sozialarbeit in London.
Vorzeigefrau der NS-Regierung wird Scholtz-Klink oft genannt. Auf den Reichsparteitagen war sie als Rednerin präsent, wobei eine andere Vorzeigefrau, Leni Riefenstahl, lieber die Auftritte der Männer ins Bild nahm. Beträchtliches Medienecho im positiven Sinn erzielte Scholtz-Klink mit ihren Besuchen im Ausland: 1937 in Schweden oder im März 1939 in London, wohin sie auf Einladung der Anglo-German Fellowship reiste. Die übrigen Stationen: Wien, Paris, Oslo, Krakau, Mailand lagen in befreundeten oder besetzten Gebieten. Scholtz-Klink arbeitete viel, vergaß aber nicht das Privatleben. Schloss Bronnen im Donautal war ihr geliebtes Refugium. Sie hatte es via Frauenwerk gepachtet und mit eigenen Mitteln restaurieren lassen. Mit dem Abt (Benedikt Baur, 1938-1954) des benachbarten Klosters Beuron verband sie und ihre Familie eine Freundschaft, die auch über die Zäsur von 1945 hinaus standhielt. Das gilt auch für Pauline zu Wied, Tochter des letzten Königs von Württemberg, eine führende Vertreterin des Deutschen Roten Kreuzes, die in ihrem Buch „Vom Leben gelernt“ die sachliche Zusammenarbeit und die stets gerechte Art der Reichsfrauenführerin lobt. Sie brachte Scholtz-Klink mit ihrem Mann August Heißmeyer im Herbst 1945 in Bebenhausen unter und ermutigte sie, sich unter dem Geburtsnamen der Schwiegermutter zu melden unter Vorlage von Papieren, die sie nach der Flucht aus Berlin in der Gegend von Magdeburg erhalten hatte. Pauline half ihr auch die Gewissensbisse zu bewältigen, beim Zusammenbruch des NS-Regimes für ihre Überzeugung nicht in den Tod gegangen zu sein. Eine Giftampulle hatte sie wie andere Parteigrößen stets bei sich getragen, letztlich aber „die Verantwortung für die Familie höher gesetzt“.
Als 1948 durch Denunziation eines Ostflüchtlings die wahre Identität der Eheleute Heißmeyer entdeckt wurde und beide wegen Führens falscher Namen von einem französischen Militärgericht zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt wurden, erhielt auch Pauline zu Wied wegen Begünstigung eine Geldstrafe von 250 00 Reichsmark. Nach der Verbüßung der Gefängnisstrafe in Tübingen wartete ein Verfahren vor dem Staatskommissariat für die politische Säuberung auf Scholtz-Klink. Die Mitglieder des Kreis-Untersuchungsausschusses Tübingen stuften die 43-jährige Mutter eines Kleinkindes im Januar 1949 als Belastete ein, was angesichts ihrer herausragenden Stellung in der Hierarchie des Dritten Reiches von der Öffentlichkeit als zu mild beurteilt und daher von der Spruchkammer des Landes Württemberg-Hohenzollern im November 1949 korrigiert wurde. Auch dieser Spruch mit der Einstufung als Hauptschuldige wurde nochmals aufgehoben und im Mai 1950 entgegen der herrschenden Praxis verschärft durch das Verhängen einer Freiheitsstrafe. Diese erledigte sich jedoch, da der Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern 1951 ein Gnadengesuch positiv beschied.
Scholtz-Klink lebte genau 50 Jahre lang in der Bundesrepublik Deutschland, allerdings nicht im Vollbesitz der staatsbürgerlichen Rechte. Sie arbeitete in einer Getränkefirma in Tübingen, ihr Mann in einem metallverarbeitenden Betrieb. Mit dem „neuen Staat“ konnte sie sich jedoch lebenslang nicht identifizieren. „Grundeinstellung unbeirrt NS-Gedankenwelt“ notierte 1983 Hans-Josef Wollasch nach einem Gespräch mit der damals 81-jährigen Scholtz-Klink in Bebenhausen. „This was not an ex-Nazi“ resümierte schon Claudia Koonz, als sie ihre Begegnung mit Scholtz-Klink 1981 ausführlich schilderte.
Auch die zwei Gespräche, 1991 und 1992, die im Zuge dieser Arbeit geführt wurden, letzteres in Gegenwart von Leonie Wagner, bestätigten diese Feststellung. Die Autorin traf aber auch „eine ganz normale alte Dame“, die sich gern zum Friedhof fahren ließ, um die Familiengräber zu gießen, die an der Lebensrune erkennbar waren. Bei keinem Interview fehlte die Frage, ob Scholtz-Klink Hitler aus der Nähe gekannt habe. Sie verneinte dies, nur bei offiziellen Anlässen kam sie mit ihm zusammen. Einzig am Vorabend ihrer Hochzeit mit August Heißmeyer seien sie zu ihm gebeten worden und er habe dem Bräutigam gesagt: „Diese Frau gehört uns“. Privaten Kontakt hatte sie mit Himmler, da SS-Obergruppenführer Heißmeyer zu dessen Umgebung gehörte. Sie hat Himmler als liebenswürdig in Erinnerung. Er sei mit Aufgaben belastet worden, die ihn überfordert hätten. Ley und Hierl trug sie nach, dass sie ihr 1936 die Zuständigkeit für den weiblichen Arbeitsdienst entzogen hätten.
Quellen: GLA Karlsruhe 235/31655, 235/14074, 235/17476, 465d/1394, 465d/1458-1460, 466/18110, 76/7920; StAF 1614b, 1615-1617, 317/1257d, Bestand Notariat Offenburg Zug. 1984/20 P1 Nr. 35, Nachlass E. K.; StAS Wü 13/Nr. 2139; BA Berlin Pressedokumentation; BA (ehem. BDC) NSDAP-Gaukartei, BA, R 8034 II/9390; Auskünfte von Scholtz-Klink selbst 1991 u. 1992, Dr. Ernst K. (Sohn), Christa König, ehem. Hausgehilfin von Scholtz-Klink in Altenheim u. Ellmendingen, Frau Anselm, ehem. BDM-Führerin in Altenheim u. Hans-Josef Wollasch.
Werke: Verpflichtung u. Aufgabe d. Frau im NS-Staat, 1936; Die Frau im Dritten Reich. Eine Dokumentation, 1978 (darin: Hinweise auf zahlr. Artikel in Zeitungen u. Zeitschriften u. Rede-Sonderdrucke, vgl. auch Lit., bes. Leonie Wagner).
Nachweis: Bildnachweise: Die Frau im Dritten Reich, 1978 (vgl. Werke), Fotos d. Autorin von 1991 in deren Besitz.

Literatur: Pauline zu Wied, Vom Leben gelernt, 1953; Dörte Winkler, Frauenarbeit im „Dritten Reich“, 1977; Claudia Koonz, Mothers in the Fatherland, 1987; Andrea Böltken, Führerinnen im „Führerstaat“. G. Scholtz-Klink, Trude Mohr, Jutta Rüdiger u. Inge Viermetz, 1995; Leonie Wagner, Nationalsozialistische Frauenansichten. Vorstellungen von Weiblichkeit u. Politik führender Frauen im Nationalsozialismus, 1996.
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