Württemberg, Katharina Pawlowna, Königin 

Andere Namensformen:
  • geb. von Russland
Geburtsdatum/-ort: 21.05.1788; Zarskoje Selo (Russland)
Sterbedatum/-ort: 09.01.1819;  Stuttgart; begr. in der Grabkapelle auf dem Rotenberg bei Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: russisch-orthodox
Verheiratet: 30.4.1809 Prinz Georg von Oldenburg
24.1.1816 Prinz Wilhelm von Württemberg
Eltern: Vater: Zar Paul I. von Russland
Mutter: Maria Feodorowna, geb. Sophie Dorothee von Württemberg (23.10.1759-5.11.1828)
Kinder: 2; Marie Friederike Charlotte (30.10.1816-4.1.1887), Sophie Friederike Mathilde (17.6.1818-3.6.1877)
GND-ID: GND/118560603

Biografie: Otto-Heinrich Elias (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 308-310.

Nach schwerer Entbindung geboren als sechstes von zehn Geschwistern erlebte Katharina eine umsorgte Kindheit in den Zarenschlössern Gatschina und Zarskoje Selo unweit von St. Petersburg. Sie galt als aufgewecktes, körperlich gewandtes Kind und genoß als Namensträgerin der bis 1796 regierenden Zarin deren besondere Fürsorge. Ihre vorzügliche Erziehung war auf spätere politische Wirksamkeit ausgerichtet. Mit dem ältesten Bruder Alexander, dem seit der Ermordung des Vaters Paul I. im Jahre 1801 regierenden Zaren, verband sie ein besonderes Vertrauensverhältnis, das die intensive Erörterung politischer Fragen einschloß. Im Familienkreis wurde das burschikose, zum Teil ungebärdige Verhalten des jungen Mädchens, ja selbst ein Liebesverhältnis mit dem georgischen Fürsten und russischen Offizier Peter Bagration toleriert.
Am 30. April 1809 heiratete Katharina den Prinzen Georg von Oldenburg, einen wie sie selbst vielseitig gebildeten und literarisch interessierten, von Napoleon vertriebenen Emigranten. Das junge Paar residierte in Twer, wo es einen Musenhof politisch, philosophisch und künstlerisch interessierter Freunde um sich versammelte, unter anderen zeitweilig den ebenfalls durch Napoleon vertriebenen Reichsfreiherrn vom Stein. Der kurzen, glücklichen Ehe entstammten zwei Söhne. Die durch den Einfall Napoleons ausgelöste Krise des russischen Staates trübte das Verhältnis Katharinas zu ihrem regierenden Bruder. Ob eine adlige Fronde in dieser Situation tatsächlich den Zaren stürzen und Katharina an seine Stelle setzen wollte, ist umstritten. Nach dem kriegsbedingten Tod des Prinzen Georg litt die junge Witwe an Depressionen und kataleptischen Anfällen. Nach einer Phase des Reisens und vager Pläne einer Wiederverheiratung, unter andern mit dem Erzherzog Karl von Österreich, kam es während der Wiener Kongresses zum Einverständnis mit dem Kronprinzen Wilhelm von Württemberg.
Die am 24. Januar 1816 – neun Monate vor der Thronbesteigung – in St. Petersburg geschlossene Ehe war für beide Partner sowohl Liebes- als auch politische Verbindung. Das Paar residierte überwiegend in Stuttgart. Katharina gebar ihrem zweiten Gatten in wiederum nur kurzer, nicht durchweg harmonischer Ehe zwei Töchter.
Die Königin nahm regen Anteil an allen politischen Unternehmungen König Wilhelms. Auf innenpolitischem Gebiet erstreckte sich ihre Mitwirkung vom Bildungswesen über die Verwissenschaftlichung der Landwirtschaft, das Medizinalwesen bis zur von ihr mit besonderem Engagement betriebenen Neuorganisation der Sozialfürsorge. Mehrere heute noch bestehende, zum Teil nach ihr genannte Institutionen verdanken ihr die Entstehung: Die höhere Mädchenschule in Stuttgart („Katharinenstift“), das erste moderne Stuttgarter Krankenhaus („Katharinenhospital“), die erste gemeinnützige Bank Württembergs (die heutige Landesgirokasse), das Landwirtschaftliche Institut (heute Universität) in Hohenheim. Katharina war eine vorzügliche Organisatorin und verstand es, fähige Helfer für ihre Zwecke zu gewinnen.
An der Konzipierung der Außenpolitik König Wilhelms war Katharina beteiligt. Die in der Umgebung des Prinzen Paul von Württemberg geäußerte Ansicht, sie benutze ihren Gatten nur als Werkzeug eigener ehrgeiziger Pläne, ist abwegig, entbehrt aber nicht des realen Kerns: Mit den beschränkten Möglichkeiten eines deutschen Mittelstaates im Deutschen Bund hätte sie sich gewiß nicht abgefunden.
Katharina war eine attraktive, mit großer Selbstsicherheit auftretende Erscheinung. Ihr ist äußerste geistige Regsamkeit, ja Gelehrsamkeit bescheinigt worden. Besonderes Interesse zeigte sie für die Gedankenwelt Johann Heinrich Pestalozzis. Auch zeichnete und malte sie. Gegenüber Goethe hat sie ein tieferes Verständnis für Kunst bestritten und den politischen Wert einzig der Architektur betont. Soviel ist richtig, daß ihrem Plan, die berühmte Gemäldesammlung altdeutscher sakraler Kunst der Brüder Boisseree für Stuttgart anzukaufen, der aus finanziellen Gründen nicht ausgeführt werden konnte, auch politische Gründe zugrundelagen.
Ihr früher Tod nach nicht ganz dreijähriger Ehe steht mit einer Ehekrise in direktem Zusammenhang: Der Schock über die Entdeckung ehelicher Untreue ihres Gatten, ihre psychosomatische Anfälligkeit, die bereits beim Verlust des ersten Ehemannes aufgetreten war, in Verbindung mit einer akuten Erkrankung führten innerhalb weniger Tage zum Tod.
Die Württemberger begegneten dieser Königin zunächst abwartend, dann mit Achtung und Dankbarkeit, nach ihrem Tod mit Verehrung.
Quellen: HStA Stuttgart, Bestand G 270.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997; Bildnachweise: Haus Württemberg

Literatur: Catharina Pawlowna, Königin von Württemberg 1816–1819. Einflüsse – Leben – Leistungen. Eine Ausstellung der Universität Hohenheim im Schloß Hohenheim aus Anlaß des 175jährigen Jubiläums der Universität Hohenheim, Katalog zur Ausstellung, Hohenheim 1993.
Hansmartin Decker-Hauff, Katharina von Rußland, Königin von Württemberg, und ihr Hospital (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart 31), Stuttgart 1980.
Otto-Heinrich Elias, Bemerkungen zur Biographie Königin Katharinas von Württemberg, in: Aus südwestdeutscher Geschichte, Festschrift Hans-Martin Maurer, hrsg. von Wolfgang Schmierer u.a., Stuttgart 1994, S. 595–615.
Jakob Merkle, Katharina Pawlowna, Königin von Württemberg. Beiträge zu einer Lebensbeschreibung der Fürstin besonders nach neueren russischen Quellen, Stuttgart 1889.
Max Rehm, Königin Katharina von Württemberg. Ihr Leben und Wirken nach Selbstzeugnissen und im Spiegel der Zeitgenossen, Stuttgart 1968.
Hans Schumann, Königin Katharina von Württemberg, Stuttgart 1993.
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