Württemberg-Urach, Ludwig I., Graf 

Geburtsdatum/-ort: vor dem 31.10.1412
Sterbedatum/-ort: 23./24.9.1450;  Urach; begr. in der Kartause Güterstein; Grabmal von 1555/56 in der Stiftskirche Tübingen
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 21.10.1436 Mechthild, geb. von der Pfalz, Gräfin von Württemberg, Erzherzogin von Österreich
Eltern: Vater: Graf Eberhard IV. von Württemberg (1388-2.7.1419)
Mutter: Henriette, geb. von Mömpelgard (zwischen 1384 und 1391-14.2.1444)
Geschwister: Anna (1408-2. oder 16.4.1471)
Ulrich V. (1413-1.9.1480)
Kinder: 5; Mechthild (vor 1441-3. oder 6.6.1495), Ludwig II (3.4.1439-3.11.1457), Andreas (11.5.1443-19.5.1443), Eberhard V./I. im Bart (11.12.1445-24. oder 25.2.1496), Elisabeth (2./3.10.1447-2.6.1505)
GND-ID: GND/134143906

Biografie: Roland Deigendesch (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 80-83

Ludwig war der ältere der beiden Söhne Graf Eberhards IV. und Henriettes von Mömpelgard. Das frühe Ableben des Vaters 1419 hatte eine vormundschaftliche Regierung des Landes zur Folge, an der zunächst auch Henriette beteiligt war. Die Erziehung der Kinder erfolgte durch die Mutter, nach der Chronik David Wollebers als einer scharpfen schuelmeisterin. Der Politik einer Annäherung an die Kurpfalz entsprang die Verlobung mit Mechthild, der erst wenige Monate alten Tochter Pfalzgraf Ludwigs III. des Bärtigen am 25. November 1419. Die Hochzeit erfolgte nach dem Erreichen der Heiratsfähigkeit Mechthilds am 17. Oktober 1434 in Stuttgart. Der Eheverbindung entsprossen vier Kinder, ein weiteres, Andreas, starb bereits nach acht Tagen. Nach den „Annales Stuttgartienses“ sind aber noch mehr Kinder früh verstorben. Ob zuerst Ludwig II. oder Mechthild geboren wurde, ist schwer zu sagen. Für Mechthild spricht die lange kinderlose Zeit von 1434 bis 1439, wenn man nicht in diesem Zeitraum früh verstorbene namenlose Nachkommen annehmen möchte. Es folgten Andreas, Eberhard V. und Elisabeth.
Bis zur Landesteilung war Stuttgart die wichtigste Residenz des Landes, daneben spielten aber auch Waiblingen und Urach eine herausragende Rolle, letzteres wurde nach dem Nürtinger Vertrag 1442 zur Hauptresidenz Ludwigs.
Die ersten Regierungshandlungen Ludwigs sind im November 1426 nachweisbar. Er bestieg wie nach ihm seine Söhne Ludwig II. und Eberhard V. den Grafenthron mit vierzehn Jahren. Beim Regierungsantritt übernahm er ein seit sieben Jahren statthalterlich geführtes Land. Den Regentschaftsräten war trotz der Versuche äußerer Einflußnahme eine weitgehende Konsolidierung der Grafschaft gelungen, und viele Kontinuitätslinien verbinden die vormundschaftliche Zeit mit Ludwigs Regentschaft. Dies gilt für die Regierung, wo eine personelle Kontinuität im Kreis der Räte zu verzeichnen ist, ebenso wie für die Verwaltung des Landes. In die lokale Ämterorganisation, die bereits eine Stärkung durch die neue Aufgabe der Steuerumlage (Schatzung von 1425) erfahren hatte, konnten die territorialen Zugewinne größtenteils integriert werden. Ludwig gelangen eine ganze Reihe kleinerer Besitzerweiterungen, vielfach innerhalb des relativ geschlossenen württembergischen Herrschaftsbereichs. Von großer Bedeutung war der Erwerb von Stadt und Amt Blaubeuren 1447, mit der auch die Kastvogtei über das Benediktinerkloster verbunden war. Aus dieser zuvor helfensteinischen Herrschaft wurde ein neues Amt gebildet.
Das einschneidendste Ereignis in Ludwigs Regierungszeit war zweifelsohne die Teilung des Landes 1441, zunächst befristet auf vier Jahre, dann im Nürtinger Vertrag vom 25. Januar 1442 endgültig. Während Ulrich V. der östliche und nördliche (Stuttgarter) Landesteil zufiel, erhielt Ludwig mit dem Uracher Teil die Ämter im Westen und Süden inklusive der Herrschaften im Elsaß. 1446 kam per Los auch die nach dem Tod Henriettes von Mömpelgard 1444 gemeinschaftlich regierte Grafschaft Mömpelgard hinzu. Zum Zeichen der Besitzmehrung nahm Ludwig das Mömpelgarder Wappen in seinen Schild auf.
Die Erwerbungen während seiner Regierungszeit verweisen auf eine gute Einkommenssituation der Grafschaft, zu der auch die Mitgift Mechthilds in Höhe von 30.000 Gulden beitrug. Allerdings waren auch die Schulden beim Tod Ludwigs nicht unerheblich. Die irrige Ansicht, wonach Ludwig I. erstmals württembergische Münzen schlagen ließ, dürfte auf die frühen Pfennigprägungen (seit 1423), vielleicht auch auf den Abschluß des Riedlinger Münzvertrags zwischen der Grafschaft und den Städten Ulm und Konstanz vom 20. September desselben Jahres zurückgehen – beide wichtigen Daten fallen noch in die vormundschaftliche Zeit. Indessen spricht vieles dafür, daß auch Ludwig versuchte, die wirtschaftliche Basis des Landes zu verbessern; so gab es bei der Landesteilung 1442 bereits sechzehn herrschaftliche Schäfereien, die der Tuchproduktion im Land dienten.
Zur Stärkung der Landesherrschaft trug eine zielbewußte Politik gegenüber den schutzverwandten Klöstern bei. Vogteiverhältnisse wurden erweitert (1427 Herrenalb, 1444 St. Georgen, 1447 Blaubeuren), 1439 wurde die Vogtei über die Benediktinerpropstei Güterstein bei Urach zu deren Umwandlung in eine Kartause und damit zur Entfremdung zwiefaltischen Besitzes eingesetzt. Lediglich in diesem Fall trat Ludwig I. – zusammen mit seinem Bruder Ulrich V. – als Klostergründer hervor. Viel eher fügten sich die Umwandlungen von Kirchen zu Stiftskirchen (Göppingen 1436, Herrenberg 1439) ins politische Konzept. Denn Ludwig verstand es, sich zunehmend der Dienste gelehrter geistlicher Räte zu bedienen, die sich aus den wichtigen Chorherrenstiften des Landes rekrutierten. Der Landesherr vermochte damit etwa in Konfliktfällen schutzverwandter Klöster oder auch der Pfarrgeistlichkeit innerhalb seines Einflußbereichs die bischöfliche Gerichtsbarkeit teilweise zu ersetzen. Wie weit die landesherrlichen Rechte in kirchlichen Belangen gehen konnten, zeigt die Brettener Kirchenordnung 1435, bei deren Zustandekommen allerdings der Einfluß Pfalzgraf Ludwigs III. nicht verkannt werden darf. Die Reformbemühungen um das Stift Ellwangen 1434 und die Franziskaner in Tübingen 1446 verweisen auf Initiativen Ludwigs auch auf diesem Feld; ein wichtiger Anstoß scheint vom Basler Konzil ausgegangen zu sein, bei dem der Graf 1433 persönlich anwesend war. Eine Frequentierung des Konzils durch württembergische Räte ist gleichfalls nachweisbar, wenn auch die Quellen eine bei weitem vorsichtigere Politik Ludwigs gegenüber Basel nahelegen, als vielfach geäußert wurde. Demgegenüber versicherte er sich stets der Unterstützung durch den Papst, wenn auch 1422 ein – ohne sein Verschulden zustande gekommenes und alsbald wieder gelöstes – Interdikt auf beiden Grafen lastete. Letztlich muß die kuriale wie die Konzilspolitik vor dem Hintergrund eines bewußten Ausbaus landesherrlicher Rechte im kirchlichen Bereich gesehen werden.
Die größte kulturelle Leistung Ludwigs war der Ausbau Urachs zur Residenzstadt, wiewohl der frühe Tod des Grafen vieles unvollendet ließ. Zu nennen sind der sehr wahrscheinlich in Ludwigs Zeit zu setzende Baubeginn des Uracher Neuen Schlosses, die Erweiterung des benachbarten Tiergartens (beides nach 1442), der Ausbau des Hohenurach (bereits um 1426/27) sowie, vielleicht nach burgundischem Vorbild, die Gründung der Kartause Güterstein (1439), letzteres ein gemeinsames Unternehmen mit seinem Bruder Ulrich V. Von dieser Gründung, die vor allem durch ihre volkssprachliche Buchproduktion Impulse für das geistige Leben im Südwesten gab, existieren bis auf einzelne Werksteine keine Überreste mehr, eine Ausnahme ist die Hans Multscher zugeschriebene Grabmalsplastik Mechthilds von der Pfalz (um 1450, jetzt im Chor der Stiftskirche Tübingen). Diese Leistungen knüpften offenbar an dem in Stuttgart begonnenen an. So fällt die Bestellung Hänslin Jörgs zum Baumeister an der Stiftskirche zu Stuttgart in Ludwigs Regierungszeit, ebenso sind Baumaßnahmen am Stuttgarter Alten Schloß in der Zeit vor der Landesteilung zu erwägen.
Das Ansehen, das Ludwig nach verschiedenen Zeugnissen bereits von Beginn seiner Regierung an genossen hat, spiegelt die Stellung der Grafschaft Württemberg im territorialen Gefüge Südwestdeutschlands. Die Jahre der Vormundschaft 1419–1426 waren von widersprüchlichen Tendenzen geprägt. Fehden mit den Herren von Geroldseck und den Grafen von Zollern brachten das Land in eine Frontstellung zu den benachbarten Adelshäusern, während die Einungspolitik mit den Städten 1419 und die Beteiligung am Feldzug Kaiser Sigismunds gegen die Hussiten 1422 eher den Eindruck einer Annäherung an traditionelle Kontrahenten vermitteln. Ludwig war gewillt, die Grundlinien der Politik seiner Räte fortzuführen; die Einungen mit den Städten und mit der Pfalz, noch zur Vormundschaftszeit getroffen, wurden von ihm bestätigt und auch in späteren Jahren immer wieder erneuert.
Neben dem guten Verhältnis zum Hause Wittelsbach ist auch eine Annäherung an die Habsburger festzustellen, Württembergs Konkurrenten um die territoriale Vorherrschaft im Süden. Mehrfach unterstützte Ludwig mit seinem Bruder Erzherzog Albrecht VI. gegen die Eidgenossen, während sich umgekehrt die vorderösterreichische Stadt Villingen 1426 für zehn Jahre in den Schutz Ludwigs stellte. Der Besitz der Grafschaft Mömpelgard und der Herrschaften Granges, Clerval und Passavant überschritt den regionalen außenpolitischen Horizont. Während 1434 nach Ansicht Kaiser Sigismunds der württembergische Graf dem Herzog von Burgund hier mehr gehorchte als ihm (magis obediebat domino de Burgundie quam sibi), sorgte der Feldzug des Dauphin im Elsaß 1439–1444 für eine existentielle Gefährdung nicht nur des württembergischen Besitzes links des Rheins. Dies trug zu einer Intensivierung der württembergischen Beziehungen sowohl zu Habsburg als auch zur Pfalz bei, während die von Sigismund eingeleitete Frontstellung gegen den Herzog von Burgund nicht geteilt wurde. Es würde allerdings zu weit führen, aus diesem Interessengegensatz zum Reichsoberhaupt grundlegende Konflikte herauslesen zu wollen, im Gegenteil. Gerade die konsequente Einungspolitik mit Fürsten, Rittern und Städten erbrachte eine Annäherung an die Landfriedensbestrebungen Kaiser Sigismunds, der Ludwig öfters zu Verhandlungen heranzog. Sigismund bestellte den Grafen wohl nicht zuletzt vor diesem Hintergrund während seines Aufenthalts in Italien 1432 neben Herzog Wilhelm von Bayern zum Statthalter. 1438 sollte Ludwig nach dem Landfriedensplan König Albrechts II., der die württembergischen Grafen bereits in einem auf dem Basler Konzil gestifteten Frieden für Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt eingesetzt hatte, kreisausschreibender Fürst des Schwäbischen Kreises werden. Diese respektable Rolle Ludwigs im deutschen Südwesten setzte sich auch dann noch fort, als der Konflikt zwischen den Fürsten und den Reichsstädten offen ausgebrochen war und auch vor der Grafschaft Württemberg nicht haltmachte. 1450 bemühte sich Ludwig gemeinsam mit Friedrich von der Pfalz um eine Vermittlung zwischen den Städten und den Fürsten. Im selben Jahr jedoch verstarb Ludwig in Urach, nach Johannes Vergenhans an der Pest. Er wurde in seiner Gründung Güterstein bestattet und erhielt als Zeichen seiner hohen Wertschätzung bei den Kartäusern wie andere große Gönner des Ordens die Auszeichnung eines besonderen Gebetsgedenkens (plenum cum psalteriis monachatum). Ludwig zählte zu den Zeitgenossen, die Enea Silvio Piccolomini zur Aufnahme in seinen Katalog berühmter Männer für würdig hielt, wenn auch seine Schilderung wenig individuelle Züge trägt.
Quellen: HStA Stuttgart, A-Bestände.
Deutsche Reichstagsakten, Bde. IX–XVII, hrsg. durch die historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Gotha 1887-1963.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997

Literatur: W. Baum, Kaiser Friedrich III. und die Grafen von Württemberg, in: Chr. Sattler, Bestimmung der Geburtsjahre der beeden Brüder, Ludwigs I. und Ulrich V., Grafen von Würtemberg, in: Gelehrte Ergötzlichkeiten 1, S. 326–333; 2, S. 62–64, Stuttgart 1774.
Enee Silvii Piccolomini, De viris illustribus, hrsg. A. van Heck, Citta del Vaticano 1991.
Joachim Fischer, Das Testament der Erzherzogin Mechthild von Österreich vom 1. Oktober 1481, in: Eberhard und Mechthild (Lebendige Vergangenheit Bd. 17), Stuttgart 1994, S. 111–163.
Gregor Richter, Die Brettener Kirchenordnung von 1435 als Ausfluß landesherrlicher Kirchenpolitik, in: Palatina historica, FS für Ludwig Doll, hrsg. von P. Spieß, Mainz 1994, S. 237–246.
Theodor Schön, Die Kartause Güterstein, in: Freiburger Diözesan Archiv 26 (1898), S. 137–192.
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