Württemberg-Stuttgart, Eberhard VI./II., Graf / Herzog (seit 1496) 

Geburtsdatum/-ort: vermutlich 1447-02-01;  Waiblingen
Sterbedatum/-ort: 17.02.1504;  Burg Lindenfels/Odenwald; begr. in der Stiftskirche Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: März/April 1467 Elisabeth, geb. von Brandenburg-Ansbach
Eltern: Vater: Graf Ulrich V. von Württemberg (1413-1.9.1480)
Mutter: Elisabeth, geb. Bayern-Landshut (1419-1.1.1451)
Geschwister: Katharina (7.12.1441-28.6.1497)
Margarethe (zwischen 1445 und 1450-21.7.1479)
Heinrich (nach August 1446-15.4.1519)
Elisabeth (23.12.1450-6.4.1501)
Helene (nach 1453-19.2.1506)
Margarethe (nach 1453-21.4.1470)
Philippine (nach 1453-4.6.1475)
GND-ID: GND/134143973

Biografie: Dieter Stievermann (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 98-100

Eberhards schon 1451 verstorbene Mutter Herzogin Elisabeth von Bayern-Landshut entstammte einer der hochgestelltesten und mächtigsten Familien des Reiches. Diese und die beiden anderen hochrangigen Eheschließungen spiegeln nicht zuletzt Ansprüche und Ambitionen seines Vaters Ulrich wider. Im Sinne der Zeit erfuhr Eberhard eine höfische Erziehung. Am burgundischen Hof hielt er sich lange auf: In seiner Zeit war dieser Vorbild für Europa, dazu für Württemberg wegen dessen linksrheinischer Besitzungen auch politisch wichtig. 1461 nahm Eberhard an einer französischen Königskrönung in Reims teil und erhielt dort auch den Ritterschlag. Nach der politischen Katastrophe Ulrichs des Vielgeliebten wurde Eberhard 1462 nach Württemberg zurückgerufen. Die Eheschließung (1465–1467) mit Markgräfin Elisabeth von Brandenburg ordnete sich in die väterliche Politik ein: Ulrich V. und der Schwiegervater Albrecht Achilles waren die Exponenten der antipfälzischen bzw. antiwittelsbachischen Partei im Reich. Eberhards Ehe verlief dabei so unglücklich wie die Politik des Vaters, dazu verstärkten sich in Stuttgart die Spannungen zwischen den Generationen. Ein deutlich erkennbarer Zug Eberhards, der sich zweifellos in Burgund ausgeprägt hatte, war die besondere Wertschätzung für ein prunkvolles Hofleben: Der eigene große Hofstaat für den Sohn belastete dabei zusätzlich das Land. Der Hausvertrag zwischen beiden Württemberg 1477 eröffnete Eberhard bereits die Chance einer Nachfolge auch im Uracher Landesteil.
Als Graf Eberhard VI. am 8. Februar 1480 noch vor dem Ableben Ulrichs V. die Regierung im Stuttgarter Landesteil übernommem hatte, sah er sich einer äußerst schwierigen Situation gegenüber, der er augenscheinlich nicht gewachsen war: Die Finanzen waren zerrüttet, das Verhältnis zu den Räten schlecht, die landesherrliche Stellung geschwächt; dazu entwickelten sich Auseinandersetzungen mit dem linksrheinisch abgefundenen Bruder Heinrich. Erschwerend kam hinzu, daß der wenig ältere Vetter Eberhard V. (der Ältere) von Württemberg-Urach schon eine lange Regierungserfahrung besaß und erfolgreich die Fäden zog, insbesondere auch – mit Rückhalt vor allen Dingen bei der bürgerlichen Führungsschicht, der Ehrbarkeit – eine Politik der Wiedervereinigung betrieb. Eberhard ließ sich unter dem Druck der aktuellen Stuttgarter Regierungsprobleme verleiten, 1482 den Münsinger Vertrag abzuschließen: d.h. gegen Versprechungen auf eine zukünftige Herrschaft in ganz Württemberg die Landesteilung aufzuheben und der praktischen Regierung zugunsten des älteren Vetters zu entsagen. Neben einem eigenen Hofstaat, einem Jahrgeld von 3.000 Gulden, dazu Reise- und Jagdspesen usw. blieben ihm zunächst noch die Lehnshoheit über seine Vasallen und die Schirmherrschaft über die Klöster.
Wenngleich formell Landesherr in spe für ganz Württemberg hatte Eberhard VI. in Wirklichkeit damit den Boden unter den Füßen verloren, da er seinem zielgerichteteren Vetter den Weg nach Stuttgart freigemacht hatte, er in der gemeinsamen Residenz sich kaum geduldet fühlen mußte. Schon aus diesem Grund, aber auch aus Neigung, war Eberhard der Jüngere viel an fremden Höfen. Über Nutzungsrechte etwa an den Klöstern, Jagden und landesherrlichen Einkünften mußte es beinahe zwangsläufig zu Auseinandersetzungen kommen. Eberhard VI. versuchte daher recht bald, die für ihn und seine alltäglichen Bedürfnisse sich als ungünstig erweisenden Regelungen zu verändern. Dabei stand er nicht allein: Der Heidelberger Kurfürst, sein herzoglicher Vetter in Landshut und sein kurfürstlicher Schwiegervater unterstützten ihn. Dies drängte dann wiederum Eberhard V. als den regierenden Herrn ganz Württembergs immer stärker ins habsburgische Fahrwasser, um sich des Kaisers als der höchsten Quelle des Rechts im Reich zu vergewissern. Im neuen Stuttgarter Vertrag 1485 wurde gegen die Abtretung des Großteils der verbliebenen Rechte das Jahrgeld Eberhards VI. auf stattliche 8.000 Gulden erhöht und ihm das Schloß Nürtingen zugewiesen: Die Jahrrente war auf die Einkünfte der Ämter Kirchheim und Winnenden mit vier Städten angewiesen, die ihm so als unmittelbarer Besitz verblieben. Einen Streit um die Rechtsform und die materielle Nutzung des Dominikanerinnenklosters Kirchheim benutzte Eberhard der Ältere dann in sehr geschickter Weise, um seinem Vetter auch diese Restherrschaft zu nehmen. Seiner kluger Politik gelang es, für diese Aktion die kaiserliche Unterstützung zu erhalten: Im sogenannten Frankfurter Entscheid 1489 wurde die Entscheidung festgeschrieben. Damals begann auch die neue Politik Eberhards des Älteren, den ungeliebten gleichnamigen jüngeren Vetter auch für die spätere Zeit seiner eigenen Herrschaft zu beschränken: durch Begrenzung seines Nachfolgerechts auf den alten Stuttgarter Landesteil (1489) bzw. durch einen Regierungsrat der gesamtwürttembergischen Landstände (1489 und Esslinger Vertrag 1492). Obwohl Eberhard der Jüngere weitgehend von den württembergischen Dingen abgeschnitten blieb, konnte er 1496 doch erstaunlich reibungslos die Nachfolge in ganz Württemberg (seit 1495 Herzogtum) antreten, nachdem Eberhard der Ältere im Februar kinderlos gestorben war. Auch die vorgesehene landständische Kontrolle schien nicht zu greifen: Herzog Eberhard II. regierte wie andere Fürsten seiner Zeit. Die engen Beziehungen der Elite seines Landes zu den Habsburgern sollten ihm aber zum Verhängnis werden. Die Konflikte entzündeten sich an Fragen, wie sie üblicherweise im Umkreis absolutistischer Bestrebungen aufbrechen: Es ging u.a. um Vergrößerung des Hofes, Annahme neuer Räte, Wunsch nach räumlicher Trennung von Hof und Verwaltung, Justizwesen, Rüstungspläne. Eberhard sah sich gedrängt, einen Landtag einzuberufen. Im eingefahrenen württembergischen Zusammenspiel mit dem habsburgischen Königshaus wurde er von Landtag und alter Regierungselite entmachtet und mußte aus dem Lande fliehen, zunächst nach Ulm: Das war ein weitgehend beispielloser Vorgang in der deutschen Verfassungsgeschichte dieser Zeit. Da der gestürzte Herzog keine wirksame Unterstützung fand, mußte er den Horber Schiedsspruch des Königs vom 10. Juni 1498 hinnehmen und gegen ein Jahrgeld von 6.000 Gulden den Regierungsverzicht und die Landesverweisung anerkennen. Ein Ständerat regierte jetzt nicht – wie eigentlich vorgesehen – neben ihm, sondern ganz ohne ihn, aber mit königlicher Legitimation und im österreichischen Fahrwasser. Formell endete das erst, als Ulrich, Sohn Graf Heinrichs und Neffe des kinderlosen zweiten Herzogs, mit seiner vorzeitigen Volljährigkeit 1503 die Regierungsgewalt übernahm. Der Kurfürst von der Pfalz, der alte Feind der Habsburger, gewährte dem abgesetzten Herzog Unterschlupf. In der Pfalz verkaufte Eberhard, dem die Zahlungen aus Württemberg verweigert wurden, zwar im Januar 1499 seine württembergischen Erbrechte, doch widersprach der Kauf den bestehenden Verträgen, außerdem hatte sein Bruder Heinrich erbberechtigte Söhne. Auf der pfälzischen Burg Lindenfels im Odenwald ist Eberhard am 17. Februar 1504 gestorben, sein Grab fand er in der Heidelberger Stiftskirche.
Herzog Eberhard II. gilt üblicherweise als eine Unperson der württembergischen Geschichte. Durchweg wird er als verschwenderisch, genußsüchtig, wankelmütig und verantwortungsscheu beschrieben. Das dunkle Bild beruht nicht zuletzt auf der zeitgenössischen Propaganda: Diese wurde von der Geschichtsschreibung aufgenommen, die ihn konsequent zum Gegenbild des idealisierten Eberhard I. stilisierte. Wie weit für sein Scheitern persönliche Begrenztheiten und Schwächen – die von seinen Feinden immer wieder nachhaltig betont worden sind, aber in dieser Art bei Fürsten nicht unbedingt selten waren – oder stärker die habsburgische Politik – die Württemberg an sich binden wollte – bzw. die herrschaftlichen Bestrebungen der Landstände verantwortlich waren, läßt sich schwer entscheiden. Für das große Gewicht außen- und innenpolitischer Ursachen spricht nicht zuletzt, daß sein Nachfolger und Neffe Herzog Ulrich in ähnliche Schwierigkeiten geriet, als er in der Politik eigene, antihabsburgische Wege beschreiten wollte.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997

Literatur: Otto Borst, Württemberg und seine Herren, Esslingen u.a. 1988, S. 41–52, 364.
Gerhard Raff, Hie gut Wirtemberg allewege Bd. 1, Stuttgart 1988, S. 398–406.
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