Narrensprung in Rottweil  

Datierung :
  • 1937
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Die Fasnet spielt im Landkreis Rottweil seit jeher eine große Rolle. Zusammen mit Villingen, Oberndorf am Neckar und Schramberg gilt Rottweil als Hochburg der schwäbisch-alemannischen Fastnacht und kann auf eine der ältesten Fastnachtstraditionen zurückblicken. Der älteste Beleg, der auf die Existenz von Fastnachtbräuchen deutet, ist eine Predigt, die im Jahr 1360 im Rottweiler Dominikanerkloster verfasst wurde. Hier ist von "vasnacht krapfen" die Rede. Die meisten Belege stammen aber aus sehr viel späterer Zeit. Die schwäbisch-alemannische Fastnacht, wie sie heute in Rottweil gefeiert wird, kann allerdings auch keine lückenlose Kontinuität aufweisen. In den 1840er Jahren breitete sich der rheinische Karneval immer stärker aus und verdrängte auch die Fastnachtsbräuche im südwestdeutschen Raum - so auch in der ehemaligen Reichsstadt Rottweil. Erst im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde die eigene, schwäbische Fastnacht mit ihren historischen Kostümen, ihren Weißnarren mit holzgeschnitzten Gesichtsmasken und Teufelsfiguren wiederentdeckt. Heute folgt die Fasnet in Rottweil einem festen Ablauf. Am Vormittag des Fastnachtsonntags übernimmt die im 17. Jahrhundert gegründete Narrenzunft das Stadtregiment vom Oberbürgermeister. Am Montag findet dann der Höhepunkt der Fastnacht statt, nämlich der "Narrensprung": Ein Umzug, der von einer historisch gekleideten Reiterstandarte und einer Blaskapelle angeführt wird und dem zahlreiche Narren folgen. Tanz, Spiel, Lärm sowie unmäßiges Essen und Trinken sind feste Bestandteile der Feiern. Charakteristische Figuren der Rottweiler Fastnacht sind der "Gschell" (Narr) und der Biss (Narr mit gefletschten Zähnen), aber auch die Hexe, die erst in den 1930er Jahren Einzug erhielt, gilt mittlerweile als typische Figur der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Im Laufe der Zeit kamen viele weitere Figuren hinzu. Die Weißnarren tragen historische, mit Schellen verzierte Kostüme, so beispielsweise die charakteristischen Pluderhosen mit Türken- und Tirolerfiguren. Diese Kostüme wurden nach dem Vorbild einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Kleidersammlung angefertigt. Auch wenn der Rottweiler Narrensprung auf eine lange Tradition zurückblicken kann, unterlagen Form und Ablauf einem ständigen Wandel. Der Brauch des Abstaubens, bei dem in Frack und Zylinder gekleidete Herren die Narrenkleider symbolisch vom Staub befreien, wurde erst in den 1930er Jahren eingeführt; die Proklamation, d.h. die Übernahme des Stadtregiments durch die Narrenzunft, fand sogar in den 1950er Jahren erstmals statt. Die Filmaufnahmen, die hier zu sehen sind, stammen aus dem Jahr 1937, was wohl kein Zufall ist. Gerade die Nationalsozialisten förderten die Verbreitung der stilbildenden Rottweiler Fasnet als deutsche "Volksfastnacht" und trugen zu ihrer Verbreitung und Popularität bei. Das Regime schaltete die Narrenzünfte gleich, vereinnahmte die überlieferten Bräuche für die NS-Volkstumsideologie und inszenierte sich als volksnah. Im Gegensatz zur NS-Propaganda und zur älteren Volkskunde, die in der Fastnacht jahrhundertealte, unveränderliche Traditionen und einen wesensgemäßen Ausdruck des deutschen Volkes sah, spricht manches dafür, die Fastnacht als Ergebnis überregionaler und internationaler Kulturtransfers zu deuten, die auch die Fastnachtstradition im Laufe der Jahrhunderte veränderten. So identifizierten Kultur- und Kunsthistoriker in den schwäbisch-alemannischen Gesichtslarven, in den Gewändern der Weißnarren sowie in den Figuren des Harlekines (italienisch Arlecchino) und des Bajass (italienisch Bajazzo) einen Einfluss der italienischen Commedia dell´Arte, der sich am Übergang vom Renaissance- zum Barockzeitalter bemerkbar gemacht habe.Felix Teuchert, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg: Rottweiler Narrensprung, 1937
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