Adamsohn, Sally 

Geburtsdatum/-ort: 09.08.1863; Landeck/Westpreußen
Sterbedatum/-ort: 01.09.1942; KZ Theresienstadt
Beruf/Funktion:
  • praktischer Arzt
Kurzbiografie: 1893 Promotion Univ. Würzburg
1900 Niederlassung als Landarzt in Gomaringen
1925 Aufgabe der Arzttätigkeit und Praxisübergabe
20.8.1942 Deportation nach Theresienstadt
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Eltern: nicht ermittelbar
Geschwister: nicht ermittelbar
GND-ID: GND/1012565823

Biografie: Angela Borgstedt (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 1-2

Im Generalverzeichnis jüdischer Staatsbürger Westpreußens ist der Familienname Adamsohn gleich an zahlreichen Orten nachgewiesen, so auch in Sally Adamsohns Geburtsort Landeck, dem heutigen Ladek Zdroj in Polen. Dennoch lässt sich der Nachweis über Familie, Herkunftsmilieu und Werdegang kaum mehr führen. Dokumentiert ist Adamsohns Promotion 1893 an der Universität Würzburg und die anschließende Niederlassung als praktischer Arzt in Podejuch nahe Stettin. Warum er 37-jährig im Kreis Tübingen beruflich noch einmal von vorne begann, lässt sich nicht klären. Den Weggang aus dem ostelbischen Preußen hatten möglicherweise die pogromartigen Ausschreitungen verursacht, die nach den Ritualmordbeschuldigungen gegen einen Konitzer Fleischermeister ganz Westpreußen und darüber hinaus erfassten. Konitz lag in unmittelbarer Nachbarschaft von Adamsohns Geburtsort Landeck.
1900 ließ sich Adamsohn in Gomaringen im Kreis Tübingen nieder. Dort galt er bald als ein angesehener, in seinem Beruf aufgehender, dazu sehr sozial eingestellter Mediziner. Zwar war der Einzugsbereich eines jeden Arztes in ländlichem, dazu noch weitgehend immobilem Umfeld groß. So hatte er im Notfall bei jeder Witterung auch den entlegenst wohnenden Patienten aufzusuchen. Adamsohn jedoch stellte oft genug in realistischer Einschätzung der finanziellen Verhältnisse manches Hilfebedürftigen seine Dienste gar nicht in Rechnung. Der „Mann mit Hut und Schirm“, wie er noch lange im kollektiven Ortsgedächtnis erinnert wurde, nahm auch am Gomaringer Gemeindeleben rege teil, war bei geselligen Anlässen zugegen und gern gesehener Gast bei Vereinsfeiern. Die dortigen Sozialkontakte ersetzten ihm womöglich auch das familiäre Umfeld, denn Adamsohn war Junggeselle geblieben. Dass er den religiösen Wurzeln verbunden blieb, darauf verweist seine regelmäßige Teilnahme am Sabbatgottesdienst in der Tübinger Synagoge.
62-jährig zog sich Adamsohn 1925 aus dem Berufsleben zurück und übergab die Landarztpraxis seinem Nachfolger Dr. Friedrich Schilling. Fortan lebte er bescheiden in Untermiete. Der ungeschmälerte Respekt der Gomaringer war nun der Lohn für ein Vierteljahrhundert uneigennütziger Arzttätigkeit. Um so härter musste Adamsohn nach 1933 die soziale Isolierung, die Endsolidarisierung vieler seiner ehemaligen Patienten treffen. Diese beugten sich aus „Trägheit des Herzens“ dem vom nationalsozialistischen Bürgermeister Albert Sautter ausgeübten Druck und nahmen die Ausgrenzungs- und Verdrängungskampagne gegen den bislang beliebten Ortsarzt weitgehend unwidersprochen hin. Einzelne nur hielten den Sozialkontakt und versorgten etwa den Alleinstehenden mit warmen Mahlzeiten. Als dem inzwischen 79-jährigen Adamsohn 1942 die Deportation drohte, versuchte er sich das Leben zu nehmen. Als bittere Ironie mag erscheinen, dass der einstige Mediziner in wahrhafter Perversion des ärztlichen Ethos allein dazu gesund gepflegt wurde, um den Transport in die sogenannten „Todesmühlen“ antreten zu können. Vom Stuttgarter Killesberg aus wurde Adamsohn mit 1073 anderen vornehmlich württembergischen Juden am 22. August 1942 ins böhmische KZ Theresienstadt deportiert und starb dort fast unmittelbar nach der Ankunft am 1. September. Seine in Gomaringen zurückgelassene bescheidene Habe wurde von Bürgermeister Sautter registriert und verfiel der Verwertung durch den nationalsozialistischen Maßnahmenstaat.
Im kollektiven Ortsgedächtnis blieb das Andenken an den Arzt und Wohltäter noch lange Zeit erhalten. 1994 schließlich beschloss der Gomaringer Gemeinderat, mit der Benennung eines zentralen Platzes im Neubaugebiet „Wöltersäcker II“ auch öffentlich an den so traurig geendeten Adamsohn zu erinnern. Deutlich schwieriger gestaltete sich zwei Jahre später die Durchsetzung auch eines Mahnmals, das gegen den Einspruch primär aus der Generation der Zeitzeugen schließlich im Schlosshof errichtet wurde. Und schließlich verweist eine Stele des Gomaringer Geschichtslehrpfads in der Tübinger Straße auf eine von Adamsohns zeitweiligen Wohnadressen.
Quellen: Über Angiosarcome speziell über die der Niere, 1893.

Literatur: Wolfgang Sannwald, Ein Davidstern gegen das Vergessen. Die Gemeinde Gomaringen und der jüdische Ortsarzt Sally Adamsohn, in: Tübinger Blätter 83 (1996/97), 13–18.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)