Wunder, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 08.01.1874; Lauf an der Pegnitz
Sterbedatum/-ort: 24.07.1926;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Direktor des Stuttgarter Elektrizitätswerks
Kurzbiografie: 1884-1892 Humanistisches Gymnasium Nürnberg
1892-1895 Studium des Maschinenbaus in München
1896/97 Militärdienst als Einjährig Freiwilliger
1897/98 Oberpostpraktikant in München
1898-1901 Assistent am Elektrotechnischen Institut der Technischen Hochschule München
1901-1906 Oberingenieur und Abteilungsleiter am Bayerischen Gewerbemuseum in Nürnberg
1906-1913 Direktor des städtischen Elektrizitätswerks in Erfurt
1913-1926 Direktor des städtischen Elektrizitätswerks in Stuttgart
1914-1917 Militärdienst als Leiter einer Armeekraftwagenkolonne in Frankreich und Rumänien (Hauptmann)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1902 Marie (1877-1970), Tochter des Technischen-Hochschul-Professors Gottfried Asimont
Eltern: Vater: Justin Wunder (1838-1910), Chemiker und Fabrikdirektor
Mutter: Auguste Weichlein (1836-99)
Geschwister: 4 Brüder, darunter Ludwig (1878-1949), Pädagoge
1 Schwester
Kinder: 2 Söhne
3 Töchter
GND-ID: GND/1012781461

Biografie: Bernd Wunder (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 303-304

Wilhelm Wunder, als Sohn des Direktors der Nürnberger Ultramarinfabrik in Lauf geboren, verbrachte seit 1880 seine Schulzeit in Nürnberg. Nach dem Studium des Maschinenbaus war er als Assistent am Elektrotechnischen Labor der Technischen Hochschule tätig, wo er sich in die neuen Möglichkeiten dieser Technik einarbeitete. Die Tätigkeit am Bayerischen Gewerbemuseum diente dem Aufbau und der Leitung einer Elektrotechnischen Abteilung. Hauptaufgabe war die Beratung der Kommunen und die Begutachtung bei der Einführung der Elektrizitätsversorgung und der Errichtung von Elektrizitätswerken. Diese Gutachter- und Beratertätigkeit übte er auch bis zu seinem Tode aus. Daraus ergab sich der naheliegende Übergang in die Praxis und die Übernahme der Leitung des Elektrizitätswerks der 100 000-Einwohnerstadt Erfurt und ab 1913, nach dem Tod des dortigen Direktors, die gleiche Funktion in der Großstadt Stuttgart (300 000 Einwohner). Die 1895 als Aktiengesellschaft gegründeten Städtischen Elektrizitätswerke waren 1902 in städtischen Besitz übergegangen. Wunders Energie galt dem Ausbau der Elektrizitätsversorgung der Landeshauptstadt im regionalen Verbund, insbesondere als er 1917 nach einem Lazarettaufenthalt vom bayrischen Militärdienst beurlaubt wurde.
Die sprunghaft steigende Nachfrage nach elektrischer Energie und die technischen Möglichkeiten einer großräumigen Verbundwirtschaft durch Hochspannungsleitungen waren die Voraussetzungen für einen Konzentrationsprozess, in dem die zunächst aktiven Kommunen zwischen den Verstaatlichungstendenzen von Reich und Land sowie den Großkonzernen der Privatwirtschaft erdrückt zu werden drohten. In Wunders Stuttgarter Berufstätigkeit fällt der Ausbau des Elektrizitätswerkes Münster zu einem Großkraftwerk auf der Basis der Kohleverstromung. Seine Kapazität stieg von 30 Millionen kW 1913 auf 85 Millionen kW 1925/26. Seit 1915 war Münster das größte Kraftwerk im rohstoffarmen Württemberg.
In Zusammenarbeit mit dem Technischen Bürgermeister Daniel Sigloch erreichte Wunder nicht nur die Zustimmung des Gemeinderates zu den kontinuierlich steigenden Investitionen, sondern beide waren seit 1913 bemüht, über die Markungsgrenzen der Stadt hinaus Fernleitungen wie die Elektrizitätserzeugung in landesweiten Verbänden und unter Abwehr auswärtiger Konkurrenz in der Hand von Land und Kommunen zu halten. Insbesondere in der 1918/19 gegründeten Württembergischen Landeselektrizitäts-Gesellschaft bzw. AG, an der Stuttgart mit einem Drittel des Kapitals beteiligt war und deren Aufsichtsrat Wunder bis 1926 angehörte, wie auch als Vorsitzender des Verbandes der Württembergischen Elektrizitätswerke (1926) war er in Kommissionen und mit Denkschriften zugunsten eines Zusammenschlusses der Kommunalverbände der Elektrowirtschaft aktiv. Wunder gehörte mit Sigloch zu der Gruppe von Ingenieuren und Kommunalpolitikern der 1. Stunde, die die Versorgung der Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft mit elektrischer Energie weder dem Gewinnstreben der Privatwirtschaft noch einer Verstaatlichung auf Reichsebene überlassen, sondern auf kommunaler Ebene eine bürgernahe Versorgung sicherstellen wollte.
Allerdings kam es zu einer landesweiten Zusammenfassung der württembergischen Elektrowirtschaft erst im Dritten Reich 1935 bzw. 1939 und das in der staatlichen Gesellschaft der Elektrizitätsversorgung Schwaben (EVS).
Angesichts der geringen Wasserkraft im Lande hatten Wunder und Sigloch auf die Kohleverstromung gesetzt, was aber auch im Ersten Weltkrieg und während der Ruhrbesetzung zu Engpässen führte. Als das Dritte Reich Großraumwirtschaft und Wasserkraftstrom favorisierte, wurde z. B. in einem Gutachten des Reichswirtschaftsministeriums das Großdampfkraftwerk Münster als „typisches Beispiel einer Fehlinvestition“ bezeichnet und seine Stilllegung gefordert.
Wunder war Mitglied in zahlreichen Berufsverbänden, so im württembergischen Bezirk des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und in dem Württembergischen Elektrotechnischen Verein, dessen Vorsitzender er zeitweilig war. Seine Freizeit widmete Wunder, der seit seinem Studium Mitglied des Akademischen Alpenvereins München war, nach dem Vorbild seines Vaters der Bergsteigerei, wobei ihm in den Tiroler Alpen mehrere Erstbesteigungen bzw. -begehungen gelangen. Im Wilden Kaiser erhielt die Route vom Scharlinger Boden zum Sonneneck nach ihm und seinem Vater die Bezeichnung „Wunderweg“. Streng gegenüber seinen Untergebenen wie gegen sich selbst arbeitete Wunder buchstäblich bis zum letzten Atemzug, als ihn eine Krebserkrankung frühzeitig aus dem Leben riss.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in: Gebauer (vgl. Lit.).

Literatur: Hellmut J. Gebauer, F. Wunder K. Wunder 1874-1926, 1989; 25 Jahre Städtische Elektrizitätswerke Stuttgart, 1927; Wolfgang Leiner, Geschichte der Elektrizitätswirtschaft in Württemberg, Bd. 2, 1985; Jürgen Gysin, Das Ringen um die Organisation der württ. Stromversorgung in der Zwischenkriegszeit. Die Kommission für Elektrogroßwirtschaft, in: Wirtschaft – Gesellschaft – Stadt, FS Bernhard Kirchgässner, hg. von Hans Peter Becht und Jürgen Schadt, 1998, 307-318; Bernhard Stier, Württembergs energiepolitischer Sonderweg. Kommunale Stromselbsthilfe und staatliche Elektrizitätspolitik 1900-1950, in: ZWLG 54 (1995), 227-279.
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