Adam, Alexander Franz 

Geburtsdatum/-ort: 24.11.1853;  Bruchsal
Sterbedatum/-ort: 10.06.1917;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Chorleiter und Komponist
Kurzbiografie: 1859–1863 Volksschule, seit 1860 in Karlsruhe
1863–1866 Lyceum (heute Bismarck-Gymnasium) Karlsruhe
1871–1876 Polytechnikum (heute Univ.) Karlsruhe
1876–1879 Konservatorium (heute Musikhochschule) Stuttgart
1880(?)–1883 Fortsetzung des Musikstudiums an d. Königl. Hochschule für Musik (heute Univ. d. Künste) Berlin
1883 Kapellmeister am Stadttheater Würzburg
1883–1914 bis 1886 Vereinsdirigent verschiedener Chöre in Karlsruhe, dann bis 1891 in Konstanz u. Freiburg
1914 VII. 9. Musikprofessor h. c. aus Anlass des 57. Geburtstages von Großherzog Friedrich II. von Baden
1914 –1917 Ruhestand in Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., später ev.
Verheiratet: 1887 Eugenie, geb. Rosenfeldt (1861–1925)
Eltern: Vater: Joseph Alexander (1825–1884), Oberrechnungsrat
Mutter: Anna Mathilde, geb. Bühler (1831–1909)
Geschwister: Anna (1854 –1936)
Kinder: Alexander (1888–1915), Dr. phil. nat., Lehramtspraktikant
GND-ID: GND/116006404

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 1-3

Auf die in den deutschen Ländern des 19. Jh.s allenthalben aufgekommene Sängerbewegung hat Adam in seiner bad. Heimat vor allem als Leiter weltlicher und kirchlicher Chorvereinigungen gestaltenden Einfluss genommen. Als Komponist einer Reihe beachtlicher Chor- und Orchesterwerke hat er auch überregionale Bedeutung erlangt.
Die Eltern Adams stammten aus Offenburg; er selbst wurde in Bruchsal geboren, wo sein Vater kurzfristig als Kommunalpraktikant angestellt war. Einige Jahre seiner Kindheit verbrachte er in Freiburg, bis die Familie 1860 dauerhaft nach Karlsruhe kam. Seit 1863 war er dort Schüler am humanistischen Gymnasium, das er jedoch schon während der Untertertia im Dezember 1867 verließ. Sein weiterer schulischer Werdegang ist nicht bekannt. Tatsache ist, dass er von 1871 bis 1876 ein Studium der Ingenieurwissenschaft am Polytechnikum in Karlsruhe absolvierte, das damals noch nicht zwingend das Abitur voraussetzte. Dann erst erfüllte er sich seinen innigsten Wunsch und studierte am Stuttgarter Konservatorium (1877/79) und dann in Berlin Musik. Seine musikalische und kompositorische Förderung verdankte er dort vor allem seinem Lehrer Friedrich Kiel (1821–1885). Nach dessen Ernennung zum Leiter der Kompositionsabteilung der Hochschule sowie der Meisterklasse der Akademie der Künste war Adam 1882/83 Schüler seiner Meisterschule für Komposition. Doch muss er sein Studium in der Reichshauptstadt bereits früher aufgenommen haben, weil er dort nachweislich zweimal Mozartstipendiat war (Frank-Altmann).
Die 1883 am Würzburger Stadttheater begonnene Laufbahn als Kapellmeister war nur von kurzer Dauer. Der Opernbetrieb an dieser verhältnismäßig kleinen Bühne vermochte Adam kaum zu befriedigen, und so wandte er sich noch im selben Jahr der Tätigkeit eines Chorleiters zu, der er lebenslang treu blieb. Er tat dies zunächst in Karlsruhe, wo in der Zeit von 1860 bis 1880 durch die Gründung verschiedener Gesangsvereinigungen ein wichtiger Beitrag zur Pflege des volkstümlichen Chorgesangs im städtischen Bürgertum geleistet worden war. Adam selbst hat dort zwischen 1883 und 1886 den „Liederkranz“, den „Cäcilienverein“ und den „Instrumentalverein“ geleitet und sich so schon in jungen Jahren sowohl dem weltlichen Chorgesang als auch der Kirchen- und Orchestermusik zugewandt. Nicht eindeutig klären lässt sich, ob Adams Gang nach Konstanz (1886) in Zusammenhang gebracht werden muss mit dem polnischen Kiel-Schüler Zygmunt Noskowski (1846–1909), der auf Grund einer Empfehlung seines Berliner Lehrers 1876/80 die Konstanzer Sängerrunde „Bodan“ leitete.
Zum Jahresende 1886 wurde Adam „Musikdirektor“ dieser Chorvereinigung, die sich unter seiner Leitung erstaunlich rasch profilieren konnte. Das ursprünglich vertrauensvolle Einvernehmen zwischen Vorstand und Chorleiter kühlte sich jedoch schon nach wenigen Jahren ab, da man ihm trotz beachtlicher Erfolge mit dem Chor zunehmend mangelndes Engagement vorwarf.
Ungemach besonderer Art erwuchs Adam aus der gleichzeitig wahrgenommenen Tätigkeit an der Pfarrei St. Stephan. Auf die dort 1887 frei gewordene Stelle als Organist und Chorleiter hatte er sich „recht knapp und selbstbewusst“ (Schumann) beworben. Für eine Anstellung bei der kath. Kirche belastend war jedoch die Ehe mit seiner ev. Frau vor der Bad. Landeskirche. Zwar wurde dieses Hindernis durch eine nochmalige Trauung vor einem kath. Geistlichen und eine Erklärung der Ehegatten über die kath. Taufe und Erziehung der Kinder aus dem Weg geräumt, doch stand Adam weiterhin in der Schusslinie der Kritik, vorab des politischen Katholizismus. So hielt man ihm u. a. vor, in den 1870er Jahren zum Altkatholizismus übergetreten zu sein. Der Konfessionswechsel ist tatsächlich für sein ganzes Elternhaus dokumentiert. Aber seine Gegner wussten ihn noch empfindlicher zu treffen. Unter Berufung auf die damals im dt. Katholizismus stark vertretene Bewegung des „Cäcilianismus“, die sich zum Ziel gesetzt hatte, durch eine weitgehende Abwendung von der modernen Entwicklung die „reine“ kirchliche Musik wieder herzustellen, warf man Adam vor, in der Messliturgie die gesanglichen Vorschriften der Kirche zu ignorieren und insbesondere auch mit Blick auf seine eigenen Kompositionen einen Musikstil in den Gottesdienst einzuführen, der sehr wohl in den Konzertsaal oder in das Theater, nicht aber in die Kirche passe (Schumann). Obwohl Adams Messe op. 46 und ihre mustergültige Aufführung zum Kirchenpatrozinium 1888 bei den Gläubigen großen Anklang gefunden und auf Bitten seines Pfarrherrn – kein Geringerer als J. G. Rheinberger (1839–1901) – sie aus der Sicht des „Cäcilianismus“ positiv beurteilt hatte, verstummte die Kritik nicht, so dass Adam nicht länger gewillt war, in Konstanz zu wirken. In Freiburg bewarb er sich 1891 mit Erfolg um die Dirigentenstelle beim Musikverein, der ein Jahr zuvor aus dem Zusammenschluss des von H. Dimmler (BB VI 557) geleiteten Philharmonischen Vereins und des Chorvereins gegründet worden war. Außerdem wurde ihm 1892 die Leitung des Freiburger Männergesangvereins (FMGV, gegr. 1883) übertragen.
In seiner Funktion als Gesangs- und Orchesterleiter hatte Adam die Möglichkeit, seine Konzerte nach dem Geschmack der Zeit zugleich mit chorischen und instrumentalen Beiträgen auszurichten, wobei gelegentlich neben ihm selbst solistisch auch seine Frau als Pianistin mitwirkte. Unter dem festen Repertoire waren immer auch Werke der großen Klassiker von Haydn und Mozart über Schubert und andere Romantiker bis H. Wolf und M. Reger vertreten. Er nahm aber auch eigene Kompositionen in das Programm auf, neben seinen Chorsätzen u. a. 1900 erstmals und danach erneut 1903 das Oratorium „Jos Fritz“ und 1910 „König Enzios Tod“, zu denen Maidy Koch (BWB IV 184) das Textbuch verfasst hatte. Auch außerhalb Badens, so in Metz und Ludwigshafen, kamen diese Werke zur Aufführung. Einen überregionalen Bekanntheitsgrad konnte Adam 1903 auf dem VII. Bad. Sängerbundesfest in Mannheim erzielen. Neben der „Concordia“ Lahr und der „Freundschaft“ Pforzheim wurde in der Abteilung „Kunstgesang“ dem FMGV unter seiner Leitung mit Friedrich Hegars „Totenvolk“ ein erster Preis zuerkannt.
Mit Blick auf seinen Kompositionsstil war Adam nachhaltig von seinem ehemaligen Lehrer F. Kiel geprägt; in Anlage und Entfaltung noch seiner späten Werke ist dessen Einfluss unverkennbar. Da die moderne Musikästhetik die ernste, kontrapunktisch gediegene Kunstübung als nicht mehr zeitgemäß abtat, waren Adams Kompositionen gerade in den fortschrittlichen Kreisen umstritten und stießen häufig auf Ablehnung (G. Wille-Helbing). Tatsache ist, dass Adam durchaus auch für das Neue aufgeschlossen war. Die große Wagner-Begeisterung im Karlsruhe seiner Jugendzeit hat auch ihn in ihren Bann gezogen, und dass auch er diesem großen Vorbild nacheiferte, haben ihm vor allem die Kritiker seiner kirchenmusikalischen Kompositionen in Konstanz bescheinigt. Erstaunlich, dass man im Diözesan-Cäcilien-Verband der Erzdiözese Freiburg noch im Jahre 1982 den „theatralischen“ Charakter seiner Orchestermesse“ zum Stephans-Patrozinium (1888) inkriminierte (W. Hug).
Adam hat eine größere Zahl von Kompositionen hinterlassen, ein Werkverzeichnis jedoch liegt nicht vor. Besonders erschwerend für eine auch nur rudimentäre Auflistung seiner an verschiedenen Stellen zitierten Kompositionen ist, dass bei den meisten das Entstehungsjahr nicht angegeben ist. Eine systematische Erfassung seiner Vertonungen muss daher ein Desiderat künftiger Adam- Forschung bleiben.
Adams besondere Neigung galt zeitlebens der geistlichen Musik, wobei er hauptsächlich den A-cappella-Gesang der alten Meister, allen voran Palestrina, schätzte. Grund genug für ihn, sich auch in Freiburg als Chordirigent in den kirchlichen Dienst zu stellen. Er tat dies nach seinem erneuten Konfessionswechsel zeitweilig als Kantor der ev. Paulus-Pfarrei.
Ein langjähriges körperliches Leiden zwang Adam im Jahre 1914, seine vielseitigen Funktionen im Freiburger Musikleben, so auch die Leitung des Freiburger Männergesangvereins, niederzulegen. Der Tod des einzigen Sohnes bei Usnik im ostpolnisch-weißrussischen Kampfgebiet (1915) hat seinen Lebenswillen vollends gebrochen. Neben anderen Vertretern des bad. Chorgesangs widmete ihm der langjährige Präsident des FMGV Constantin Fehrenbach (➝ III 79) einen Nachruf bei der Beerdigung.
Quellen: StAF Not. Reg./Abt. IV AZ Nr. 32625, Nachlassakte Eugenie Adam, geb. Rosenfeldt; Mitteilungen des StAL vom August 2007, des GLA Karlsruhe vom September 2007, der StadtAA Bruchsal vom Februar 2007,Freiburg u. Offenburg vom Juli 2007, Karlsruhe vom
August 2007, Konstanz von August u. November 2007, Würzburg vom September 2007 u. Mannheim vom Januar 2008 sowie d. Univ.AA Freiburg vom Juni 2007, Karlsruhe vom August 2007, d. Staatl. Hochschule für Musik u. Darstellende Kunst Stuttgart vom August 2007, d. Akademie d. Künste Berlin vom September 2007, des BA-MA Freiburg vom September 2007, d. Altkath. Gemeinde Karlsruhe vom Oktober 2007, d. Friedrich-Kiel-Gesellschaft Coppenbrügge vom September 2007, des Bad. Sängerbundes Karlsruhe von November 2007 u. Januar 2008 u. von Wolfgang Müller- Fehrenbach, Konstanz, vom Dezember 2007.
Werke: Hinweise in Nachlassakte Eugenie Adam-Rosenfeldt (vgl. Quellen), bei F. Baser (vgl. Literatur), bei Chr. Schumann (vgl. Literatur); zu den Chorsätzen vornehmlich in den Jahresberr. des FMGV (vgl. Literatur). – Auswahl: Jos. Fritz. Oratorium für Solostimmen, Chor u. Orchester, 1900; König Enzios Tod. Oratorium für Solostimmen, Chor u. Orchester, 1910; ferner in verschiedenen Programmankündigungen u. Kritiken d. lokalen Presse Konstanz, 1886–1891, u. Freiburg, 1892–1917.
Nachweis: Bildnachweise: Ekkhart 1939, 111.

Literatur: FMGV Jahresberichte, 10. – 35. Vereinsjahr, 1892– 1917, passim; Bad. Sängerbundesfest in Mannheim (1903), in: Mannheimer Generalanzeiger vom 2. 6. 1903, 2–5; König Enzios Tod (Textbuch). Geleitwort von G. Wille-Helbing, 1910; C. Fehrenbach, Trauerrede vom 13.6.1917, in: Freiburger Ztg. Nr. 159 vom 14. 6. 1917, 2 f.; F. Baser, Alexander Adam. Chorleiter, Musikerzieher u. Tondichter (1853–1917), in: Ekkhart, 20. Jg. 1939, 111–114; Frank–Altmann, Kurzgefasstes Tonkünstler-Lexikon. Für Musiker u. Freunde d. Musik, hgg. von P. Frank u. W. Altmann, 151971, 3; W. Hug, Der Diözesan-Cäcilien-Verband d. Erzdiözese Freiburg 1982, 19; Alexander Adam (1. 10. 1887–31. 1. 1890). Der Kulturkampf u. die Altkatholiken, in: Musica Sacra an St. Stephan zu Konstanz, hg. von Chr. Schumann, 1991, 45–50.
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