Kahn, Robert August 

Geburtsdatum/-ort: 21.07.1865;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 29.05.1951; Biddenden (Grafschaft Kent, Großbritannien)
Beruf/Funktion:
  • Komponist
Kurzbiografie: 1882 Abschluß der Gymnasialzeit nach Absolvierung der Unterprima. Im Oktober Beginn des Musikstudiums an der „Königlichen akademischen Hochschule“ in Berlin bei Friedrich Kiel, Waldemar Bargiel und Ernst Rudorff
1885 Fortsetzung des Studiums in München bei Josef Rheinberger
1886 13. Februar erste Begegnung mit Johannes Brahms in Mannheim
1887 März-Juli Aufenthalt in Wien
1887/88 Militärdienst im Dragonerregiment Prinz Karl in Mannheim, erreichter Dienstgrad: Gefreiter
1890-93 freier Komponist in Leipzig
1893 Oktober Übersiedlung nach Berlin, Ruf an die „Akademische Hochschule für Musik“ zunächst als stellvertretender Lehrer für Klavierspiel
1896 Lehrer für Zusammenspiel, ab 1898 für Theorie und Komposition
1903 Ernennung zum Prof.
1916 Mitglied der Preussischen Akademie der Künste, Berlin
1917 Wahl zum Senator der Preussischen Akademie der Künste, Berlin
1926 Mitglied der Kommission für das „Volksliederbuch für die Jugend“
1931 Mitglied der „Musikalischen Sachverständigenkammer“, Umzug nach Feldberg (Mecklenburg)
1939 Emigration nach England
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1900 Katharina, geb. Hertel, Enkelin des Komponisten Peter Hertel
Eltern: Vater: Bernhard Kahn (1827-1905), Fabrikant, Bankier und Stadtrat in Mannheim
Mutter: Emma, geb. Eberstadt (1840-1906), Tochter des ersten jüdischen Bürgermeisters von Worms
Geschwister: 7:
Franz Michael (1861-1904)
Clara Maria (geb. 1863)
Otto Hermann (geb. 1867 Mannheim, gest. 1934 New York)
Franziska Elisabeth genannt Lilli (geb. 1869 Mannheim)
Paul Friedrich (geb. 1870 Mannheim, gest. 1947 Athen)
Felix Paul (geb. 1873 Mannheim)
Hedwig (geb. 1876 Mannheim)
Kinder: 3:
Thea (geb. 1901)
Hanna (geb. 1902)
Irene (geb. 1906)
GND-ID: GND/116024097

Biografie: Burkhard Laugwitz (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 139-141

Kahns Eintrag von 1916 in den Personalnachrichten für das Archiv der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin unter der Rubrik „Bemerkungen“, „Mein äußerer Lebenslauf bietet so wenig Interesse, daß ich den vorstehenden Angaben nichts hinzuzusetzen habe“ ist kennzeichnend für seine bescheidene Art. Seit 1894 in Berlin lebend, gehörte Kahn zum festen Bestandteil des Musiklebens der Reichshauptstadt, als Pianist, Liedbegleiter und Mitglied der „Kammermusikvereinigung der königlichen Kapelle“, wie als Komponist und Professor an der „Königlichen Hochschule für Musik“.
Geboren als drittes von acht Kindern in Mannheim, stand Kahn in einer bemerkenswerten Geschwisterreihe.
Sein Bruder Otto, um die Jahrhundertwende einer der einflußreichsten Bankiers Amerikas und durch Eisenbahnfinanzierung zu Ansehen und Vermögen gekommen, war jahrelang als Präsident und Finanzier der „Metropolitan Opera“ in New York entscheidend für das Kulturleben in Amerika.
Seine Schwester Lilli – verheiratet mit dem zeitweiligen AEG-Vorstandsvorsitzenden Felix Deutsch – machte ihr Haus in Berlin zu einem Zentrum des Gesellschafts- und Kulturlebens. Befreundet mit Gerhart Hauptmann, förderte sie Richard Strauß und wurde die engste Vertraute Walter Rathenaus.
Paul Friedrich – ebenfalls ein enger Freund Hauptmanns und zeitweilig dessen Sekretär – schuf durch seine Sammlung von Briefen Rathenaus die Grundlage für die erste Ausgabe der Rathenaubriefe 1926.
Der älteste Bruder Franz war ein bedeutender Rechtgelehrter auf dem Gebiet des internationalen Privatrechtes, dessen umfangreiche Bibliothek nach seinem frühen Tod Eingang fand in die Universitätsbibliothek Kiel und noch heute seinen Namen trägt.
Alle Kinder waren geprägt von der kunstsinnigen Atmosphäre, die im Elternhause herrschte, wo Konversationsabende, in denen man Heine, Schiller, Goethe und Shakespeare las, ebenso zum Alltag gehörten, wie die Hauskonzerte. So war es auch klar, daß man die führenden Persönlichkeiten des Mannheimer Musiklebens als Lehrer für die Kinder gewann. Schon früh erhielt Kahn seinen ersten Klavierunterricht durch Ernst Frank, von 1872 bis 1877 Hofkapellmeister am Nationaltheater in Mannheim. Später übernahm Emil Paur – 1880 bis 1889 in gleicher Funktion wie Frank am Nationaltheater – diese Aufgabe. Den theoretischen Unterricht für den Gymnasiasten erteilte Vincenz Lachner, der über 30 Jahre das Musikleben in Mannheim bestimmt hatte. In der Zeit, wo er Kahn unterrichtete, war er bereits in Karlsruhe, kam aber wöchentlich nach Mannheim, um den Unterricht zu erteilen. Nach Kahns eigenem Bekunden verdankte er Lachner die Grundlage seiner sicheren Kompositionstechnik. Daß dieser Unterricht bei dem Antiwagnerianer Lachner so prägend war, hatte dann wohl auch zur Folge, daß sich Kahn als Ort seines Musikstudiums die Hochburg der Traditionalisten aussuchte: Die „Königliche akademische Hochschule“ in Berlin. Hier wurden die Lehrer Friedrich Kiel, Woldemar Bargiel und Ernst Rudorff seine Mentoren. Auch als er zur Fortsetzung seines Studiums nach München ging, wählte er Josef Rheinberger zu seinem Lehrer – ebenfalls einen Traditionalisten.
Zu der einschneidensten und wohl bedeutensten Begegnung für den jungen Komponisten wurde jedoch die vom 13. Februar 1886 im Hause seiner Tante Berta Hirsch mit Johannes Brahms. Brahms, dessen Werke Kahn schon von früher Kindheit an kannte, gehörten doch seine Eltern einem Brahmszirkel an, der sich im Hause eines Mannheimer Musikalienhändlers und -verlegers traf, um durch das Spielen von Brahms-Werken diese kennenzulernen, wurde zum Idol Kahns.
Die Mannheimer Begegnung trug Kahn die Einladung von Brahms ein. So reiste Kahn im Frühjahr 1887 nach Wien, um dort für einige Wochen zur Jüngerschar des Meisters zu gehören. Ob es Kahns Zimmersuche war, bei der Brahms half, das tägliche gemeinsame Abendessen oder die berühmten Spaziergänge; Kahn wurde geprägt von dieser Begegnung. Noch nach Jahrzehnten dachte er voller Dankbarkeit an die vielen Begegnungen, die er auch in den späteren Jahren noch mit Brahms hatte.
Ein Freund von Brahms, der international renomierte Geiger Josef Joachim, wurde zum großen Förderer des jungen Komponisten, indem er selbst verschiedene Kammermusikwerke Kahns uraufführt. Auch Clara Schumann ist von Kahn überzeugt. Notierte sie doch in ihr Tagebuch „... da ist Leidenschaft, Wärme, Anmut ... nur lehnt er sich sehr an Brahms und Schumann, doch das schadet nichts, wenn es mit so viel eigenem Talent geschieht.“ Und in der Tat, Kahns Sprache ist die der Spätromantiker; von Mendelssohn, Schumann und natürlich Brahms beeinflußt. Kahn war kein Neuerer, wenngleich seine zeitlich späteren Werke eine immer stärkere Eigensprachlichkeit entwickelten. Die Werke wurden gelobt wegen ihres ausgesprochenen Formsinnes und der Natürlichkeit ihrer melodischen Empfindungen. Kammermusik, Lieder und Chöre waren Kahns Gattungen. Ein offensichtlich kurzer Kontakt als Korrepetitor zum Leipziger Stadttheater, an welchem sein ehemaliger Mannheimer Lehrer Emil Paur erster Kapellmeister war, fanden keinen Niederschlag im Schaffen Kahns. Kein einziger Kompositionsversuch einer Oper ist bekannt. Auch für Orchester hat Kahn gerade drei Werke geschrieben: Eine Orchester-Serenade, die, 1890 unter Hans von Bülow von dem „Philharmonischen Orchester“ in Berlin uraufgeführt, von der Presse keine große Aufnahme fand (sie blieb unveröffentlicht), ein Konzertstück für Klavier und Orchester und ein Chor mit Orchesterbegleitung.
Die Berufung Kahns nach Berlin als Hochschullehrer eröffnete ihm ein ganz neues Tätigkeitsfeld. Wurde er doch hier zum verehrten Mentor einer ganzen Musikergeneration. So zählten zu seinen Schülern der Komponist Günter Raphael, der Dirigent Ferdinand Leitner und der Pianist Wilhelm Kempff. Mit letzterem verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Wenige Tage vor Kahns Emigration trafen sich beide Freunde noch ein letztes Mal. Kempff hatte noch versucht, durch seine Beziehungen zu politischen Kreisen, dem über 70jährigen das Los der Emigration zu ersparen. Doch auch das half nichts. Buchstäblich in letzter Minute, Anfang 1939 (!) verließ Kahn Deutschland und emigriert nach England. Hier schrieb er noch weiter an seinen unveröffentlichten „Tagebücher in Tönen“, einer Sammlung von kleinen Klavierstücken, begonnen in der inneren Emigration in seinem „Haus Obdach“ – so benannt nach dem von ihm geschriebenen Lied op. 6, Nr. 5 „Ein Obdach gegen Sturm“ – in Feldberg (Mecklenburg).
Werke: Kammermusiken in div. Besetzungen, Lieder, Chöre (Werkverzeichnis in: MGG 7, 1958, 427 f.; Erinnerungen an Joh. Brahms, veröffentl. in: Mannheimer Hefte 1986/1; Das Orchester 6/1986 Schott-Verlag.
Nachweis: Bildnachweise: Mannheimer Hefte 1986/1, Das Orchester 6/1986; StadtA Mannheim

Literatur: Wilhelm Altmann: R. Kahn, in: Die Musik IX, 1909/10; Ernst Radecke, R. Kahn, Leipzig 1894; A. Kohut, Berühmte israelitische Männer u. Frauen, 1900; Richard Schaal, R. Kahn, in: MGG 7, 1958, 427ff.; Thomas-M. Langner, R. Kahn, in: NDB 11, 1977, 23f.; Wilhelm Kempff, Unter dem Zimbelstern, R. Piper 1985, 54 ff., Burkhard Langwitz, R. Kahn, ein vergessener Mannheimer Komponist, in: Mannheimer Hefte 1986/1, 15 ff.; J. Ph. Heid, R. Kahn als Chorkomponist, in: Der Chormeister II, 1926.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)