Altherr, Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 11.04.1878; Basel
Sterbedatum/-ort: 27.04.1947; Zürich
Beruf/Funktion:
  • Direktor der Stuttgarter Kunstakademie
Kurzbiografie: 1878–1898 in Basel, Besuch der oberen Realschule und der Kunstschule von Fritz Schider
1899–1901 Besuch der privaten Malschule von Heinrich Knirr, München
1902 mit Carl Burckhardt in Rom
1902–1906 freier Maler in Basel
1906–1913 freier Maler in Karlsruhe
1913–1939 Prof. für Malerei und Kompositionslehre an der Stuttgarter Kunstakademie
1919–1921 Direktor der Stuttgarter Kunstakademie
1939 aus politischen Gründen entlassen
1939–1947 in Basel und Zürich tätig
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1918 (Stuttgart) Wilhelmine Fauser, Tochter des Geheimen Sanitätsrates A. Fauser in Stuttgart
Eltern: Vater: Alfred Altherr (1843–1918), Pfarrer in Basel
Mutter: Henriette, geb. Pfenninger
Geschwister: Alfred Johann Altherr (1875–1945), 1. Direktor des Kunstgewerbemuseums in Zürich
Kinder: Rita Gabriele (geboren 1920)
GND-ID: GND/116294353

Biografie: Nils Büttner (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 2-4

Eine erste Hinführung zur Bildenden Kunst bedeutete der Besuch der Zeichen- und Modellierschule von Fritz Schider im heimischen Basel. Von ersten Erfolgen ermutigt, hatte Altherr sich gemeinsam mit seinem Freund, dem Maler und Bildhauer Carl Burckhardt, an der Münchener Akademie beworben. Dort abgelehnt, besuchte er von 1899 bis 1901 die private Malschule von Heinrich Knirr in München. Das Jahr 1902 verbrachte er in Rom, ein privater Aufenthalt, den er in seinem offiziellen Lebenslauf als „Lehrgang“ wertete. Ins heimische Basel zurückgekehrt, war er vor allem als Porträtist tätig, was bis zum Jahr 1905 sein zentrales Betätigungsfeld und seine wichtigste Einnahmequelle blieb. Daneben entstanden seit 1900 erste figurale Kompositionen, in denen der Einfluss Hans von Marées genauso spürbar ist wie die Auseinandersetzung mit Ferdinand Hodler. 1906 ließ Altherr sich als freier Maler in Karlsruhe nieder. Dort schloss er sich Hans Thoma und Wilhelm Trübner an und verlegte sich auf großformatige Figurenkompositionen. In den folgenden Jahren machte er sich als Maler einen Namen, wobei er sich intensiv mit den künstlerischen Strömungen der Zeit auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang darf auch eine 1911 unternommene Reise nach Paris nicht unerwähnt bleiben, wo Altherr sich mit dem französischen Impressionismus sowie mit Werken von Paul Cézanne und Puvis de Chavannes auseinandersetzte. Auch durch die in Karlsruhe erfahrenen Anregungen formte sich dort in den acht Jahren bis 1913 sein ganz eigener malerischer Stil. Neben Gemälden und Wandbildern entstanden Entwürfe für Glasfenster und Mosaiken. Sie alle zeichnen sich durch ausdrucksstarke, monumentale Figuren aus. Die spannungsgeladenen Kompositionen sind zumeist sowohl koloristisch als auch durch starke Licht- und Schattengegensätze gegliedert. Thematisch spannt sich der Bogen von religiösen Motiven bis zu gänzlich subjektiven Visionen von Leiden und Qualen der menschlichen Existenz.
1913 wurde Altherr als Nachfolger Friedrich von Kellers an die Stuttgarter Kunstakademie berufen, was von der deutschen Kunstwelt allgemein als Bekenntnis zur Moderne wahrgenommen wurde. Zwischen den Impressionisten Christian Landenberger und Robert Breyer auf der einen Seite und dem von kunsttheoretischen Überlegungen getragenen Avantgardismus Adolf Hölzels auf der anderen, vertrat Altherr hier einen figürlichen Expressionismus. Als Lehrer wurde er für die gegenständliche Malerei im deutschen Südwesten zu einer Leitfigur. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 brachte den Lehrbetrieb an der Stuttgarter Akademie fast gänzlich zum Erliegen. Altherr arbeitet an einer Serie von Wandbildern für den Senatssaal der Universität Zürich, die 1917 fertiggestellt wurden. In diesem Jahr heiratete er Wilhelmine Clementine Fauser, 1920 wird die Tochter Rita Gabriele geboren. Auch über den Ersten Weltkrieg hinaus blieb Altherr der künstlerischen Erneuerung verpflichtet. 1923 gründet er zusammen mit Reinhold Nägele, Bernhard Pankok und anderen die „Stuttgarter Sezession“. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung stieß Altherrs expressiver Monumentalstil zunehmend auf Ablehnung. So wurde er von der im September 1936 vom Rektor der Stuttgarter Akademie zusammengestellten Liste der württembergischen Künstler, die an der Eröffnungsausstellung im Münchener Haus der Kunst teilnehmen sollten, als „politisch ungeeignet“ gestrichen. Pazifistische Äußerungen taten ein Übriges, Altherr den neuen Machthabern verdächtig zu machen. Zwar erhielt er im Januar 1939 auf Weisung Hitlers eine Belobigung und das Treuedienstehrenzeichen, doch wurde er wenig später aus dem Amt entlassen. Altherr zog sich in die Schweiz zurück, wo er bis zu seinem Tod erfolgreich in Basel und Zürich tätig war.
Quellen: Archiv der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart; HSTAS E 140 Bü 67: Akademie der Bildenden Künste, Verzeichnis der Lehrkräfte; Archiv der Stiftung Fritz von Graevenitz B Briefe 1930–1939: 8.2.1939, Altherr an von Graevenitz; StAL K 746, Bü 152: 9.9.1936, Hans Spiegel an das Haus der Deutschen Kunst München.
Werke: (Auswahl) Basel, Kunstmuseum: Die Schiffbrüchigen, Öl auf Leinwand, 1928; Der Unentwegte, Öl/Leinwand, 1934; Bildnis des Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin, Öl auf Leinwand, 1939. Karlsruhe, Kunsthalle: Bildnis Prof. Dietsche, Öl auf Leinwand, 1906. Stuttgart, Staatsgalerie: Resignation, Öl, 1908; Alarm, Öl/Leinwand, 1928/1943. Darüber hinaus: Glasgemälde (Paulskirche Darmstadt), Wandbilder (Senatssaal Univ. Zürich), Mosaiken (Pauluskirche Basel) und Fresken (Friedenskirche Heilbronn, Hörnlifriedhof Riehen, StA Basel); Erläuterungen zu meinen Bildern o. J.

Literatur: W. Überwasser/W. Braun, Der Maler Heinrich Altherr, sein Weg und Werk, 1938; W. Nigg, Maler des Ewigen, Bd. II, 2. Aufl. 1961, 253 ff.; H. Borst, Die Sammlung Hugo Borst in Stuttgart, 1970; H. Heissenbüttel, Stuttgarter Kunst im 20. Jahrhundert, 1979, 73; R. Zimmermann, Die Kunst der verschollenen Generation, 1980, 341, 348, 362, 370, 372, 385, 388, 396; Bert Schlichtenmaier, Heinrich Altherr, 1878–1947/Carl Hofer, 1878–1950, Gemälde, Zeichnungen, 1990; Heinz Höfchen, Heinrich Altherr, in: Saur allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 2, 1992, 696; Heinrich Altherr, 1878–1947, Ausstellungskatalog, Städtische Galerie, 1994; Nils Büttner/Angela Zieger (Hgg.), Rücksichten. 250 Jahre Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, 2011, 90 f., 98, 108 f.
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