Rosenberg, Marc 

Geburtsdatum/-ort: 22.08.1851; Kamienic-Podolskij (Rußland)
Sterbedatum/-ort: 04.09.1930;  Baden-Baden, begraben in Würzburg
Beruf/Funktion:
  • Kunsthistoriker und Sammler
Kurzbiografie: Jugend in St. Petersburg und Paris. Studium in Bonn und Heidelberg
1877 Promotion in Heidelberg bei dem Archäologen Karl Bernhard Stark, Thema: Der Hochaltar im Münster zu Altbreisach, Heidelberg 1877. Assistent am Kunstgewerbemuseum Leipzig
1883 Privatdozent für die Geschichte des Kunsthandwerks an der Technischen Hochschule Karlsruhe
1887 außerordentlicher Prof.
1891 Ritterkreuz I. Klasse des Zähringer Löwenordens (seit 1906 mit Eichenlaub)
1893 ordentlicher Honorarprof. für dekorative Malerei, Kunstgewerbe und Kleinkunst. Dr.-Ing. e. h. der Technischen Hochschule Karlsruhe
1903 Badischer Hofrat
1906 Ritterkreuz des russischen St. Annen-Ordens
1908 Geheimer Hofrat
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1. Minna, geb. von Neuschotz (gest. 1880)
2. 1882 (Hamburg) Mathilde, geb. Warburg (1863-1922)
Eltern: Vater: Hessel Marcowitsch Rosenberg (1818-1884)
Mutter: Eleone, geb. Günzburg (1819-1905)
Geschwister: 6
Kinder: 3 (1 Sohn, 2 Töchter)
GND-ID: GND/116622423

Biografie: Johann Michael Fritz (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 240-242

Nur selten widerfährt es einem Wissenschaftler, daß sein Lebenswerk, für das er viel Herzblut und finanzielle Mittel geopfert hatte, noch Jahrzehnte nach seinem Tod allen Kundigen, seien sie Museumsbeamte, Denkmalpfleger, Kunsthändler oder Sammler, unter dem Kürzel R 3 vertraut und nach wie vor unentbehrlich ist. Dabei handelt es sich keineswegs um ein spannend zu lesendes Buch der Kunstgeschichte, sondern um ein überaus sprödes, aber ungemein nützliches Nachschlagewerk, mit dessen Hilfe sich – wie es im Titel heißt – „Der Goldschmiede Merkzeichen“, also vor allem Stadtbeschau und Meistermarke, entschlüsseln lassen. Die vier Bände bestechen durch ihre vorzügliche Systematik und vorbildliche Typographie, die sich bei der Originalausgabe von 1922/28 erheblich besser als bei dem verkleinerten Nachdruck erkennen läßt.
Die erste Auflage erschien 1890 mit einer Auswahl von 2 000 Marken, die zweite, nun mit 6 000, folgte 1911. Im Vorwort schreibt der Verfasser: „wenn man mir weiterhin die Ehre erweisen will, meine ,Merkzeichen' mit einem einfachen R anzuführen, würde ich vorschlagen, beispielsweise die Nr. 301 der zweiten Auflage mit R2 zu citieren“. Für die dritte Auflage, nun als R3 zitiert, hatte der Autor an die 20 000 Goldschmiedearbeiten in Händen gehabt.
Die gründliche Kenntnis von Originalen hatte zu der Einsicht geführt, daß ohne Wissen um das Handwerkliche der künstlerische Entstehungsprozeß nicht zu verstehen und eine angemessene kunsthistorische Bewertung unmöglich sei. Rosenbergs „Geschichte der Goldschmiedekunst auf technischer Grundlage“, von 1910-1922 in mehreren Bänden veröffentlicht, ist zwar ein Torso geblieben, aber, wie der Nachdruck von 1972 belegt, immer noch von größtem Nutzen. Der Verfasser scheute sich nicht, aufbauend auf einer immensen Denkmälerkenntnis, Werke aus allen Kulturen Europas und des nahen Ostens, aus Ägypten, Troja, Mykene, der griechischen, etruskischen und römischen Antike einzubeziehen, naturwissenschaftliche Untersuchungen anstellen zu lassen und ausgewählte Objekte in meist von ihm veranlaßten Photos, darunter vorzüglichen Detailaufnahmen, zu publizieren.
Der in St. Petersburg und Paris aufgewachsene Rosenberg hatte – zunächst als Kaufmann und Bankier ausgebildet – in Bonn, dann in Heidelberg Kunstgeschichte und Archäologie studiert und dort, höchst ungewöhnlich für die damalige Zeit, mit einer Monographie über den spätgotischen Breisacher Hochaltar des Meisters H. L. 1877 promoviert. Seine maßgebliche Mitwirkung bei der großen Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung in Karlsruhe 1881 führte zu einer intensiven Beschäftigung mit sämtlichen Sparten des Kunsthandwerks, zur Habilitation und schließlich zur ehrenamtlichen Professur für „dekorative Malerei, Kunstgewerbe und Kleinkunst“ an der Technischen Hochschule Karlsruhe, und zwar vornehmlich für Architekten, für die seit 1907 Kunsthandwerk sogar Prüfungsgegenstand wurde. Als akademischer Lehrer muß sich Rosenberg aufgrund seines überaus lebendigen Vortrages – er las etwa „Geschichte des Kirchengerätes“ oder „Moderne Bewegung im Kunstgewerbe“ – bei weiten Kreisen größter Beliebtheit erfreut haben.
In seiner rühmenden Rezension von Rosenbergs „Quellen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses“ (1882) hebt der bedeutende damalige Karlsruher Ordinarius für Kunstgeschichte, Wilhelm Lübke, hervor, daß Rosenberg „künstlerischen Blick mit philosophisch-historischem Forschergeist“ verbinde. Quellen zu publizieren, die Denkmälerkenntnis zu erweitern, ganz nüchtern Mosaiksteine für die Forschung zu liefern wie etwa die Dokumentation aller Werke des großen Nürnberger Renaissance-Goldschmiedes Wenzel Jamnitzer (1920), war Rosenbergs großes Anliegen, der in seinen sehr persönlich formulierten Texten stets überaus knapp blieb und wortreiche Übersichten verschmähte.
Dank der wohlwollenden Unterstützung des Großherzogs konnte er stattliche Tafelwerke wie Hans Baldungs Skizzenbuch (1889), die Kunstkammer im Karlsruher Schloß (1892) und „Badische Fürstenbildnisse“ (1908) veröffentlichen.
Neben der wissenschaftlichen Arbeit, durch die er internationales Ansehen erworben hatte, widmete sich Rosenberg mit Hingabe der Sammlung von Zeugnissen der Geschichte, Kunst und Kultur Badens, das ihm, dem Juden aus dem zaristischen Rußland, zur Adoptivheimat geworden war. Seine berühmt gewordene „Badische Sammlung“, die Urkunden, Handschriften, Autographen, Steindenkmale, Bilder Badischer Uniformen und Bauerntrachten umfaßte, ließ er in 12 Katalogen verzeichnen. Unter den Urkunden war die älteste ein Diplom Ottos II. für Mosbach von 976, die jüngste die Kapitulationsurkunde von Rastatt 1849.
Seine Forschungen und der Erwerb seiner vielfältigen Sammlungen waren nur möglich dank überaus günstiger finanzieller Umstände (der Vater war im Holzhandel und Zuckergeschäft tätig, außerdem familiäre Beziehungen zu den Bankhäusern Günzburg in Paris und St. Petersburg und Warburg in Hamburg), die ihm Reisen, die Beschaffung von Photos, die Publizierung seiner Bücher, ja sogar die Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter in seinem privaten Forschungsinstitut, zunächst in Karlsruhe, später in Baden-Baden erlaubten. Manche seiner Sammlungen und Forschungsmaterialien – die Karteikarten waren raffiniert hektographisch vervielfältigt – stiftete er großzügig verschiedenen Institutionen oder verkaufte sie ihnen zu günstigen Bedingungen. Seine berühmte Schmucksammlung mußte allerdings wegen des Währungsverfalls 1929 versteigert werden.
So gesichert sein Leben fast bis zum Schluß war, so blieb Rosenberg von persönlichen Schicksalsschlägen nicht verschont: er mußte erleben, daß zwei Ehefrauen – die zweite stammte aus dem bekannten Hamburger Bankhaus Warburg – und seine drei Kinder vor ihm starben und daß in seinem Refugium in Schapbach im Schwarzwald 1915 wichtige Teile seiner Sammlung durch Brandstiftung vernichtet wurden. Charakteristisch für diesen großen Privatgelehrten alten Stils ist wohl die in seine Publikationen eingelegte gedruckte Karte: „Überreicht von Marc Rosenberg Schapbach (Baden) mit der höflichen Bitte sich wegen Empfangsanzeige nicht bemühen zu wollen“.
Quellen: GLAK (M. Salaba, H. Schwarzmaier, Die Bestände des GLA, Teil 1, Selekte, Nachlässe u. Sammlungen, 1988, S. 142 S Marc Rosenberg (Bad. Sammlungen); 60/915. – O. v. Falke, Sammlung M. Rosenberg, Versteigerungskatalog Ball/Graupe, Berlin, 1929; Nürnberg, Germ. Nationalmuseum, u. a. aus d. Kunsthist. Inst. d. Univ. Bonn u. dem Bayerischen Nationalmuseum München; Freiburg, Inst. f. christl. Archäologie u. Kunstgeschichte d. Univ.
Werke: Nicht vollständiges Schriftenverz.: Trauerfeier (s. u.), S. 19; BbG.
Nachweis: Bildnachweise: Trauerfeier, s. o.

Literatur: Bad. Landesztg. 23. 5. 1908; P. Clemen, in: Die Pyramide 16, 1927, Nr. 12, 48 f.; Trauerfeier am 9. Sept. 1930 in Baden-Baden. Geh. Hofrat Prof. Dr. M. Rosenberg, Dr. Ing. e. h. starb am 4. September 1930 im 80. Lebensjahr, o. O. (Darmstadt) 1930, 19 S., mit Nachrufen von S. Warburg, P. Clemen, K. Obser, P. Ladewig; J. Sauer, in: Oberrhein. Kunst 5, 1932, 241-244; K.-P. Hoepke, in: Juden in Karlsruhe, Veröffentl. d. Karlsruher StadtA Bd. 8, 1988, 488-450 mit weiterer Lit.
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