Brunck, Heinrich 

Andere Namensformen:
  • (seit 1905: von Brunck)
Geburtsdatum/-ort: 23.06.1847; Winterborn, Pfalz
Sterbedatum/-ort: 04.12.1911;  Ludwigshafen
Beruf/Funktion:
  • Chemiker und Industrieller
Kurzbiografie: 1860 IX.–1863 V. Gewerbeschule Kaiserslautern
1863 X.–1867 V. 4 Chemiestudium am Zürcher Polytechnikum bis Aug. 1864, dann an den Univ. Tübingen u. Gent (WS 1865/66 u. SS 1866), Promotion in Tübingen: „Über einige Abkömmlinge des Phenols“
1867 IV.–VII. Weiterstudium an d. Univ. Zürich
1867 IX. Besuch d. Weltausstellung in Paris zusammen mit Carl Glaser (vgl. S. 140)
1867 X.–1869 X. Arbeit an d. chemischen Fabrik De Haën in List bei Hannover
1869 X. 30 Eintritt in die BASF
1870 IX.–1871 II. Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg
1874 –1876 Arbeit an d. Duisburger Abteilung d. BASF
1876 XI.–1883 XII. Arbeit an d. Alizarinabt. d. BASF in Ludwigshafen
1879 II. Stellvertr. Direktor mit Prokura
1884 I.–1906 XII. Leitender techn. Direktor d. BASF
1907 I. –1911 XII. Vorsitzender des Aufsichtsrats d. BASF
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1871 (Großkarlbach) Emilie Barbara Wilhelmine, geb. Fitting (1850–1928).
Eltern: Vater: Friedrich Carl (1800–1871), Gutbesitzer in Winterborn
Mutter: Maria Magdalena Lisette-Karoline, geb. Ritter (1811–1888)
Geschwister: 11; Daniel (1831–1887), Landwirt, Wilhelmine, verh. Herold (1832–1904), Ulrich (1833–1906), Maria (*/† 1835), Franz (1837–1895),
Architekt, Luise (1838–1851), Elise (1840–1854), Anna, verh. Reibold (1842–1892), Fritz (1844 –1876), Katharine (1849–1850) u. Henriette, verh. Pflug (1850–1925).
Kinder: 3; Karl (1872–1873), Elisabeth (Elise), verh. Clemm (1874 –1904) u. Wilhelmine (1875–1879).
GND-ID: GND/117638072

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 47-50

Brunck wurde als jüngster Sohn in die kinderreiche Familie eines angesehenen Pfälzer Gutsbesitzers geboren und in bewusst einfachster Lebensweise erzogen. Die Eltern waren den Kindern mit ihrem Fleiß und ihrer Tüchtigkeit Vorbild. Nach der Volksschule im Heimatdorf und nachträglichem Lateinunterricht von einem Landpfarrer kam Brunck in die Gewerbeschule zu Kaiserslautern, eine ausgezeichnete Mittelschule zur Vorbereitung für eine praktische Arbeit, die er gut abschloss. Mit schriftlicher Genehmigung des Vaters ging Brunck anschließend in die Chemische Abteilung des Züricher Polytechnikums. Dort studierte er zwei Semester und erhielt beste Noten in allen Fächern, außer Botanik.
Die Grundlagen für die Immatrikulation an einer Universität – er wählte Tübingen – waren damit erreicht. Die Bekanntschaft mit dem Chemiker Carl Glaser entwickelte sich bald zu enger Freundschaft und führte Brunck im Herbst 1865 nach Gent, wo August Kekulé lehrte, dessen Assistent Glaser war. Das Jahr bei Kekulé in dessen bester Zeit im Kreise seiner chemiebegeisterten Schüler war entscheidend für die Entwicklung Bruncks. Nach seiner Rückkehr nach Tübingen beendete er die in Gent begonnene Doktorarbeit und wurde im Frühjahr 1867 promoviert. Anschließend studierte er organische Chemie an der Universität Zürich, nach einem Semester wechselte er aber in die Industrie: Dank der Empfehlung von Glaser erhielt er eine Stelle an der kleinen chemischen Fabrik „Dr. De Haën“ bei Hannover. Die folgenden zwei Jahre war Brunck dort tätig und sammelte nicht nur vielseitige technologische Erfahrungen, sondern lernte auch, mit einfachsten Mitteln und mit wirtschaftlichem Erfolg zu arbeiten. Im Oktober 1869 folgte Brunck seinem Freund Glaser, der eben in die BASF eingetreten war und Brunck empfohlen hatte. Brunck wurde von Direktor August Clemm (1837–1910) als Betriebsassistent für die Anilinfabrikation angenommen. Während Bruncks Anfangstätigkeit in der Anilinfabrik half ihm der sechs Jahre ältere und erfahrenere Glaser mit Rat und Tat über manche Schwierigkeiten hinweg. Brunck wurde mit der Verbesserung der Fabrikation von Benzol und Anilin betraut. Den Freunden wurde klar, dass die Herstellung reinen Benzols für die Fabrikation des reinen Anilins notwendig war. Schon Anfang 1870 konnte Brunck dieses Problem lösen.
Als 1873 die Firma Siegle mit der BASF fusionierte wurde Brunck Leiter der Duisburger Fabrik. Seine Aufgabe war die Reinigung des aus England importierten Rohanthracens, des Ausgangsmaterials für die Alizarinsynthese. Für Brunck bildete dies einen bedeutenden Schritt bei seinem Aufstieg im Unternehmen, weil er sich nun ohne den starken Druck seines Vorgesetzten August Clemm entfalten konnte. Die Duisburger Niederlassung wurde nach zwei Jahren anderweitig verwertet, die Anthrazenreinigung wieder nach Ludwigshafen überführt und Brunck kehrte an seine alte Arbeitsstätte zurück, um die Leitung der allgemeinen Betriebe, Gasfabrik und Wasserwerk, zu übernehmen. Aber seine Stellung forderte ihn nicht mehr genügend. Glaser war sich klar, wie wichtig eine so außergewöhnliche Kraft für das Unternehmen war. Um ihn festzuhalten, trat er einen Teil seiner Alizarin-Betriebe an Brunck ab, der die Fabrikationen vom Anthrazen bis zum fertigen Anthrachinon übernahm, während Glaser die Farbstoffdarstellung aus Anthrachinon behielt. 1877 hatte Glaser Brunck die Weiterentwicklung des neu entdeckten aussichtsreichen Farbstoffs Alizarinblau übergeben. Brunck führte sie meisterhaft zu Ende. Carl Graebe urteilte darüber im April 1878: „Für Alizarinblau hat Brunck, der doch der energischste der dortigen Chemiker ist, sofort eine Einrichtung für 500 kg täglich angestellt“.
Im Februar 1879 wurden Brunck und Glaser zu stellvertretenden Direktoren mit Prokura ernannt. Im Gegensatz zur früheren Generation der BASF-Leiter, insbesondere Friedrich Engelhorn, betrachteten beide das Unternehmen vor allem als Arbeitsfeld, um sich als Fachmann zu realisieren. Nach einigen Jahren schwieriger Auseinandersetzungen zwischen den Firmenbegründern und den jüngeren Leitern – zuweilen dachten beide schon ans Ausscheiden – endete „die Ära Engelhorn“ zu Silvester 1883. Damit begann die „Ära Brunck-Glaser“ der BASF, die ab 1884 „das eigentliche Führungsgespann im neuen Vorstand“ (Abelshauser, 2002) bildeten. Brunck hatte die technische Oberleitung sowie die Führung der Alizarinabteilung und der anorganischen Betriebe inne. Als technischer Direktor war er auch von seinem Freund Glaser als führender Kopf anerkannt.
Die Grundlage von Bruncks Strategie der Entwicklung des Unternehmens war seine wissenschaftliche Kompetenz, so dass er auf die längerfristig ausgelegte Forschung und Produktionsplanung setzte. Für diese Zwecke berief Brunck schon 1884 hervorragende chemische Kräfte wie René Bohn (vgl. S. 38), Rudolf Knietsch (1854 –1906), 1887 August Bernthsen (➝ V 15) und 1888 Paul Julius (vgl. S. 184).
Als erstes wurde die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen neu geregelt. Die Hauptrichtung war damals die Farbenproduktion. „Die Industrie der Teerfarbstoffe verdankt ihre Entstehung den Resultaten der wissenschaftlichen Forschung, und ihre weitere Entwickelung bleibt auf’s Engste mit den Fortschritten der Wissenschaft verknüpft“, so Bruncks Bekenntnis. Das wichtigste Projekt, das unter seiner Leitung verwirklicht wurde, ist die Indigo-Synthese. Die zähe Verfolgung des Ziels verlangte 18 Jahre und die enorme Investition von 18 Mio. Reichsmark. Auch bei den anorganischen Technologien führte Brunck neue Verfahren ein, so die Produktion von flüssigem Chlor – dadurch wurde auch das Problem der Verwendung der bisher überschüssigen Salzsäure gelöst – und die Fabrikation von konzentrierter Schwefelsäure nach dem Kontaktverfahren. Diese Projekte, deren Leiter R. Knietsch war, hätten ohne die stetige Unterstützung Bruncks kaum realisiert werden können. Später, Brunck war bereits Vorsitzender des Aufsichtsrats, trat er entschieden für die Verwirklichung des Projekts der Ammoniaksynthese ein. Dank dieser Innovationsstrategie konnte Brunck bereits 1900 konstatieren, dass die Industrie nicht allein Nutznießer sei, sondern nunmehr auch in der Lage, „die wissenschaftliche Forschung zu fördern und zu bereichern“. Die organisatorische Tätigkeit Bruncks wurde 1905 durch den Zusammenschluss von BASF, Bayer und Agfa zur „kleinen IG“ gekrönt, die sich zum Keim der berühmten IG Farbenindustrie entwickelte.
Eine andere bedeutende Seite von Bruncks Aktivitäten war die Sozialarbeit, worin die BASF damals weit mehr tat als gesetzlich gefordert. Brunck ging von der grundsätzlichen Interessenharmonie zwischen Unternehmen und Arbeiterschaft als Basis des sozialen Friedens aus. Von 1895 bis zum Lebensende war Brunck aktives Mitglied des Gemeindekirchensrats in Ludwigshafen und folgte dabei bewusst der Tradition christlicher Fürsorgepflicht. Er gilt zu Recht als „Vater der betrieblichen Sozialfürsorge der BASF“.
„Ein ganz außergewöhnlicher Mann voller energischer Willenskraft, großer Intelligenz und einem unermüdlichen Schaffensdrang“ (Glaser, 1913) ging Brunck in die Geschichte der chemischen Industrie nicht so sehr als Forscher oder Erfinder ein, sondern als genialer Organisator, der den rechten Boden schuf für Forschung und Erfindung und deren Ergebnisse in der Großproduktion umzusetzen wusste.
Quellen: RektoratsA d. TU Zürich, Akte Brunck; UA Tübingen, 40/31, 81, Studentenakte Brunck, 136/140, 136/145, 136/50, Promotionsakten; UnternehmensA d. BASF, W1, Brunck.
Werke: Über einige Abkömmlinge des Phenols, Diss. rer. nat. Tübingen, 1867; (mit C. Graebe), Über die Einwirkung von Ätznatron auf Gusseisen, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 13, 1880, 725 f.; Die Entwickelungsgesch. d. Indigo-Fabrikation, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 33, 1900, LXXI–LXXXVI; Rudolf Knietsch †, ebd. 39, 1906, 4479–4490.
Nachweis: Bildnachweise: UnternehmensA d. BASF, Bildersammlung; C. Glaser, 1913, vor 353; Viktor Carl, Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten, 21998, 90.

Literatur: O. N. Witt, H. v. B. †, in: Die Chemische Industrie 34, 1911, 765–770; C. Glaser Heinrich von Brunck †, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 46, 1913, 353–389 (mit Bildnachweis); H. Grossmann, Brunck, in: Günther Bugge, Buch d. großen Chemiker Bd. 2, 1930, 360–373; K. Saftien, Brunck, in: NDB 2, 1955, 677; ders., Heinrich von Brunck, in: Ludwigshafener Chemiker, Hg. v. K. Oberdorffer, 1958, 11–30; H.-J. Belitz, Begegnung mit Heinrich von Brunck, in: Blätter für Pfälz. Kirchengeschichte u. religiöse Volkskunde 29, 1962, 101–116; E. Vaupel, Carl Graebe (1841–1927): Leben, Werk u. Wirken im Spiegel seines brieflichen Nachlasses. Diss. rer. nat. München, 1987, 170, 222, 292, 567, 616 f. u. Quellenband, 177, 259, 387, 676 f.; Carsten Reinhardt, Forschung in d. chem. Industrie: die Entwicklung synthet. Farbstoffe bei BASF u. Hoechst, 1863 bis 1914, Freiberger Forschungshefte D 202, 1997, 98–101, 140 f.,156 f., 242 f.; W. Abelshauser (Hg.), Die BASF: Eine Unternehmensgeschichte, 2002, 39–158 .
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