Zetkin, Clara Josephine 

Andere Namensformen:
  • geb. Eißner, geschiedene Zundel
Geburtsdatum/-ort: 05.07.1857; Wiederau/Sachsen
Sterbedatum/-ort: 20.06.1933; Archangelskoje/Moskau
Beruf/Funktion:
  • Lehrerin, Schriftstellerin, Redakteurin, Frauen- und Friedenspolitikerin
Kurzbiografie: 1872 Umzug der Familie nach Leipzig, um der Tochter durch eine Ausbildung bessere Berufschancen zu ermöglichen
1873 erhält Clara Eißner einen Ausbildungsplatz in einem Lehrerinnenseminar, das der bürgerlichen Frauenbewegung verpflichtet ist
1878 glänzender Abschluss; arbeitet als Gouvernante und Hauslehrerin, Mitglied der SPD, orientiert sich an den Ideen und Werken von Karl Marx und Ferdinand Lassalle
1882 teilt das Emigrantenleben mit Ossip Zetkin in Paris, der auf Grund der Bismarckschen Sozialistengesetze 1880 aus Leipzig ausgewiesen worden war
1889 Rede „Über die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart“ bei der 2. Sozialistischen Internationale in Paris
1891-1917 Redakteurin der „Gleichheit“, der sozialistischen Arbeiterinnenzeitung, in Stuttgart
1907 Aug. 1. Internationale Sozialistische „Frauenkonferenz“ in Stuttgart, Abstimmungssieg für das geheime, gleiche, direkte und allgemeine Wahlrecht für Frauen; Zetkin wird Vorsitzende des nun initiierten Sozialistischen Internationalen Frauensekretariats (bis 1917) und ruft in dieser Funktion in Kopenhagen
1910 den „Internationalen Frauentag“ aus, der am 19.3.1911 zum 1. Mal weltweit gefeiert wird
1912 Internationaler Sozialisten-Kongress in Basel; sie hält die „Rede an die Mütter der Welt“ und warnt vor dem drohenden Krieg
1919-1933 Reichstagsabgeordnete für die USPD, dann für die KPD
1921-1933 Sekretärin der Internationalen Kommunistischen Frauenbewegung
1922-1933 Vorsitzende der Internationalen Arbeiterhilfe
1925-1933 Vorsitzende und dann Präsidentin der Roten Hilfe Deutschlands
1932 Warnt als Alterspräsidentin des Reichstags in ihrer letzten Rede zur Eröffnung des Reichstags in Berlin vor der Gefahr des Nationalsozialismus. Den Reichstag verlässt sie verkleidet durch den Hintereingang, um ihren Häschern zu entkommen.
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev./konfessionslos
Verheiratet: 1878 Beginn des gemeinsamen Lebens mit Ossip Zetkin (geb. ca. 1850 Odessa, gest. 29.1.1889 Paris), russischer Revolutionär
1898 mit Georg Friedrich Zundel (geb. 13.10.1875 Wiernsheim/Maulbronn, gest. 7.7.1948 Stuttgart), Maler, (geschieden 1928)
Eltern: Vater: Gottfried Eißner (geb. 7.3.1806 Greifenhain/Frohburg, gest. 4.6.1875 Leipzig), Kantor, Organist und Schullehrer
Mutter: Josephine Franziska Elisabeth, geb. Vitale, verwitwete Richter (geb. 10.11.1822 Leipzig, gest. 13.1.1906 Leipzig), aktive Vertreterin der bürgerlichen Frauenemanzipationsbewegung
Geschwister: 3:
Arthur Gottfried (geb. 4.2.1859 Wiederau, gest. 24.11.1937 Leipzig), Lehrer
Gertrud Luise Kondruß (geb. 5.2.1862 Wiederau, gest. 7.12.1932 Profen/Zeitz), Fabrikantengattin
Kinder: Maxim Zetkin (geb. 1883 Paris, gest. 1965 Berlin), Arzt
Kostja Zetkin (geb. 1885 Paris, gest. 1980 Kanada), Arzt
GND-ID: GND/118636618

Biografie: Mascha Riepl-Schmidt (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 309-311

Heute ist die sozialistisch-kommunistische Frauenpolitikerin und Redakteurin Clara Zetkin als Begründerin des weltweit am 8. März gefeierten „Internationalen Frauentages“ „gesellschaftsfähig.“ Zeitlebens – im 1871 ausgerufenen Deutschen Reich monarchischer Prägung und dann in der republikanisch demokratisch bestimmten Weimarer Republik seit 1918 – war sie jedoch in der bürgerlichen, nationalkonservativen Öffentlichkeit als „Rote Emanze“ gehasst und gebrandmarkt. Im Gegensatz dazu hat der „Internationale Frauentag“ seit 1968, dem Beginn der „Neuen Frauenbewegung“, bei politisch engagierten Frauen aller Richtungen einen Siegeszug angetreten: Die Befreiung der Frauen aus der politischen und gesellschaftlichen Vormundschaft und der Gewalt des Mannes und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ist in fast allen Lagern konsensfähig. Clara Zetkins vehementer Kampf gegen die ihrer Meinung nach kapitalistische Verhinderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann ist heute zumindest in der westlichen Welt formal gewonnen.
Clara Zetkin wurde als „gelernte“ Lehrerin zur Leitfigur und maßgeblichen Theoretikerin der deutschen proletarischen Frauenbewegung. Als Sozialistin gehörte sie zu der Partei, die als erste politische Partei 1891 die Stimmrechtsforderung der Frauen in ihr Programm aufgenommen hatte. Als Politikerin mit internationalem Einfluss und als unabdingbare Pazifistin war Clara Zetkin, die von 1891-1920 in Stuttgart lebte, der Stuttgarter Polizeibehörde von Anfang an ein Dorn im Auge, zumal sie Ossip Zetkin nicht geheiratet hatte. Da sie jedoch Deutsche, d. h. Sächsin geblieben war, konnte sie nicht ausgewiesen werden. Der Name Zetkin wurde zu guter letzt von den Behörden als „Schriftstellername“ akzeptiert, die Söhne trugen ihn nach französischem Namensrecht ganz legal. Während der Euphorie des Ersten Weltkrieges werden beide Söhne eingezogen. Georg Zundel meldet sich als Freiwilliger. Den „Nationalen Frauendienst“, den Frauenvereine aller Richtungen gründeten, um im sozialen Dienst für Verwundete in Lazaretten und für notleidende vaterlose Familien zu sorgen, unterstützte sie nicht. Sie sah darin eine Verlängerung des Krieges in der Heimat. Im November 1918 war der Erste Weltkrieg vorbei. Frauen hatten in der Heimat ihren „Mann“ gestanden, die Novemberrevolution hatte das deutsche Kaisertum, die Monarchien und Adelshäuser der deutschen Kleinstaaten abgeschafft und das Frauenwahlrecht ausgerufen. Clara Zetkin hatte innerparteilich Karriere gemacht. Von 1895 bis 1913 ist sie als erste Frau in der Kontrollkommission der Partei, von 1909-1917 im Parteivorstand. Sie spricht auf Parteitagen und wird nach der Gründung des internationalen Frauensekretariats dessen erste Sekretärin. Die „Gleichheit“ wird zum Organ der internationalen Frauenbewegung. Clara Zetkins radikaler Antikriegskurs, der jede Kriegsunterstützung und die von ihren Genossen im Reichstag abgesegneten Kriegskredite verwirft, führt zum Bruch mit der SPD. Der USPD, deren Mitglied sie nun wird, bleibt sie nicht lange treu. Sie hatte sich 1918 mit der russischen Revolution solidarisch erklärt und war Kommunistin geworden. Dennoch kandidiert sie aus taktischen Gründen nach Kriegsende und dem endlich erreichten Frauenwahlrecht 1919 für die USPD und wird als erste Abgeordnete in die Württembergische Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Sie ergreift dort als erste Frau in einem deutschen Parlament am 29. Januar 1919 das Wort, um der württembergischen Regierung, die seit dem Sturz der Monarchie von dem gemäßigten SPD-Ministerpräsidenten Wilhelm Blos angeführt wird, Revisionismus und Unterdrückung der sozialen Revolution vorzuwerfen. In der Nähe von Moskau, wo die weltweit bekannte Politikerin seit 1920 auch im Kreml abwechselnd mit Aufenthalten in ihrem Haus in Stuttgart-Sillenbuch und dann nach dessen Verkauf ab 1927 in Berlin-Birkenwerder lebte und arbeitete, ist die Politikerin und Autorin von zahlreichen Publikationen 1933 gestorben und wurde an der Kremlmauer begraben. Eine Dokumentation ihres Gesamtwerkes fehlt.
Quellen: BA Berlin, SAPMO: NL C. Zetkin NL 5; Georg Manitius Chronik; Die Kirchfahrt Wiederau, 1936; Gedenkstätte C. Zetkin, Wiederau.
Werke: (Auswahl) Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart, 3. H. der Arbeiterbibliothek, 1889; „Ich will dort kämpfen, wo das Leben ist“. Auswahl von Reden und Schriften, hg. vom Marx-Engels Institut, 1955; Zu den Anfängen der proletarischen Frauenbewegung in Deutschland, in: Beiträge aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 4. H., hg. vom Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut, 1956; Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands, 1958; C. Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 1-3, 1960; Kunst und Proletariat, hg. von Hans Koch, 1979.
Nachweis: Bildnachweise: BA Berlin, SAPMO.

Literatur: Luise Dornemann, C. Zetkin. Ein Lebensbild, 1957; Gilbert Badia, C. Zetkin. Eine neue Biographie, 1994; Maja (Mascha) Riepl-Schmidt, „Pogromstimmung vor den Toren der Hauptstadt“. C. Zetkin und ihre Sillenbucher Zeit, in: Sillenbuch&Riedenberg, Zwei Stadt-Dörfer erzählen aus ihrer Geschichte, 1995, 104-113; dies., Der „Arbeitermaler“ porträtiert auch Adelige, in: ebda., 188-193; Florence Hervé/Ingeborgh Nödinger, Lexikon der Rebellinnen. Von A bis Z, 1996, 261; Maja (Mascha) Riepl-Schmidt, C. Zetkin geborene Eißner, verheiratete Zundel, die „rote“ Emanze, in: dies.: Wider das verkochte und verbügelte Leben, Frauen-Emanzipation in Stuttgart seit 1800, 1990/1998, 157-172; Manuela Dörnenburg, C. Zetkin. Eine Annäherung, „Die Flügel wachsen mit der Aufgabe“, 2000; Raberg, Biogr. Handbuch, 1067 f.
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