Arnold, Karl Borromäus 

Geburtsdatum/-ort: 21.03.1901;  Herrlishöfen, Kreis Biberach/Riß
Sterbedatum/-ort: 29.06.1958; Düsseldorf
Beruf/Funktion:
  • Z-Politiker, MdB-CDU, Verfolgter des NS-Regimes, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
Kurzbiografie: 1907-1915 Volksschule in Herrlishöfen
1916-1919 Schuhmacherlehre in Ochsenhausen
1920-1921 Ausbildung zum Arbeitersekretär im Leohaus in München, der Zentrale des Süddeutschen Verbands der katholischen Arbeitervereine
1921-1922 Sekretär beim Christlichen Lederarbeiterverband in Frankfurt/Main
1922-1924 Bezirksleiter des Verbandes in Düsseldorf
1924-1933 Kartellsekretär der Christlichen Berufsverbände für das Rheinland und Westfalen in Düsseldorf
1929-1933 Z-Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Düsseldorf, 1931 Stellvertretender Vorsitzender der Z-Fraktion
1933 Auflösung der Gewerkschaften, vorübergehende Tätigkeit bei der Katholischen Kirchensteuerkasse in Düsseldorf, danach Eröffnung eines Installationsgeschäfts, Mitinhaber
1944 (20.06) Kurzzeitige Gefängnishaft
1945 (10.07.) Mitglied im ersten „Vertrauensausschuß“ der Düsseldorfer Bürgerschaft, 24.11. Gründung der Christlich-Demokratischen Union in Düsseldorf
1946 (29.01.) Einstimmige Wahl zum Oberbürgermeister von Düsseldorf (29.08.); Bildung des ersten – ernannten – nordrheinwestfälischen Landtags und Kabinetts durch die Besatzungsmacht; Arnold Mitglied des Landtags; 05.12. Umbildung des Kabinetts, Stellvertretender Ministerpräsident
1947 (26.04.) Erste Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, 17.06. Arnold Ministerpräsident einer Koalition aus CDU, SPD, Z und KPD, Februar 1948 Entlassung der KPD-Minister
1948 Auftrag der Besatzungsmächte an die Ministerpräsidenten der Länder zur Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung („Frankfurter Dokumente“); 03.08. Vorschlag des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen zur Einberufung des Parlamentarischen Rates nach Bonn
1949 (07.09.) Arnold erster Präsident des Bundesrates in Bonn
1950 Ministerpräsident einer Koalition aus CDU und Z
1954 Ministerpräsident einer Koalition aus CDU, FDP und Z
1956 (20.02.) Konstruktives Mißtrauensvotum im Landtag von Nordrhein-Westfalen, Arnolds Sturz
1956 (April) Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundespartei
1957 CDU-MdB (Wahlkreis 72 Geilenkirchen-Erkelenz-Jülich). Ehrensenator der Universität Bonn (1955), Dr.-Ing. ehrenhalber der TH Aachen (1956)
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1928 (Düsseldorf) Liesel, geb. Joeres
Eltern: Vater: Johann Baptist Arnold, Kleinbauer
Mutter: Maria Fridolina, geb. Dangel
Geschwister: 3
Kinder: 3
GND-ID: GND/118650394

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 4-9

Arnold, der langjährige Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, war in der Zeit der Entstehung, des Aufbaus und der Konsolidierung der Bundesrepublik Deutschland einer der Hauptakteure auf der politischen Bühne des Landes. Er war bei allen bedeutenden Entscheidungen, die die Phase des Besatzungsregimes abschlossen, zu einer neuen Staatlichkeit führten und ihr die föderative Prägung verliehen, mitbeteiligt. Untrennbar ist sein Name mit dem Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes an Rhein und Ruhr, dem Werden seiner Verfassung und mit dem Zusammenwachsen des Rheinlands, Westfalens und Lippes zu einem der großen Gliedstaaten der Bundesrepublik verbunden. Jahrelang lähmten nach 1945 Demontagen und Rohstoffmangel weite Bereiche der Industrieproduktion; die Besatzungsmacht allein verfügte über Kohle und Stahl; Hunger und Kälte peinigten die Bevölkerung; 2,2 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene strömten in das verwüstete Land und warteten auf Wohnung und Beschäftigung; Holland und Belgien forderten Grenzkorrekturen. Die tatkräftige Mitwirkung Arnolds bei der Entstehung der Bundesrepublik beruhte auch auf der Einsicht, daß alle diese Probleme nur auf einer höheren Ebene gelöst werden könnten, so sehr er sich mit allen Kräften, oft verzweifelt um eine Milderung der Not bemühte, in ständiger Auseinandersetzung mit der Besatzungsmacht, deren geachteter Gesprächspartner er bald wurde. Das Ruhrstatut suchte er schon im Januar 1949 durch den Plan eines „Völkerrechtlichen Zweckverbands auf genossenschaftlicher Grundlage“ zu ersetzen, in den Deutschland die Ruhr, Frankreich das lothringische Erz, beide die Saar, Belgien und Luxemburg ihre Schwerindustrie einbringen sollten; Jean Monnet bezeichnete dies als Vorstufe des Schumanplans und Arnold als den „Vater der Montan-Union“.
Aus seiner Herkunft aus der Arbeiterschaft und der immer mit Stolz betonten Zugehörigkeit zur Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung läßt sich die Grundthematik seiner Lebensarbeit ableiten, „die Überwindung des Gegensatzes zwischen Eigentum auf der einen Seite und dem Menschen, der von seiner Arbeit leben muß, auf der anderen Seite“ (Arnold). Zwangsläufig ergaben sich so zwischen dem Mitgründer der CDU-Sozialausschüsse und Anführer des linken Flügels der Partei und dem mächtigsten Politiker jener Tage, dem rheinischen Großbürger Konrad Adenauer, Meinungsverschiedenheiten, die mehr als einmal zu erbitterten Kontroversen auswuchsen, wenn auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und der erste Bundeskanzler in den Grundfragen ihrer Politik übereinstimmten, „der großen politischen Sammlung evangelischer und katholischer Christen“ (Arnold), der Sozialen Marktwirtschaft und der Einigung Europas.
Es war ein weiter Weg, den der schwäbische Bauernbub, kleiner Leute Kind, zurückzulegen hatte, ehe er im letzten Viertel seines Lebens, innerhalb einer relativ kurzen Spanne, höchste politische Ämter wahrzunehmen hatte. Seine frühen Jahre verliefen nicht anders als die seiner dörflichen Altersgenossen: der Besuch der einklassigen Dorfschule – mit einem tüchtigen Lehrer, dem Arnold lebenslange Verehrung bewahrte – und die anschließende Handwerkslehre waren ebenso selbstverständlich vorgegeben wie die Mithilfe in der Landwirtschaft. All dies aber ereignete sich im Rahmen einer festen Werteordnung, zu der auch die religiöse Erziehung in Elternhaus und Pfarrgemeinde gehörte. Der zeitweise wohl erwogene Berufswunsch „Priester“ ließ sich bei der finanziellen Lage der Familie nicht verwirklichen, aber der in der Jugend grundgelegte katholische Glaube wurde zur festen Achse dieses Lebens. Wenn – wie es die Fama will – nicht der Zufall in Form eines in Herrlishöfen steckengebliebenen Autos Schicksal gespielt hätte, wäre wahrscheinlich aus Arnold ein tüchtiger schwäbischer Handwerksmeister geworden; aber in dem Auto, das der Achtzehnjährige mit einigen Alterskameraden wieder flottzumachen verstand, saß der Mitgründer der Christlichen Gewerkschaften und Reichstagsabgeordnete des Wahlkreises Biberach-Waldsee-Leutkirch-Wangen Matthias Erzberger (1875-1921), der an dem politisch interessierten jungen Mann Interesse nahm und ihm den Besuch einer Ausbildungsstätte katholischer Gewerkschaftssekretäre in München vermittelte. Zum Vorbild wurde der Arnold dort begegnende katholische Gewerkschafter und Politiker Adam Stegerwald (1875-1945), preußischer Ministerpräsident im Jahre 1921.
Nach kurzer Tätigkeit in Frankfurt wurde der junge Gewerkschafter nach Düsseldorf berufen, in die Stadt, die ihm dann bis zum Ende seiner Tage Heimat und Lebensmittelpunkt werden sollte. Aber die Verbindung nach Württemberg riß nicht ab, und das schwäbische Idiom klang auch in späten Jahren immer wieder durch. Bis zur „Machtübernahme“ des Nationalsozialismus vollzog sich die berufliche und politische Tätigkeit – Arnold war seit 1929 Z-Vertreter in der Düsseldorfer Stadtverordnetenversammlung – eher im zweiten Glied, und dies sollte sich nach 1933 als günstiger Umstand erweisen, da er, bei aller selbstverständlichen Gegnerschaft zu den braunen Machthabern, bis 1944 praktisch unbehelligt blieb und sich nach der gewaltsamen Auflösung der Gewerkschaften als Mitinhaber eines kleinen Geschäfts eine neue Existenz aufbauen konnte. Die Verbindung zu den alten Zentrumsfreunden wie Josef Gockeln blieb bestehen, und während des Krieges gehörte Arnold zu einem Kreis katholischer und evangelischer Christen, die sich im Hause des früheren Düsseldorfer Oberbürgermeisters – und späteren Bundesinnenministers – Robert Lehr (1883-1956) trafen. Von hier aus ergaben sich Verbindungen zu Systemgegnern wie Jakob Kaiser (1888-1961), dem späteren Bundesminister, Nikolaus Groß und Bernhard Letterhaus, die Anlaß zu Arnolds Verhaftung und kurzzeitiger Inhaftierung nach dem 20. Juli 1944 wurden. Die Beschreibung dessen, was sich hinter diesen wenigen Fakten an ständiger persönlicher Gefährdung verbarg, an Überzeugungstreue und stiller Tapferkeit in der Hochspannung jener düsteren Jahre, würde den Rahmen dieses kurzen Lebensberichts weit überschreiten.
Mit der Eroberung Düsseldorfs durch die Amerikaner am 17.4.1945 begann der wichtigste Abschnitt im Leben des nun 44jährigen: Schon nach wenigen Wochen wurden, unter der strengen Oberaufsicht der – mittlerweile – britischen Besatzungsmacht, erste örtliche demokratisch zusammengesetzte Gremien gebildet, sogenannte „Vertrauensausschüsse“, denen Arnold als „Vertreter der Werktätigen“ angehörte, und nach weniger als einem Jahr übernahm er das erste bedeutende politische Amt, das des Oberbürgermeisters von Düsseldorf. Er verfügte nie über besondere rhetorische Fähigkeiten, wichtiger jedoch waren die Lauterkeit seines Wesens und die Ehrlichkeit seiner Argumentation, mit denen er nicht nur das Vertrauen seiner Mitbürger, sondern auch das der Besatzungsmacht erwarb, die ihn in den ersten ernannten Landtag entsandte.
Vorausgegangen war, unter Arnolds maßgeblicher Mitwirkung, die Gründung der CDU in Düsseldorf am 24.11.1945, mit der die schon während des Krieges von Arnold praktizierte politische Zusammenführung evangelischer und katholischer Christen verwirklicht wurde, mit einer deutlichen Spitze gegen das wiederbelebte, traditionell rein katholische Zentrum. In gleicher Weise trat Arnold für die Bildung einer neuen einheitlichen Gewerkschaftsbewegung ein, die nicht durch Konfessionen gespalten war.
Nun wurde für die neugegründete Partei ein Vorsitzender gesucht, und Arnold glaubte, man müsse dabei die Zugkraft eines bekannten Namens einsetzen. In dieser Überzeugung veranlaßte er im Spätsommer 1945 den früheren Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, in die CDU einzutreten. Arnolds Biograph Walter Först meint, daß „sich Arnold damit sicher keinen Gefallen tat, obwohl er damals sicher nicht so gedacht hat“. Arnold schlug vor, Adenauer zum Vorsitzenden der CDU Nordrhein zu wählen, und so geschah es im Februar 1946. Damit war, wie sich schnell herausstellte, für Arnold in der Person Adenauers ein Aufpasser etabliert, der jeden seiner Schritte genau und oft argwöhnisch beobachtete.
Als nach Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen im August 1946 ein Landtag und eine Regierung durch die britische Besatzungsmacht ernannt wurden, weigerte sich Adenauer, die CDU an dieser Regierung zu beteiligen, da seiner Meinung nach die von den Briten vorgenommene Verteilung der Stimmen zuungunsten der CDU erfolgt war. Die erste Landesregierung amtierte denn auch nur vom 29.8.1946-5.12.1946, und als sie umgebildet wurde, stimmte Adenauer der Beteiligung der CDU an der Regierung zu, und Arnold wurde stellvertretender Ministerpräsident. Regierungschef blieb der Z-Politiker Rudolf Amelunxen. Nach der ersten Landtagswahl am 20.4.1947 wurde Arnold vom Landtag – 92 Abgeordnete CDU, 64 SPD, 12 FDP, 20 Z, 28 KPD – zum Ministerpräsidenten gewählt und bildete, gegen den erklärten Willen Adenauers, des Vorsitzenden der stärksten Fraktion, eine Koalitionsregierung unter Beteiligung der SPD. Diese Entscheidung Arnolds hatte schwerwiegende Folgen. Er sah zwar in dieser Koalition eine gute Gelegenheit, sich der „Kuratel“ (H.-P. Schwarz) Adenauers zu entwinden, machte ihn sich aber gleichzeitig zum entschlossensten innerparteilichen Gegner, wenn auch nach außen die Form gewahrt wurde. Adenauer ließ keine Gelegenheit mehr aus, dem nicht ohne Mühe an Statur und Gewicht gewinnenden Ministerpräsidenten ad oculos zu demonstrieren, wem nach seiner Meinung der Führungsanspruch zukam. Als der Landtag im Sommer 1948 das von der Regierung unter Arnold eingebrachte Gesetz über die Überführung der Grundstoffindustrien in Gemeineigentum beschloß, veranlaßte Adenauer, daß sich die die Regierung mittragende CDU-Fraktion der Stimme enthielt – und die Militärregierung versagte diesem Gesetz die Genehmigung.
Arnold und seine Gesinnungsfreunde auf dem linken Flügel der CDU, die sich der katholischen Soziallehre verpflichtet wußten, forderten die Vergesellschaftung der Großbetriebe, die Aufteilung des Großgrundbesitzes, die inner- und überbetriebliche Mitbestimmung und die geplante wie gelenkte Bedarfsdeckungswirtschaft. Auf der Grundlage dieser Forderungen entstand das legendäre Ahlener Programm. Wie Th. Eschenburg und H.-P. Schwarz nachgewiesen haben, war jedoch der Autor des am 3.2.1947 vom CDU-Zonenausschuß – Vorsitzender: Konrad Adenauer – verabschiedeten Textes kein anderer als der spätere Bundeskanzler selbst, der von den ursprünglichen Forderungen des linken CDU-Flügels nicht viel übrigließ: Konzernentflechtung, Kontrolle durch Kartellgesetzgebung, Einführung eines „machtverteilenden Prinzips“ bei Großbetrieben und die Beteiligung privaten Kapitals an solchen Betrieben waren jetzt die wesentlichen Programmpunkte, die von dem für das Programm zuständigen Wirtschafts- und Sozialausschuß der CDU im Bankhaus Pferdmenges in Köln beschlossen wurden.
Im Juli 1948 wurde den Länderregierungschefs, unter ihnen an führender Stelle Arnold, mit den „Frankfurter Dokumenten“ die Aufgabe der Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung übertragen. Arnold zögerte zunächst, dieser Aufgabe näherzutreten, da er, wieder im Gegensatz zu Adenauer, das „Reichskonzept“, den Zusammenschluß der vier Besatzungszonen, durch die Bildung eines „Weststaats“ gefährdet sah; in der Rittersturz-Konferenz im Juli 1948 schlug er vor, ein aus den deutschen Ministerpräsidenten gebildetes gesamtdeutsches Exekutivorgan zu schaffen, fand aber mit diesem Vorschlag keine Mehrheit, und der Parlamentarische Rat begann am 1.9.1948 seine Arbeit. Daß der Rat in Bonn tagte, war auf einen Vorschlag des Leiters der nordrhein-westfälischen Landeskanzlei, Hermann Wandersieb, zurückzuführen, den Arnold übernommen hatte und dem die Ministerpräsidenten am 16.8.1948 zustimmten. Arnold, dem die Rolle des Gastgebers des Rates zufiel, unterstrich in seiner Eröffnungsrede den vorläufigen Charakter der geplanten Verfassung und stellte fest, daß es bei den Deutschen keinen Streit über die Einheit gebe. Er setzte sich für die Errichtung eines Baues ein, „der am Ende ein Haus für alle Deutschen werden soll“.
Nachzutragen ist, daß die Mitglieder des Parlamentarischen Rates von den Landtagen gewählt wurden und daß Arnold den zuerst schwankenden Konrad Adenauer darin bestärkte, sich von Düsseldorf nach Bonn entsenden zu lassen. Die Mutmaßung ist erlaubt, daß dies in der Erwägung geschah, den Parteifreund und Kontrolleur eine Zeitlang anderweitig beschäftigt zu wissen. Daß Adenauer dann die ihm gebotene Chance als Präsident des Parlamentarischen Rates bewußt zur Realisierung seines Anspruchs auf das Kanzleramt ausnützte, steht auf einem anderen Blatt, brachte ihn aber ein weiteres Mal in einen Gegensatz zu Arnold, da es, wie Zeitgenossen bezeugen – der frühere Reichskanzler Heinrich Brüning, der nordrhein-westfälische Minister Carl Spiecker und der spätere Botschafter in Moskau Hans Kroll, der Arnold ein Jahr lang als Berater diente –, Bestrebungen gab, auch von englischer Seite, Arnold zum Bundeskanzler zu machen. Dafür hatte er jedoch, wie Eugen Gerstenmaier schrieb, „keine solide Basis in Partei und Fraktion“.
Auch die berühmte Sonntagnachmittagssitzung im Haus Adenauers in Rhöndorf am 21.8.1949 trägt mittlerweile legendäre Züge. Der von Adenauer handverlesene Teilnehmerkreis beschloß, ohne dazu verfassungsmäßig legitimiert zu sein, über die von der neuen Bundesregierung einzuschlagende Politik und die Besetzung der höchsten Staatsämter, und dazu gehörte das Amt des ersten Bundesratspräsidenten, das Adenauer dem bayrischen Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU) zugedacht hatte, mit dem er sich in der Ablehnung einer Bundeskanzlerkandidatur Arnolds einig war. Um Arnold, der natürlich nicht geladen war, seinen Platz auf der unteren Ruderbank des Staatsschiffs vor Augen zu führen, veranlaßte Adenauer, nach wie vor Vorsitzender der CDU-Fraktion des nordrhein-westfälischen Landtags, einen Beschluß dieser Fraktion, in dem die Rhöndorfer Vereinbarungen sanktioniert wurden, „und man sprach mir einstimmig das Vertrauen aus“ (Adenauer).
Aber da regte sich Widerstand im Kreis der Landesfürsten, die sich durch den über ihre Köpfe ergangenen Beschluß über die Besetzung des Bundesratspräsidentenamtes in ihrer landesherrlichen Autonomie beeinträchtigt fühlten. Adenauer war zwar so klug gewesen, auch einige Vertreter einer großen Koalition nach Rhöndorf einzuladen, so den Ministerpräsidenten von Württemberg-Hohenzollern, Gebhard Müller. Als aber dann der Teilnehmerkreis für die kleine Koalition votierte und sich für Ehard aussprach, wandte sich Müller beim Abschied zornig an den CSU-Generalsekretär Franz Joseph Strauß: „Das werden wir euch heimzahlen!“ So schmiedete Arnold, mit Hilfe der den Rhöndorfer Ehard-Beschluß ablehnenden Ministerpräsidenten – unter ihnen Hinrich Kopf (Niedersachsen), Reinhold Maier (Württemberg-Baden), der selbstverständlich den schwäbischen Landsmann Arnold unterstützte und den man nicht lange zu bitten brauchte, wenn es gegen Adenauer ging, Gebhard Müller, Peter Altmeier (Rheinland-Pfalz) –, ein nahtloses Komplott zusammen, und als am 7.9.1949 im Bundesrat über das Präsidentenamt abgestimmt wurde, gab es ein einstimmiges Votum für Arnold – nur der etwas fassungslose Ehard enthielt sich der Stimme. Dieses Ereignis, das natürlich auch nicht zur Erwärmung der Beziehungen Arnold-Adenauer beitrug, schilderte Franz Joseph Strauß in der bei ihm gewohnten Direktheit: „Dieses Vorhaben (die Wahl Ehards) ist bekanntlich daran gescheitert, weil uns Karl Arnold und Gebhard Müller in den Rücken fielen“ – die „Heimzahlung“.
Der nächste Waffengang zwischen Arnold und Adenauer stand schon vor der Türe. Nach der für Arnold erfolgreich verlaufenen Landtagswahl am 18.6.1950 – CDU 93 Sitze, SPD 68, FDP 26, Z 16, KPD 12 – bedrängte Adenauer Arnold, statt der SPD nach dem Bonner Modell die FDP in die Regierung zu nehmen. Adenauer versuchte auch, Arnold durch einen seiner Vertrauensleute als Regierungschef in Nordrhein-Westfalen zu ersetzen. Beides mißlang. Arnold sah sich zwar zur Koalition gezwungen, aber er wählte das Zentrum als Partner, nachdem die Koalition mit der FDP auch daran gescheitert war, daß sich die Bundestagsfraktion der FDP gegen die Ernennung eines der beiden FDP-Ministerkandidaten, Ernst Achenbach, ausgesprochen hatte, der während des Krieges in der deutschen Botschaft in Paris als Diplomat tätig war. Auch von französischer Seite war interveniert worden.
In dieser zweiten Wahlperiode entspannten sich dank der Sozial-, Wohnungsbau- und Eigentumspolitik in Bund und Land und einer gerade an der Ruhr auf das Ganze der wirtschaftlichen Entwicklung ausgerichteten Tarifpolitik der Sozialpartner die eingangs geschilderten Notstände, der allgemeine Wohlstand wuchs und ermöglichte der Landesregierung u.a. eine großzügige Förderung der wissenschaftlichen Einrichtungen. In seiner dritten Regierungserklärung am 27.7.1954 konnte Arnold verkünden: „Die Landesregierung übernimmt ihre Aufgaben mit gefestigten und geordneten Finanzen.“ In der zweiten Wahlperiode Arnolds setzten seine Bemühungen ein, den von der Besatzungsmacht eingesetzten und zentralistisch von Hamburg aus regierten NWDR in NDR und WDR aufzulösen; der Programmanteil Kölns war nach Meinung Arnolds immer schon notleidend. Aber es dauerte noch bis 1956, ehe er die britische Genehmigung zur Trennung erhielt.
Endlich, bei der Landtagswahl am 27.6.1954 – CDU 90 Sitze, SPD 76, FDP 25, Z 9 –, wurde das nordrhein-westfälische Kabinett um FDP-Minister erweitert; aber eben diese Minister sollten einen für Arnold verhängnisvollen Part übernehmen, als es um das ominöse „Grabensystem“ ging. Adenauer wollte die FDP auf der Bundesebene minimieren, und zu diesem Behufe sollten die Bundestagssitze nicht mehr wie bisher im Verhältnis 50:50 – Mehrheitswahl und Listenplätze – verteilt werden, sondern 60:40, was insofern einen tiefen „Graben“ zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl gezogen hätte, als es die großen Parteien, so die CDU, begünstigte und die kleineren, so die FDP, benachteiligte. Obwohl Adenauer schließlich diesen Vorschlag – zu spät – zurückzog, führte die bei der FDP, insbesondere bei den Düsseldorfer „Jungtürken“, entstandene Empörung dazu, daß die FDP-Fraktion zusammen mit den Sozialdemokraten im Düsseldorfer Landtag ein konstruktives Mißtrauensvotum einbrachte, über das am 21.2.1956 abgestimmt wurde: 96 Abgeordnete gaben ihre Stimme für Arnold ab, 102 für seinen Nachfolger Fritz Steinhoff (SPD). Es war Arnolds schwärzeste Stunde. Aber er brachte die Noblesse auf, als erster seinem Nachfolger zu gratulieren. „Der Kampf im Düsseldorfer Landtag fand im falschen Saal statt“, schrieb die Presse.
Arnold trug schwer an diesem Schlag, aber verzagte nicht und wandte sich zunächst innerparteilichen Aufgaben zu. Es gelang ihm, erstmals ein „Landespräsidium“ der sich in Habt-acht-Stellung gegenüberstehenden CDU-Landesverbände Rheinland und Westfalen zu konstituieren, und gestützt auf diese vereinte Bastion wurde er im April 1956 auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart zu einem der vier Stellvertreter des Parteivorsitzenden Adenauer gewählt, natürlich bei dessen ausdrücklichem Widerspruch gegen vier Stellvertreter im allgemeinen und Arnold im besonderen. Verstärkt wandte er sich wieder den ihn von jeher beschäftigenden gesellschaftspolitischen Fragen zu, insbesondere forderte er das Miteigentum der Arbeitnehmer an den Produktionsmitteln und die breite Streuung des Eigentums überhaupt. „Eigentum für jeden“ wurde denn auch zur erfolgreichen Wahlparole des Bundestagswahlkampfes 1957. Zwei Angebote Adenauers, als Arbeitsminister in dessen Kabinett einzutreten, lehnte er 1956 und 1957 ab, da er seine Freunde Anton Storch und Theodor Blank nicht verdrängen wollte. Aber er entschloß sich, das Angebot einer Bundestagskandidatur anzunehmen, um seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen besser fördern zu können. Mit 72,6 % der Stimmen wurde er in seinem Wahlkreis gewählt; der SPD-Bewerber ging mit 19,6 % durchs Ziel.
Ohne sich zu schonen, stürzte er sich im verständlichen Bestreben, die Niederlage von 1956 wettzumachen, im Jahre 1958 in den nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf und eilte rastlos von Veranstaltung zu Veranstaltung. Die nordrhein-westfälische CDU errang am 6.7.1958 die absolute Mehrheit, aber die Stunde des Triumphs blieb Arnold versagt: wenige Tage zuvor hatte ihn ein Herzinfarkt dahingerafft.
Quellen: Stenographische Berichte des Bundesrates vom 7.9.1949 und des Landtags von Nordrhein-Westfalen vom 20.4.1947, 27.6.1954, 27.7.1954 und 21.2.1956.
Nachweis: Bildnachweise: in: Karl Arnold, Grundlegung christlich-demokratischer Politik, hg. von Rainer Barzel, 1960 (passim).

Literatur: (Auswahl) Karl Arnold, Grundlegung christlich-demokratischer Politik in Deutschland, Eine Dokumentation, hg. von Rainer Barzel, 1960; August Hagen, Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus, Bd. 4, 1963; Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, 1965, 6. Aufl. 1987; 1953-1955, 1966, 4. Aufl. 1984; 1955-1959, 1967, 4. Aufl. 1989; Walter Först, Karl Arnold (1901-1958), in: Rheinische Lebensbilder 7, 1977 (dort S. 317 weitere Literatur); Eugen Gerstenmaier, Streit und Friede hat seine Zeit, Ein Lebensbericht, 1981; Theodor Eschenburg, Jahre der Besatzung 1945-1949; Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer, 1981, in: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Dietrich Bracher, Theodor Eschenburg, Joachim C. Fest, Eberhard Jäckel, 1983; Walter Först, Karl Arnold, in: Demokraten, hg. von Claus-Hinrich Casdorff, 1983; Erich Mende, Die neue Freiheit 1945-1961, 1984; Helmut Herles, Das Parlament der Regierenden, 40 Jahre Bundesrat, Eine Chronik seiner Präsidenten, 1989; Franz Joseph Strauß, Erinnerungen, 1989; Hans-Peter Schwarz, Adenauer der Staatsmann, 1991; Munzinger 40/58; Hd 10, 11; LB 1-6, 13.
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