Bassermann, Eugen Albert 

Geburtsdatum/-ort: 07.09.1867;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 15.05.1952; Zürich
Beruf/Funktion:
  • Schauspieler
Kurzbiografie: 1884 Abgang aus der Prima des Mannheimer Realgymnasiums
1884-1886 Studium der Chemie in Karlsruhe und Straßburg
1887 Kurze Zeit Chemiker in der Zellstoff-Fabrik Waldhof, danach Volontär am Nationaltheater Mannheim
1887-1891 Engagements an den Bühnen Heidelberg, Kaiserslautern, Bad Nauheim, Köln, Lüneburg, Wernigerode, Baden-Baden, Bern, Aachen
1891-1893 Hoftheater Meiningen (vormittags „Einjährigen“-Dienst)
1893-1894 Nationaltheater Mannheim (aushilfsweise)
1895-1918 Berlin (1895-1900 Berliner Theater, Leitung: Aloys Prasch, 1900-1909 Deutsches Theater, Lessing-Theater, Leitung: Otto Brahm; 1909-1914 Kleines Theater, Leitung: Max Reinhardt; 1915 Lessingtheater, Leitung: Viktor Barnowsky)
1911 Iffland-Ring (übergeben von Friedrich Haase)
1918 ff. ausschließlich Gastspiele in allen deutschen Städten mit namhaften Bühnen
1929 Ehrenbürger der Stadt Mannheim
1933 Emigration (Österreich, Schweiz, Niederlande)
1935 Rückgabe des Iffland-Rings an das Burgtheater-Museum in Wien
1939 Emigration in die USA, Filmtätigkeit
1946 Ehrenbürger von Wien, Professor (Österreich)
1949 Aug.-1950 Feb. Tournee in Deutschland
1949 Sept. Erneuerung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Mannheim
1950-1951 Gastspiele in Heidelberg, Berlin und Basel
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1908 Else Bassermann, geb. Schiff, Schauspielerin
Eltern: Vater: Johann Wilhelm Bassermann, Ingenieur, Nähmaschinenfabrikant (1839-1906)
Mutter: Anna Bassermann, geb. Pfeiffer (1841-1902)
Geschwister: 5
Kinder: 1
GND-ID: GND/118653407

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 20-22

Bassermann war der wohl bedeutendste deutschsprachige Schauspieler in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Sein Ruhm gründete sich auf sein kaum je wieder erreichtes komödiantisches Spieltalent wie auch auf die umfassende psychologische Untermauerung der von ihm verkörperten Rollen. Ganz wesentlich aber wurde seine Darstellungskunst von der Ausstrahlung seiner ebenso eigenwilligen wie souveränen Persönlichkeit bestimmt. Bassermann lebte vollkommen zurückgezogen, in selbstgewählter Isolierung; außerhalb des Theaters hatte er keine Interessen. Eine einzigartige Hinterlassenschaft zeugt von der Unbedingtheit seines künstlerischen Wollens: in über 150 Rollenbüchern legte er mit akribischer Detailgenauigkeit seine Rollenkonzeptionen und die genauen Abläufe ihrer Realisierung auf der Bühne fest. Sein künstlerisches Programm „Aus Rollen Menschen machen“ dokumentiert sich hier in beeindruckender Unmittelbarkeit.
Bassermann stammt aus alter Mannheimer Patrizierfamilie. Den Chemiestudenten, der allerdings mehr im Theater als in Vorlesungen anzutreffen war, drängte es mit Macht zur Bühne. Vielen Chargenrollen in den Anfängerjahren folgte 1896 der künstlerische Durchbruch in Berlin (als Geßler). Sichtbare Wandlungen, einen registrierbaren Weg von der Jugend zur Reife gab es bei ihm nicht. „Ich habe keine Lehr- und Wanderjahre wie andere durchmachen müssen, um mich selbst zu finden; ich hatte mich schon, als ich die Bühne zum ersten Mal betrat.“ Sein bewundertes Vorbild war Friedrich Mitterwurzer. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts erlebte das naturalistische Theater mit Bassermann seine große Zeit; er eilte von Erfolg zu Erfolg. Einer Verengung des darstellerischen Spektrums, bedingt durch eine gewisse Einförmigkeit des Spielplans am Deutschen Theater, entging er durch den Übergang zu Reinhardt, wo er alle großen klassischen Rollen spielte, nun schon ein Denkmal seiner selbst und ausgezeichnet mit der höchsten Ehrung, die das deutsche Theater zu vergeben hat, dem Iffland-Ring. „Die bedeutende künstlerische Leistung Bassermanns bestand darin, daß er ... die Schauspielkunst aus dem Engpaß herausführte, in den sie durch die naturalistische Begrenzung auf den individuellen Persönlichkeitsausdruck geraten war, und so die theatralischen Elemente der Bühnenkunst in ihrer künstlerischen Bedeutsamkeit neu bestätigte“ (I. Richter-Haaser).
Fast zwangsläufig entfielen feste Bindungen an ein Ensemble. Schon während des Ersten Weltkriegs gastierte er praktisch nur noch und konnte sich von den Zwanzigerjahren an aussuchen, wo und was er spielen wollte. Seit 1910 wirkte er in Filmen mit, sah dies aber immer – jedenfalls bis zur Emigration – als Nebentätigkeit an, wenn auch so bedeutende Werke wie „Erdgeist“ (1921), „Affäre Dreyfuss“ (1933) und andere entstanden.
Von den äußeren Voraussetzungen her war Bassermann übrigens nicht in jeder Beziehung für eine so glänzende Laufbahn ausgestattet. Seine Erscheinung zwar war imposant, als Teil etwa „ein Hüne hodlerischer Prägung“ (M. Berthold); aber eine brüchige und immer heisere Stimme machte ihm lebenslang zu schaffen. Seine Aussprache verlor nie den heimatlichen „mannemerischen“ Tonfall, auch im Englischen nicht. Aber der Zauber der großen Persönlichkeit und der Adel des darstellerischen Ausdrucks machten all dies gegenstandslos.
Mit dem sich im Schicksalsjahr 1933 in Deutschland breitmachenden Ungeist schloß er keine Kompromisse. Zeitzeugen mögen ermessen, was es heißt, daß Bassermann wagte, sich am 20. 4. 1933 nach einer Festaufführung von Johsts „Schlageter“ inmitten eines dem sogenannten Führer den Hitlergruß erweisenden. Ensembles als einziger förmlich zu verbeugen. Als seine „nichtarische“ Ehefrau und Kollegin nicht mehr mit ihm engagiert wurde, ging er in die Fremde, nach dem „Anschluß“ Österreichs in die USA. Was muß es diesem Mann „mit dem Stichwort und dem Ruf zur Leidenschaft“ (Hamlet) bedeutet haben, daß er seine Heimat verlassen und damit sein ureigenstes Medium, die deutsche Muttersprache, aufgeben mußte! In Hollywood, wo er nach auch ihm nicht ersparten bürokratischen Einreiseschwierigkeiten Fuß fassen konnte, spielte er zwischen 1940 und 1946 in 14 Filmen mit („Brief but unforgettable appearance“, heißt es in einer Rezension, „... with knowing mastery“), zum Teil unter bedeutenden Regisseuren: M. Le Roy, G. Cukor, J. von Sternberg. „This Man Reuter“ (Regie: W. Dieterle) und „Foreign Correspondent“ (Regie: A. Hitchcock) führten zu seiner Ausbürgerung durch den NS-Staat. – Später, 1946, hatte er auch noch auf der Sprechbühne, am Broadway, Erfolge.
Aber da zog es ihn schon nach Europa zurück. Einem ersten Auftritt in Zürich am 12. 9. 1946 folgten Tourneen durch Deutschland und vielfältige Ehrungen am Abend seines Lebens. Die letzte Rolle war der Nathan am 5. 12. 1951 in Basel („eine von edelster Menschlichkeit erwärmte schlichte Meisterleistung“). Noch voller Pläne, aber schon schwer leidend, reiste der 84jährige im Frühjahr 1952 nach Europa; auf dem Flug ereilte ihn der Tod. Er wurde in Zürich eingeäschert; in einem Ehrengrab seiner Heimatstadt Mannheim ist er beigesetzt.
Zweck des Schauspiels ist es, „der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eigenen Züge, der Schmach ihr eigenes Bild, und dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen.“ Selten ist diese Forderung Shakespeares so vollkommen verwirklicht worden wie im Lebenswerk Bassermanns.
Nachweis: Bildnachweise: in Bab (vgl. Lit.).

Literatur: Julius Bab, „A. Bassermann, Weg und Werk“ (Leipzig 1929); Hans Knudsen, A. Bassermann, in: NDB 1, 1953, 622; Inge Richter-Haaser, Die Schauspielkunst A. Bassermanns (Berlin 1964, mit ausführlichem Literaturverzeichnis); ergänzend: M. Berthold, Weltgeschichte des Theaters (Stuttgart 1968); Stichwort „A. Bassermann“, in: BbG 6/1 Nr. 32370/71; zur Filmtätigkeit: Ch. Reinert (Hg. „Wir vom Film“ (Herder-Bücherei Band 53, Freiburg i. Bassermann 1960); Ch. Highham/J. Greenberg, Hollywood in the Forties (New York 1968); A. Sarris, „The American Cinema“ (New York 1968); L. Halliwell, The Filmgoer's Companion (St. Albans 1972).
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