Billing, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 07.02.1867;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 02.03.1946;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Architekt
Kurzbiografie: 1873-1883 Volksschule und Realgymnasium in Karlsruhe
1883-1884 Kunstgewerbeschule in Karlsruhe
1884-1885 einjährige Militärzeit
1886-1888 Architekturstudium an der Technischen Hochschule Karlsruhe
1903 Prof. an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe
1906-1937 Mitglied des Lehrkörpers der Technischen Hochschule Karlsruhe, ab
1907 ordentlicher Prof. für Baukonstruktion und Entwerfen bürgerlicher Wohn- und Geschäftshäuser
1920-1923 Direktor der Landeskunstschule in Karlsruhe
1936 Ehrensenator der Universität Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1892, Selma, geb. Anwandter; Scheidung 1905
2. 1907 Olga, verwitwete Lichtenstein, geb. Nisle; Scheidung um 1917
3. 1921 Marianne, geb. Herzog
Eltern: Vater: Christian Billing, Maurermeister, Bauunternehmer und Baustoffabrikant in Karlsruhe
Mutter: Lisette, geb. Zoller
Geschwister: etwa 12
Kinder: 8 aus erster Ehe
GND-ID: GND/118658840

Biografie: Gerhard Kabierske (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 40-41

Billing stammte aus einer Karlsruher Bauhandwerker- und Bauunternehmerfamilie. Schon während der Schulzeit zeigte sich sein außergewöhnliches Zeichentalent. Nach der Sekundarreife besuchte er deshalb zunächst die Kunstgewerbeschule seiner Heimatstadt, die damals unter ihrem Direktor Hermann Götz zu einem Zentrum der kunstgewerblichen Bestrebungen in Deutschland geworden war. Obwohl sich Billing nach Ableistung seines Militärdienstes für den Beruf des Architekten entschied und an die Technische Hochschule in Karlsruhe überwechselte, blieb der Eindruck des Kunstgewerbes für seine spätere Entwicklung bestimmend.
An der Technischen Hochschule stand er den doktrinären Idealen der Neorenaissance, wie sie von seinen Lehrern Josef Durm, Otto Warth und Adolf Weinbrenner vertreten wurden, distanziert gegenüber. Wichtiger wurden für ihn die Selbststudien, die er Zeit seines Lebens auf Reisen durch Deutschland, Frankreich, Italien, Holland, die Schweiz und Skandinavien machte. Zwischen 1888 und 1892 hielt sich Billing in Berlin und Aachen auf, wo er als Praktikant der führenden Architekten Kayser&von Großheim, Heinrich Seeling und Georg Frentzen mit den damals neuesten Stiltendenzen in Berührung kam.
Nach der Eheschließung 1892 ließ sich Billing als freier Architekt in Karlsruhe nieder und versuchte, durch spektakuläre Wettbewerbsbeteiligungen bekannt zu werden. Ein erster Erfolg stellte sich bereits 1893 ein, als ihm nach einer Konkurrenz die architektonische Ausgestaltung der Weserbrücke in Bremen übertragen wurde, die in der Fachwelt auf großes Interesse stieß. In den nächsten Jahren arbeitete er hauptsächlich an Aufträgen für Wohn- und Mietshäuser sowie Industrieanlagen in Baden. Wichtige Bauten dieser Zeit sind u. a. die Maschinenfabrik Lorenz in Ettlingen, die Häuser Lieber, Meckel und Billing in Karlsruhe sowie als erster Repräsentationsbau das Melanchthonhaus in Bretten.
Das Frühwerk bis 1899 ist geprägt von der Auseinandersetzung mit dem Späthistorismus. Billing benutzte unterschiedlichste Stilelemente, um eine malerische Gesamtwirkung zu erzielen. Mit der Mißachtung akademischer Bauregeln fand er dabei Anschluß an die Strömungen der europäischen Architekturavantgarde.
Im Jugendstil konnten sich Billings dekorative Fähigkeiten voll entfalten. An die Stelle historischer Stilvorlagen traten nach 1900 freiere individuelle Formen. Mit einer unerschöpflich scheinenden Kreativität schuf er nun eine große Anzahl von Gebäuden, die sich durch einfallsreiche Fassadengliederungen und unkonventionelle Grundrißlösungen auszeichnen, beispielsweise das Gebäude der Hofapotheke und die Bebauung der Baischstraße in Karlsruhe. Viele Werke wurden in den wichtigsten zeitgenössischen Bau- und Kunstzeitschriften publiziert und machten Billing neben den Architekten Curjel&Moser als Hauptvertreter der modernen Baukunst in Baden bekannt.
Entwarf Billing zunächst meist für private Bauherren, war er nach 1904, als sein Musikraum auf der Weltausstellung in St. Louis Aufsehen erregte, vor allem mit öffentlichen Aufträgen für monumentale Großbauten beschäftigt. Seine anspruchsvollsten Werke der Jahre bis 1911 sind die Kunsthallen in Mannheim und Baden-Baden, das Kollegiengebäude I der Universität Freiburg und das Rathaus in Kiel. Sie zeigen stilistisch die Hinwendung zu ruhigeren Formen und bestechen durch ihre großartigen plastischen Körper- und Raumwirkungen.
Diese umfangreichen Bauaufgaben bewältigte Billing seit 1896 mit Hilfe eines gut organisierten Ateliers, in dem viele Angestellte tätig waren, und das zeitweise über Zweigbüros in Freiburg, Baden-Baden, Mannheim, Frankfurt und Kiel verfügte. Billing war zudem temporär mit den Architekten J. Mallebrein, L. Stober und W. Vittali assoziiert, deren Einfluß auf die künstlerische Gestaltung allerdings gering blieb.
Die offizielle Anerkennung seiner Verdienste um das Bauwesen setzte nach 1911 ein. Billing erhielt badische und preußische Orden sowie den Titel Oberbaurat verliehen. Die Universität Freiburg ernannte ihn zum Ehrendoktor, 1936 zum Ehrensenator.
Neben dem Bauen war es besonders die Lehrtätigkeit, mit der Billing hervortrat. Schon seit 1901 gab er Unterricht im Architekturzeichnen an der Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe, ab 1903 als Professor. Über 30 Jahre lang, von 1906 bis 1937, wirkte er an der Technischen Hochschule. Hier wurde er nach dem Tod von Friedrich Ratzel 1907 ordentlicher Professor für Baukonstruktion und Entwerfen bürgerlicher Wohn- und Geschäftshäuser.
Nach 1911 und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg, der ein tiefer Einschnitt in seinem Leben war, widmete sich Billing verstärkt seiner Aufgabe als Lehrer. 1919 beauftragte ihn die neue Regierung mit der Neuorganisation von Akademie und Kunstgewerbeschule in Karlsruhe. 1920-1923 war er erster Direktor der von ihm geschaffenen Landeskunstschule. Auch mit der Malerei, die ihn schon immer interessiert hatte, beschäftigte sich Billing nun stärker; er brachte dabei jedoch keine eigenständigen Leistungen hervor.
Die erhaltenen Architekturentwürfe und die wenigen ausgeführten Gebäude der zwanziger und dreißiger Jahre, etwa das Krankenhaus in Singen/Hohentwiel, die Feuerwache oder die Kolpingplatzbebauung in Karlsruhe, zeigen Billings Versuch, mit der raschen Entwicklung der Architektur Schritt zu halten. Er verwertete die jeweils neuesten Einflüsse von Neoklassizismus, Expressionismus und Neuem Bauen, ohne dabei wie in der Vorkriegszeit stilprägend zu sein.
Nach 1933 wurde seine persönliche Situation zunehmend schwieriger, da er sich aufgrund seiner individualistischen Einstellung weigerte, Mitglied der NSDAP zu werden. Nach und nach zog er sich ins Privatleben zurück. Er konnte mit dem Gebäude der Reichspostdirektion zwar noch einen Teil der schon seit 1924 geplanten Bebauung des Ettlinger-Tor-Platzes in Karlsruhe verwirklichen, mußte dabei aber seine ursprüngliche Fassadengestaltung dem Geschmack der neuen Machthaber anpassen. Entmutigt von den Kriegserlebnissen starb Billing 1946 in seiner Heimatstadt.
Werke: Architekturskizzen. Stuttgart 1904. Verkleinerte Tafelzeichnungen aus meinen Vorträgen über Gestaltungslehre an der Technischen Hochschule Karlsruhe, Karlsruhe 1935.
Nachweis: Bildnachweise: Porträtgemälde von Alfred Schmidt, in: Deutsche Kunst und Dekoration 3, 1898/99, 85.

Literatur: (Auswahl): Das geistige Deutschland am Ende des XIX. Jahrhunderts. Leipzig, Berlin 1898, 54; A. v. Oechelhäuser, Geschichte der Bad. Akad. der Bildenden Künste. Karlsruhe 1904, 111 f.; K. Widmer, Der Musikraum in der Weltausstellung St. Louis von Prof. H. Billing, Architekt in Karlsruhe. Stuttgart o. J. (1904); ThB 4, 1910, 31 f. (J. A. Beringer); K. Martin, H. Billing. Berlin, Leipzig, Wien 1930; V. Riecke, H. Billing. Sein Werk als Beitrag zur Formensprache moderner Architektur. (Masch.schr.) Schöntal 1949, 95 Bl., 138 Abb.; ders., H. Billing, in: TH Fridericiana Karlsruhe. Festschrift zur 125-Jahrfeier der TH Karlsruhe. Karlsruhe 1950, 22 ff.; Vollmer I, 214; R. Gieselmann, Hommage à Billing, in: Bauen und Wohnen 24, 1969, Heft 7, VII 3-4; Architekten der Fridericiana. Skizzen und Entwürfe seit Weinbrenner, zusammengestellt von W. Schirmer und J. Göricke. Katalog zur Ausstellung in der Staatl. Kunsthalle Karlsruhe 1975. Fridericiana, Zs. d. Univ. Karlsruhe, Heft 18, o. J. (1975); D. V. Lafrenz, Die Architektur des Kieler Rathauses von H. Billing 1867-1946. Phil. Diss. Kiel 1978; G. Kabierske, Der Architekt H. Billing 1867-1946. Leben und Werk. Phil. Diss. Freiburg i. Br. (in Vorbereitung; mit Werkverzeichnis und ausführlicher Biographie).
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