Wolf, Maximilian (Max) Franz Joseph Cornelius 

Geburtsdatum/-ort: 21.06.1863;  Heidelberg
Sterbedatum/-ort: 03.10.1932;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Astronom
Kurzbiografie: 1882 Abitur am Gymnasium in Heidelberg
1882–1883 Einjährig-Freiwilliger beim 2. Bad. Grenadierregiment Nr. 110
1884–1888 Studium in Heidelberg u. Straßburg
1888 XII. Promotion bei Leo Königsberger (➝ V 151) in Heidelberg: „Die Differentialgleichung d. mittleren Anomalie u. die Wahrscheinlichkeit d. Konvergenz in d. Darstellung ihres Integrals“
1889–1990 Gastaufenthalt an d. Univ. Stockholm
1890 VII. Habilitation an d. Univ. Heidelberg
ab 1893 Lehrauftrag an d. Univ. Heidelberg
ab 1902 o. Professor für Astronomie an d. Univ. Heidelberg
1930 Vorsitzender d. Astronomischen Gesellschaft
1920, 1932 zwei Kleinplaneten, Wolfiana u Maximiliana, nach Wolf benannt
1935 ein Mondkrater nach Wolf benannt
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Berufung in zahlreiche dt. u. ausländ. Akademien, u. a. in die Heidelberger Akademie (1909) u. in Akademien d. Wissenschaften d. USA(1913), Bayern (1922) u. Preußen (1925); Goldmedaillen d. Weltausstellungen von Paris (1900) u. St. Louis (1904) sowie d. Royal Astronomical Society, London (1914); Ehrenbürger d. Stadt Heidelberg (1928); Bruce-Medaille d. Astronomical Society of the Pacific (1930)
Verheiratet: 1897 (Heidelberg) Gisela, geb. Merx (1875–1965)
Eltern: Vater: Franz (1827–1895), Arzt
Mutter: Elise, geb. Helwerth (1840–1924)
Geschwister: 2; Robert u. Gerhart
Kinder: 3; Franz, Ernst u. Werner.
GND-ID: GND/11876988X

Biografie: Immo Appenzeller (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 433-437

Wolf beschäftigte sich schon als Schüler mit Astronomie. Er begann mit einem kleinen Teleskop, das er an einem Fenster der elterlichen Wohnung in der Heidelberger Altstadt aufstellte, um damit den Himmel zu beobachten und die Mondoberfläche zu zeichnen. Wolfs vermögende Eltern unterstützten die naturwissenschaftlichen Neigungen ihres Sohnes in großzügiger Weise. 1879, als Wolf 16 Jahre alt war, errichtete sein Vater für ihn als Anbau an das Elternhaus eine Beobachtungsterrasse. Außerdem erhielt Wolf von seinen Eltern ein Linsenteleskop mit einer Öffnung von 3,5 Zoll. In den folgenden Jahren kamen weitere Instrumente hinzu. 1885 wurde in einer drehbaren Kuppel ein Teleskop mit 15 cm Öffnung installiert, das dem Standard einer professionellen Sternwarte der damaligen Zeit entsprach. Wolfs Privatsternwarte wurde recht schnell auch international bekannt. So wurde sie zum Beispiel in der Ausgabe der englischen wissenschaftlichen Zeitschrift „Knowledge“ vom Dezember 1893 ausführlich beschrieben.
Nach dem Abitur am Heidelberger Gymnasium 1882 trat Wolf zunächst als Einjährig-Freiwilliger in das 2. Bad. Grenadierregiment Nr. 110 in Mannheim ein. Bei einem Sportunfall wurde er jedoch bald darauf so schwer verletzt, dass er für den weiteren Militärdienst untauglich war. Er schied daher vorzeitig aus und begann 1884 mit einem Studium an der Universität Heidelberg. Da zu diesem Zeitpunkt in Heidelberg keine astronomischen Vorlesungen angeboten wurden, studierte Wolf Mathematik und Physik. Nur während des WS 1884/1885, das er in Straßburg verbrachte, hörte er auch Vorlesungen über Astronomie. Besonderen Einfluss auf Wolf hatte der Heidelberger Mathematiker Leo Königsberger, unter dessen Anleitung Wolf mit einer Arbeit über „Die Differentialgleichung der mittleren Anomalie und die Wahrscheinlichkeit der Konvergenz in der Darstellung ihres Integrals“ 1888 promovierte.
Im April 1889 reiste Wolf zu einem Forschungsaufenthalt nach Stockholm, wo er mit dem aus Finnland stammenden Astronomen Hugo Gylden (1841–1896) zusammenarbeitete. Mit Gylden untersuchte Wolf die Theorie der Bahnen der keinen Planeten und des mechanischen Dreikörperproblems. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habilitierte sich Wolf mit einer Arbeit aus diesem Themenkreis an der Universität Heidelberg. Die Habilitationsschrift war allerdings praktisch vollständig in Stockholm entstanden und wurde auch dort (in französischer Sprache) veröffentlicht.
Ab 1890 hielt Wolf regelmäßig Vorlesungen über astronomische Themen an der Heidelberger Universität. Hauptsächlich widmete er sich aber in den folgenden Jahren der astronomischen Forschung an seiner inzwischen gut ausgebauten Privatsternwarte in der Heidelberger Märzgasse. Wichtigstes Instrument dieses Observatoriums war ein visuelles Linsenteleskop mit 15 cm Öffnung, dessen Montierung bei Sendtner (München) gekauft wurde und dessen Optik von Reinfelder und Hertel stammte. An dieses kommerziell erworbene Teleskop baute Wolf zwei große photographische Kameras an, die mit Objektiven von zunächst 6 cm und später 15 cm Öffnung ausgerüstet waren. Diese Objektive beruhten auf damals in der Porträtphotographie eingesetzten Linsensystemen. Die Technik der Photographie war zwar bereits 40 Jahre früher erfunden worden, die zunächst benutzten Verfahren, etwa die populäre Daguerreotypie, waren aber für astronomische Anwendungen zu unempfindlich. Erst die Entwicklung von Photoplatten mit Gelatine-Emulsionen machte es möglich, auch Himmelsobjekte abzubilden, die schwächer als die Sonne und der Mond waren. Wolfs wichtige Leistung war es, dass er zusammen mit Plattenherstellern Emulsionen fand, die für die Astrophotographie geeignet waren und dass er die ersten speziell für die Astronomie ausgelegten Kameras und Teleskope entwickelte. Zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen Edward Emerson Barnard (1857–1923), mit dem Wolf eng befreundet war, gilt Wolf als der herausragende Wegbereiter der astronomischen Photographie. Diese Technik war dann fast ein Jahrhundert lang die wichtigste Methode der Abbildung des Nachthimmels, bevor sie in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s durch elektronische Verfahren abgelöst wurde.
Wissenschaftlich war Wolf mit seinen neuartigen photographischen Kameras insbesondere auf zwei Gebieten erfolgreich. Eine Anwendung war die Suche nach Kleinplaneten im Sonnensystem. Wegen des Bahnumlaufs der Erde und der Planeten um die Sonne bewegen sich Planeten am Himmel relativ zu den Hintergrundsternen. Auf lang belichteten Himmelsaufnahmen, bei denen die Kamera den Sternen nachgeführt wird, erscheinen Planeten daher nicht als Punkte sondern als Strichspuren. Wolf benutzte diesen Effekt als erster, um mit Hilfe der Photographie neue Kleinplaneten zu entdecken. Zusammen mit seinen Mitarbeitern gelang es ihm auf diese Weise, in kurzer Zeit die Anzahl der bekannten Kleinplaneten erheblich zu vergrößern und ihre statistischen Eigenschaften abzuleiten.
Die zweite wichtige Anwendung der Astrophotographie war die Entdeckung und Untersuchung von diffusen astronomischen Objekten, wozu insbesondere die galaktischen Gasnebel und die fernen Galaxien, die damals ebenfalls noch als „Nebel“ bezeichnet wurden, gehören. Wolf zeigte, dass man mit photographischen Himmelsaufnahmen wesentlich mehr und wesentlich schwächere Nebel finden und untersuchen konnte, als das mit visuellen Beobachtungen möglich gewesen war.
Im Jahre 1893 genehmigte Großherzog Friedrich I. von Baden Wolf ein Reisestipendium zur Teilnahme an einer astronomischen Tagung in Chicago und zum Besuch verschiedener Forschungseinrichtungen in den USA. Mit diesem Stipendium reiste Wolf u. a. zum Lick-Observatorium auf dem Mt. Hamilton in Kalifornien und zum noch im Aufbau befindlichen, aber schon damals berühmten Yerkes-Observatorium der Universität von Chicago. Unter dem Eindruck dieser Reise intensivierte Wolf seine Bemühungen, im Heidelberger Umfeld ein neues und modernes astronomisches „Bergobservatorium“ zu gründen. Mit der persönlichen Unterstützung des Großherzogs, der dazu auch private Mittel des Hauses Baden zur Verfügung stellte, wurde diese neue Sternwarte dann schließlich ab 1895 auf dem Königstuhl südlich von Heidelberg errichtet und 1898 in Anwesenheit des Großherzogs eingeweiht.
Die neue Sternwarte hatte zunächst zwei Abteilungen. Die astrophysikalische Abteilung wurde von Wolf geleitet und erhielt als Grundausstattung das Instrumentarium von Wolfs früherer Privatsternwarte. Der Leiter der zweiten astrometrischen Abteilung war Wilhelm Valentiner (vgl. S. 414), der vorher Hofastronom in Karlsruhe gewesen war. Diese Abteilung erhielt die von Karlsruhe mitgebrachten Instrumente. Nach Valentiners Emeritierung 1909 übernahm Wolf dann die Leitung des Gesamtinstituts. Unter Wolfs Leitung entwickelte sich das neue Observatorium in kurzer Zeit zu einer der leistungsfähigsten und angesehensten astronomischen Forschungseinrichtung in Europa. Dieser Erfolg war hauptsächlich auf zwei innovative neue Teleskope zurückzuführen, die Wolf konzipierte und mit Hilfe von privaten Sponsoren realisierte. Als erstes konstruierte Wolf einen photographischen Doppelrefraktor, dessen Bau durch eine großzügige Spende der bekannten amerikanischen Förderin der Wissenschaften Katherine Wolf Bruce (1816–1900) ermöglicht wurde. Die Gläser für die beiden Objektive mit je vier Linsen von 40 cm Öffnung wurden bei Schott in Jena hergestellt. Das Schleifen der Linsen erfolgte bei Brashear in den USA. Die Montierung stammte von Grubb in Irland. Nach technischen Anfangsschwierigkeiten konnte das Instrument im Jahre 1900 in Betrieb genommen werden. Das zweite neue Instrument war ein Spiegelteleskop mit 72 cm Öffnung. Die Montierung dieses Teleskops wurde durch die Mäzenin Käthe Waltz finanziert. In der Fachliteratur wird das Teleskop daher gewöhnlich als „Waltz-Reflektor“ bezeichnet. Die Optik des 72-cm-Teleskops wurde von der Firma Carl Zeiss in Jena produziert und Wolf als Spende zur Verfügung gestellt. Die hierfür gefertigten 72-cm-Spiegel bildeten die erste astronomische Großoptik, die bei Zeiss hergestellt wurde. Der Beobachtungsbetrieb am Waltz-Reflektor begann 1906.
Während mit dem Bruce-Teleskop die Arbeiten von Wolfs Privatsternwarte zur Suche nach Kleinplaneten und zur Photographie von Nebeln fortgesetzt wurde, benutzte Wolf das Spiegelteleskop zur Untersuchung lichtschwacher Spiralnebel und zur Aufnahme von Spektren von Sternen, Nebeln und Kometen. Wolf gehörte zu den ersten, die Spektren von Spiralnebeln aufnahmen. Insbesondere bemerkte Wolf offenbar als erster die systematische Rotverschiebung der Spektren extragalaktischer Objekte. Ein von Wolf gewonnenes Spektrum der Spiralgalaxie M 81 zeigte erste Hinweise auf eine Rotation solcher Systeme. Mit Spektren von galaktischen Gasnebeln trug Wolf wesentlich zur Klärung der physikalischen Natur dieser Objekte bei. Anhand seiner photographischen Aufnahmen versuchte Wolf auch als erster Ordnung in die Morphologien der Nebel zu bringen, indem er ein Klassifikationsschema entwickelte. Wolfs Klassifikation war eine der Grundlagen für die noch heute benutzten, von E. Hubble (1889–1953) eingeführten morphologischen Klassen. In einer seiner interessantesten Arbeiten, veröffentlicht in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften von 1911, versuchte Wolf die damals noch unbekannte Entfernung der Spiralnebel abzuleiten. Wolfs absolute Entfernungswerte waren allerdings viel zu klein. Er konnte aber zeigen, dass diese Objekte extragalaktischer Natur waren, und die von Wolf abgeleiteten relativen Entfernungen waren bereits erstaunlich gut. Ein weiterer wichtiger Beitrag zu den Anfängen der extragalaktischen Forschung war Wolfs Entdeckung der Galaxienhaufen.
Die Blütezeit von Wolfs Sternwarte endete mit dem Ausbruch des I. Weltkriegs. Kriegsbedingt mussten viele wissenschaftliche Programme eingeschränkt oder abgebrochen werden, und nach Kriegsende fehlten die finanziellen Möglichkeiten, das Institut technisch und wissenschaftlich auf dem Stand der Zeit zu halten. Der bad. Staat hatte andere Sorgen, und Wolfs private Sponsoren hatten vielfach ihr Vermögen verloren. Obwohl Wolfs freundschaftliche Verbindungen zu ausländischen Kollegen erhalten geblieben waren, führte die Isolation Deutschlands im und nach dem Krieg dazu, dass auch die Unterstützung aus dem Ausland ausblieb. Die Sternwarte setzte zwar erfolgreich ihre Beobachtungen von Kleinplaneten und Sternen fort, hatte aber nicht mehr die Mittel, sich an der raschen Weiterentwicklung der galaktischen und extragalaktischen Forschung zu beteiligen, die nun zunehmend von den großen Sternwarten der USA dominiert wurde. Wie aus seinen Schriften bekannt, war sich Wolf dieser Situation schmerzlich bewusst. Der Verlust der wichtigen Rolle, die seine Sternwarte vor dem I. Weltkrieg gespielt hatte, überschattete daher zunehmend Wolfs letzte Lebensjahrzehnte.
Aber auch neue Themen der Astronomie, die durchaus im Rahmen der Möglichkeiten der Heidelberger Sternwarte hätten bearbeitet werden können, wurden von Wolf und seiner Gruppe nicht mehr aufgegriffen. Insbesondere erkannte Wolf offenbar die fundamentale Bedeutung der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) für die Weiterentwicklung der Astronomie nicht oder erst spät. Wie wir aus seinen Aufzeichnungen (Freiesleben, 1962) wissen, hatte Wolf die Veröffentlichungen seines Zeitgenossen Einstein von 1915 und 1916 zwar mit großem Interesse aufgenommen, ihre Richtigkeit aber zunächst angezweifelt. In einer Arbeit, die er 1920 in den Astronomischen Nachrichten (Bd. 212, 181) publizierte, unterstützte Wolf zwar den experimentellen Beweis der ART, indem er zeigte, dass die von englischen Kollegen gemessene relativistische Lichtablenkung durch die Sonne nicht mit systematischen Fehlern erklärt werden konnte. Ansonsten beteiligten sich Wolf und seine Gruppe aber nicht an der Diskussion der astrophysikalischen Konsequenzen der neuen Theorie. Da die ART gerade für das Verständnis der extragalaktischen Welt besonders wichtig ist, für deren Erforschung Wolf am Anfang des 20. Jh.s grundlegende Pionierarbeit geleistet hatte, war Wolfs Zurückhaltung bezüglich der ART überraschend und schwer verständlich.
Trotz des Rückgangs der Bedeutung seiner Arbeiten nach dem I. Weltkrieg gehörte Wolf ohne Zweifel zu den großen Astronomen seiner Zeit. Mit der Entwicklung der Astrophotographie, mit seinen Beiträgen zur astronomischen Spektroskopie und mit seiner Rolle bei der Geburt der extragalaktischen Astronomie hat er am Anfang des 20. Jh.s wesentlich zum Fortschritt bei der Erforschung des Kosmos beigetragen.
Quellen: Nachlass Max Wolf in d. UB Heidelberg; Jahresberr. des astrophysikal. Observatoriums Königstuhl-Heidelberg.
Werke: Über die Verwendung gewöhnlicher photographischer Objektive, in Sirius: 24, 1891, 106; A remarkable nebula in Cygnus, in: Monthl. Notices of the Royal Astr. Society 64, 1904, 838; Über einen Nebelfleck-Haufen im Perseus, in: Astr. Nachrichten 180, 1906, 151; Die Klassifikation d. kleinen Nebelflecken, in: Publ. Astrophys. Inst. Königstuhl-Heidelberg 3, 1908, 109; Über einige Nebelspektren, in: Astr. Nachrichten 180,1909, 109; Die Entfernung d. Sterne, in: Sitzungsberr. d. Heidelberger Akad. d. Wissenschaften, 37. Abh., 1911.
Nachweis: Bildnachweise: Nachlass Max Wolf; Freiesleben, 1962; Schaifers, 1985 (vgl. Quellen u. Literatur).

Literatur: H.C. Freiesleben, Max Wolf, in: Große Naturforscher Bd. 26, 1962; K. Schaifers, Max Wolf, in: Semper Apertus Bd. III, 1985, 97.
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