Kluge, Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 21.06.1856; Köln
Sterbedatum/-ort: 21.05.1926;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Germanist
Kurzbiografie: 1874 Abitur in Soest
1874-1878 Studium der vergleichenden Sprachwissenschaft, der Klassischen und Neueren Philologie in Leipzig und Straßburg
1878 Promotion in Straßburg
1879 Studienaufenthalte in Freiburg und England
1880 Staatsexamen für das Lehramt; Habilitation in Straßburg, Privatdozent für deutsche und englische Philologie
1884 außerordentlicher Prof. für deutsche und englische Philologie in Jena
1886 ordentlicher Prof. in Jena
1892 Ablehnung eines Rufes an die Universität Groningen
1893 ordentlicher Prof. für deutsche Sprache und Literatur in Freiburg
1901/02 Rektor der Universität Freiburg
1902 Beginn der Erblindung; Hofrat
1905 Ritterkreuz 1. Klasse vom Zähringer Löwen, 1914 mit Eichenlaub
1906 Geheimer Hofrat
1911 Königlich-Preußischer Roter Adler III. Klasse
1913 Königlich-Bayerischer Maximilianorden für Wissenschaft und Kunst
1917 Geheimer Rat
1919 Zwangsweise (ministeriell angeordnete) Emeritierung, Ernennung zum ordentlichen Honorarprof.
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1890 Amalia Karolina, geb. Westermann
2. 1893 Bertha, geb. Wohnhas
3. 1900 Auguste Emma, geb. Blasberg
Eltern: Vater: Karl Kluge (1826-1891), Bahnmeister
Mutter: Katharina Wilhelmina Karolina, geb. Schmitz (1824-1874)
Geschwister: 4
Kinder: 3 (1 Sohn, 2 Töchter)
GND-ID: GND/118777475

Biografie: Gerhard W. Baur (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 152-153

Aus einfachen Verhältnissen stammend zeigte der zunächst eher stille, begabte und gleichmäßig fleißige Kluge bereits als Gymnasiast in Soest Züge, die später den unermüdlichen Gelehrten auszeichnen sollten: eine selbständige Denkweise und eine manchmal weitgreifende, immer peinlich genaue Art, an die Dinge heranzugehen. Wenn ihm auch sein anregender Deutsch- und Griechischlehrer G. Legerlotz seine Aufsatzdarstellung einmal als „philologische Tüftelei“ kritisierte, so hat Kluge doch gerade durch ihn entscheidende sprachliche Schulung und besonders die Neigung zur etymologischen Forschung vermittelt bekommen. In Leipzig kam er ins Zentrum der sich eben neu formierenden Sprachwissenschaft. Er ließ sich beeinflussen von ihren Begründern und Wortführern August Leskien, Friedrich Zarncke und deren Schülern, den sogenannten „Junggrammatikern“, welche die Lehre von der ausnahmslosen Wirkung der „Lautgesetze“ und damit auch jeden Lautwandels propagierten. Kluge öffnete sich aber auch den Anschauungen Rudolf Hildebrands, der eine konkretere Sprachwissenschaft forderte und vertrat, der die gegenstandsgebundene Seite der Wortkunde betonte und Wortgeschichte im Zusammenhang mit Kulturgeschichte sah.
Nach ersten Beiträgen zur germanischen Laut- und Formenlehre, seiner Dissertation von 1878, beschäftigte er sich immer mehr mit Fragen der Wortverwandtschaft, der Wortbildung, der Wortgeschichte, schließlich auch – als erster – mit den Sondersprachen bestimmter Berufe oder gesellschaftlicher Gruppen. 1881-1883 erschien das schon in seinen Straßburger Studentenzeiten begonnene „Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache“, das 1884 bereits in 3. Auflage vorliegt und noch zu Kluges Lebzeiten 10 Auflagen erlebte. An ihnen wird deutlich, wie Kluge das anfänglich vorrangig betriebene Erschließen der Urverwandtschaft der Wortformen, ihre Vorgeschichte, ersetzt durch das Feststellen des historischen und geographischen Ursprungsbereichs der Wortmaterialien. Das geschieht, indem er die einzelnen Worte im Zusammenhang mit dem ihnen innewohnenden begrifflichen Inhalt historisch untersucht, ihr Leben und Verändern durch die verschiedenen Epochen und im jeweiligen geographischen Verbreitungsgebiet so beschreibt, wie man Biographien von Menschen schreibt. Eine phantasievolle Kombinationsgabe verband sich mit vorsichtig-kritischem Abwägen, und beides wurde gestützt von einer ungewöhnlich breiten Sprach(en)kenntnis. Seine neue, schulebildende Art der Wortforschung konnte Kluge auch in den 15 Bänden seiner „Zeitschrift für deutsche Wortforschung“ (1900-1915) vorführen. Daneben publizierte er zahlreiche Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften, war sich aber auch nicht zu schade dafür, in Zeitungen und populärwissenschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen; manches davon ging in Sammelbände ein (von Luther bis Lessing 1888, 1918 5. Aufl.; Unser Deutsch 1907; Bunte Blätter 1908, 1910 2. Aufl.). Die in den 80er und 90er Jahren noch starke Beschäftigung mit den Vorstufen des Englischen und dem Urgermanischen insgesamt (Nominale Stammbildungslehre der altgermanischen Dialekte 1886, 1899 2. Aufl., 1926 5. Aufl., Angelsächsisches Lesebuch 1888, Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte und Geschichte der englischen Sprache, beides 1891, English Etymology 1898, Mittelenglisches Lesebuch 1904) wurde kurz vor der Jahrhundertwende abgelöst durch die Hinwendung zum Neuhochdeutschen und zur Untersuchung der Schichtung des Wortschatzes in Standes-, Berufs-, Geheim-, Gruppen- und Individualsprachen. Gewichtiges wurde ausgeführt (Deutsche Studentensprache 1895, Rotwelsches Quellenbuch 1901, Seemannssprache 1911); Werke, bei deren Erarbeitung Kluge bereits mit seiner sich ankündigenden Erblindung zu kämpfen hatte. Ab 1902 und für alle späteren Arbeiten war er auf fremde Lese- und Schreibhilfe angewiesen. Wohl deswegen und auch durch den Zwang zu immer erneuter Bearbeitung früherer Werke für Neuauflagen konnten seine Pläne zu einem Vergleichenden Wörterbuch der germanischen Sprachen, zu einem Rotwelschen Wörterbuch und zu einem Wörterbuch der altdeutschen Elemente im Mittellateinischen von ihm nicht ausgeführt werden. Andere Projekte hat er angeregt (Goethe-Wörterbuch, Reichsamt für deutsche Sprachwissenschaft, Zentralstelle für das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm) oder durch Schüler und mit Hilfe von Kollegen auf den Weg gebracht (Deutsches Fremdwörterbuch von H. Schulz und O. Basler 1913 ff., Badisches Wörterbuch von E. Ochs (vgl. S. 203) u. a. 1925 ff. mit starker Vor- und Mitarbeit von Kluge, A. Götze und L. Sütterlin). Immerhin entstand noch eine Reihe von Werken (Elemente des Gotischen 1911, Wortforschung und Wortgeschichte 1912, Urgermanisch 1913, Abriß der deutschen Wortbildungslehre 1913, Deutsche Namenkunde 1917, Deutsche Sprachgeschichte 1920, 1925 2. Aufl.), ein Zeugnis für seine ungebrochene Schaffenskraft.
Bis 1919 kam Kluge auch in vollem Umfang seinen Lehrverpflichtungen nach, auswendig und mit einer vielgerühmten Konzentration auf das Wesentliche vortragend und interpretierend. Die Lebendigkeit seines Lehrens in- und außerhalb der Universität und die hilfsbereite Anteilnahme am persönlichen und wissenschaftlichen Werdegang seiner zahlreichen Schüler brachte ihm volle Hörsäle und dankbare Zuneigung. So mußte den weithin anerkannten Wissenschaftler – war er doch auch Mitglied der Heidelberger, Leipziger und Münchener Akademie der Wissenschaften und Ehrenmitglied der Königlich-Flämischen Akademie in Gent – die unfreiwillige Emeritierung tief schmerzen, noch mehr, weil er auf Nichtachtung oder scheinbare und tatsächliche Zurücksetzung bei aller sonstigen freundlichen Umgänglichkeit oft empfindlich und gekränkt reagierte. Baden verdankt ihm, zusammen mit E. H. Meyer und Fr. Pfaff, den Beginn seiner volkskundlichen Erforschung. Sein hohes Ansehen im Ausland verdankte er außer seinen wissenschaftlichen Leistungen nicht zuletzt auch den ab 1912 maßgeblich von ihm konzipierten Freiburger Ferienkursen für ausländische Germanisten.
Werke: Schriftenverz.: Oswald Dammann, Verzeichnis der Schriften F. Kluges 1879-1926, in: FS F. Kluge zum 70. Geburtstage am 21. Juni 1926, Tübingen 1926, 5-20.
Nachweis: Bildnachweise: Gemälde und Relief im Deutschen Seminar d. Univ. Freiburg; Foto in: F. Behrend, Geschichte der deutschen Philologie in Bildern, 1927, 48.

Literatur: A. Götze, F. Kluge, in: Zs. für deutsche Philologie 51, 1926, 330 ff.; H. Suolahti, F. Kluge. In memoriam, in: Neuphilolog. Mitt. 27, 1926, 165 ff.; O. Behaghel, F. Kluge, in: Muttersprache 41, 1926, 198 f.; O. Basler, F. Kluge †, in: Journal of English and German Philology 26, 1927, 281 ff.; L. Sütterlin, F. Kluge, in: Indogermanisches Jb. 11, 1927, 586 ff.; V. Michels, Nachruf auf F. Kluge, in: Berichte über die Verhandlungen der Sächs. Ak. d. Wiss. zu Leipzig, Philolog.-Histor. Klasse, 79, 1927, 7*ff.; E. Einenkel, Nachruf, in: Anglia 50, NF 38, 1926 ,291 ff.; O. Dammann, F. Kluges Lebenswerk, in: Die Literatur 26, 1923/24, 201 f.; G. W. Baur, F. Kluge, in: NDB 12, 1980, 140 f.
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