Schumacher, Karl Emil Martin Stephan 

Geburtsdatum/-ort: 14.10.1860;  Sinsheim-Dühren
Sterbedatum/-ort: 17.04.1934;  Bad Mergentheim
Beruf/Funktion:
  • Prähistoriker und Archäologe
Kurzbiografie: 1872–1880 Gymnasium in Heidelberg
1880–1885 Studium d. Klass. Philologie u. Archäologie in Heidelberg, Freiburg im Br. u. Bonn mit Abschluss Höhere Lehramtsprüfung u. Promotion bei K. Wachsmuth: „De republica Rhodiorum commentatio“
1885–1887 Lehrtätigkeit an Gymnasien in Heidelberg, Bruchsal, Konstanz u. Karlsruhe
1887–1900 Assistent bei E. Wagner an den Großherzogl. Sammlungen für Altertumskunde in Karlsruhe
1888–1890 Grabungen auf dem Michaelsberg bei Untergrombach bis 1889, dann im frühkelt. Großgrabhügel Magdalenenbergle bei Villingen
1892 Ernennung zum Streckenkommissar für die bad. Limesstrecken durch die Reichslimeskommission
1894 Ernennung zum Professor durch Großherzog Friedrich I.
1896 Grabungen in d. keltischen Viereckschanze von Hardheim-Gerichtstetten
1898 Untersuchungen in Pfahlbaustationen des Bodensees: Unteruhldingen, Bodman u. Maurach
1900 XII. 21 Wahl zum 1. Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, RGZM, in Mainz
1901 III. 1 Dienstantritt am RGZM
1903 Mitglied d. Römisch-German. Kommission des Dt. Archäologischen Instituts
1909–1926 Mitherausgeber d. Mainzer Zeitschrift
1925 Dr. Ing. h. c. d. TH Darmstadt
1926 Ruhestand
1930 FS zum 70. Geburtstag durch das RGZM; Ehrenbürger von Dühren; Übersiedlung nach Bad Mergentheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen u. Auszeichnungen (Auswahl): Dr. Ing. h. c. d. TH Darmstadt (1925); Goethemedaille für Wissenschaft u. Kunst, verliehen durch Reichspräsident von Hindenburg (1932); undatiert: Orden vom Zähringer Löwen I. Klasse; Hess. Philippsorden I. Klasse; Preuß. Roter Adler Orden III. Klasse
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Emil (1831–1920), Landwirt u. Ökonom aus Sinsheim-Dühren
Mutter: Elise Friederike Ludwine, geb. Fuchs, aus Sinsheim-Dühren.
Geschwister: 3; Emil Rudolf (1863–1910), Ludwine (1867–1935) sowie eine früh verst. Schwester
Kinder: keine
GND-ID: GND/118795597

Biografie: Günther Wieland (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 364-367

Bereits in jungen Jahren erwachte in Schumacher die Begeisterung für die heimische Archäologie, wohl angeregt durch die frühere Ausgrabungstätigkeit des Sinsheimer Dekans und Altertumsforschers Karl Wilhelmi (1786–1857) in der näheren Umgebung. Der 1865 bei seinem Heimatort Dühren entdeckte reiche Latène-Grabfund hat Schumacher auch später noch wissenschaftlich beschäftigt: Schumacher nahm 1889 eine Nachuntersuchung der Fundstelle vor und machte die Grabungsergebnisse durch seine Publikation der Wissenschaft zugänglich.
Während des Studiums in Heidelberg wurde Schumacher vor allem durch den Archäologen Friedrich von Duhn in seiner wissenschaftlichen Ausrichtung beeinflusst. Ihm fühlte er sich zeitlebens verbunden. Er begleitete ihn u. a. auf Studienreisen nach Italien und Nordafrika sowie 1891 auf einer Wanderung über die Alpen, um die römischen Wegeverbindungen zu erkunden. Die wissenschaftlichen Reisen Schumachers, die ihn auch nach Frankreich, Griechenland, Südrussland und Kleinasien führten, erweiterten seine schon im Studium erworbene profunde Kenntnis der klassischen Antike und der Prähistorie des Mittelmeerraums.
Nach der Lehramtsprüfung war Schumacher von 1885 bis 1887 an verschiedenen bad. Gymnasien als Lehrer tätig, was seine pädagogischen Fähigkeiten und seine Kenntnis der bad. Landschaften vertiefte. Seine 1887 erfolgte Berufung auf die neu geschaffene Stelle eines archäologischen Assistenten an den Großherzoglichen Sammlungen für Altertums- und Völkerkunde in Karlsruhe erwies sich als wegweisend für die archäologische Forschung in Baden.
Schumacher hat zahlreiche wichtige archäologische Ausgrabungen durchgeführt, wozu etwa seine Grabungen 1888/89 und 1896 in dem jungneolithischen Erdwerk auf dem Michaelsberg bei Untergrombach, heute Bruchsal, zählen, auf deren Basis Schumacher die „Michelsberger Kultur“ als wichtige jungneolithische Kulturgruppe definierte. Mit diesen Grabungen wurde einer der ersten Schritte von einer überwiegend auf Grabfunde ausgerichteten archäologischen Feldforschung hin zur „Siedlungsarchäologie“ vollzogen. Oft unterschätzt wurde die Bedeutung von Schumachers Ausgrabungen 1896 in der keltischen Viereckschanze bei Gerichtstetten bei Hardheim im heutigen Neckar-Odenwald-Kreis. In der 1899 erfolgten Publikation hat er eine in Süddeutschland weit verbreitete Gruppe archäologischer Denkmäler erstmals in den richtigen zeitlichen und kulturellen Kontext gebracht und die zielgerichtete Erforschung der spätkeltischen Viereckschanzen des 2. und 1. Jh.s v. Chr. in Gang gebracht.
Schumachers Tätigkeit als bad. Streckenkommissar der 1892 gegründeten Reichslimeskommission hat bis 1900 zu einer umfangreichen Aufnahme und Dokumentation der Reste des römischen Limes in seinem Zuständigkeitsbereich geführt. In diesem Rahmen führte Schumacher u. a. Grabungen im Bauland an den Kastellen Osterburken, Neckarburken und Schloßau durch und beschäftigte sich besonders mit dem Verlauf der römischen Straßenverbindungen in Südwestdeutschland.
Spätestens seit seiner Berufung zum Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, RGZM, war Schumacher eine der wichtigsten Persönlichkeiten vornehmlich der süd- und westdeutschen Vorgeschichtsforschung. Schumacher hat nicht nur die Räumlichkeiten und den Personalbestand des RGZM wesentlich erweitert. In Zusammenarbeit mit dem zweiten Direktor Ludwig Lindenschmit, dem Jüngeren, ließ er vor allem zahlreiche Kopien bedeutender Fundstücke in den eigenen Werkstätten des Museums herstellen und begründete damit deren hervorragenden Ruf. Schumacher verlagerte den Schwerpunkt der Sammlungen von der typologisch-formenkundlichen auf eine komplexere kulturgeschichtliche Ausrichtung, was sich auch auf die Konzeption der Dauerausstellung niederschlug.
Genauso wurde das Publikationswesen des RGZM von Schumacher geprägt. Er begründete 1909 die Reihe „Kataloge des RGZM“ und 1922 die populärwissenschaftlich ausgerichteten „Kulturgeschichtlichen Wegweiser“. Er verstand es auch, mit diplomatischem Geschick die Interessen des Mainzer Altertumsvereins, des Städtischen Museums und des RGZM in dem ab 1906 erscheinenden Publikationsorgan „Mainzer Zeitschrift“ zu vereinen.
Zwei der wichtigsten Fachzeitschriften der Vor- und Frühgeschichtsforschung wurden von Anfang an von Schumacher mitherausgegeben: die „Prähistorische Zeitschrift“ seit 1909 und die „Germania“ seit 1917. Unter den fast 300 Publikationen Schumachers finden sich wegweisende fachwissenschaftliche Werke, die oft auch heute noch wichtige Erkenntnisquellen darstellen. Ebenso verstand er es aber auch, in allgemein verständlichen Texten die interessierte Öffentlichkeit anzusprechen. Aus seinen Werken ist stets seine Genauigkeit im Detail, aber auch sein Weitblick und sein Bestreben herauszulesen, archäologische Funde und Befunde in einen umfassenden siedlungs- und kulturgeschichtlichen Kontext einzubinden. Seine ausgedehnten Reisen und das dabei gesammelte Wissen trugen zweifellos zu diesem Denken in großen Zusammenhängen bei. Er beließ es nicht bei formenkundlichen und chronologischen Untersuchungen, sondern forschte auch nach den geistigen Hintergründen der materiellen Kultur, nach historischen und ethnischen Zusammenhängen.
Schumachers Tätigkeit im RGZM betraf gleichermaßen die archäologische Denkmalpflege in Mainz und in Rheinhessen; beispielsweise sei auf die archäologische Karte der Mainzer Umgebung, seine Arbeiten zum römischen Militärlager und die Karte der römischen Straßen im Rheinland hingewiesen.
Nach seiner Pensionierung 1926 wählte Schumacher ab 1930 Bad Mergentheim als Ruhesitz und begründete dort die „Mergentheimer Heimatblätter“. Auch in seinem Ruhestand betätigte er sich als Autor kulturgeschichtlicher Publikationen. In seinem Alterswerk „Durch Odenwald und Frankenland“ zeigte er sich noch einmal als profunder Kenner von Land und Leuten, was sich gelegentlich in pointierten und humorvollen, aber durchweg liebenswürdigen Schilderungen niederschlägt. In seinem Heimatort Dühren wurde er 1930 zum Ehrenbürger ernannt, eine Straße trägt heute seinen Namen.
Forscher- und Studienkollegen betonten Schumachers überragende Fähigkeiten im Bereich der Ausgrabungstechnik, seine Heimatverbundenheit und seinen sicheren und freundlichen Umgang mit Menschen. Seine wissenschaftliche Arbeit prägten Genauigkeit im Detail, das Denken in großen Zusammenhängen, wobei kulturhistorischen Zusammenhängen und dem geistigen Hintergrund der archäologisch erschließbaren Sachkultur sein besonderes Interesse galt.
Quellen: StadtA Sinsheim, OrtsA Dühren; Mitteilungen von W. Zahn, Dühren, E. Schumacher, Sinsheim-Rohrbach, u. G. Kreß, Meckesheim, vom Sommer 2010.
Werke: Insges. 297 Monographien u. Artikel in Fachzeitschriften zur Archäologie u. Kulturgeschichte vor allem Südwestdeutschlands u. des Rheinlandes. Verzeichnis in: Mainzer Zs. 29, 1934 (vgl. Literatur). – Auswahl: De republica Rhodiorum commentatio. Diss. phil. Heidelberg, 1886; Beschreibung d. Sammlung antiker Bronzen, 1890; Eine pränestinische Ciste im Museum zu Karlsruhe: Beitr. zur italischen Kultur- u. Kunstgeschichte, 1891; Über den Stand u. die Aufgaben d. prähist. Forschung am Oberrhein u. besonders in Baden, in: Neue Heidelberger Jahrbb. 2, 1892, 93–140; Der obergerman.-rätische Limes des Römerreichs (ORL) Abt. B, Bd. IV, Nr. 40 (Kastell Osterburken), 1895; Der obergerman.-rätische Limes des Römerreichs (ORL) Abt. B, Bd. V, Abt. B, Nr. 53 u. 53,1 (Kastelle bei Neckarburken), 1898; Gallische Schanze bei Gerichtstetten (Amt Buchen). Veröffentl. d. Großherzogl. Bad. Sammlungen für Altertums- u. Völkerkunde in Karlsruhe u. d. Karlsruher Altertumsvereins 2, 1899, 75 ff.; Zur Besiedelungsgeschichte des rechtsseitigen Rheintals zwischen Basel u. Mainz, FS des RGZM Mainz, 1902; Vorgeschichtl. Funde u. Forschungen, hauptsächlich in Westdeutschland. Berichte d. Röm.-Germ. Komm. 1, 1904, 3–13; Verzeichnis d. Abgüsse u. wichtigeren Photographien mit Germanen-Darstellungen, Kataloge des RGZM 1, 1909; Grabfund d. sog. Mittellatènezeit von Dühren. Altertümer unserer heidn. Vorzeit 5, 1911, 73– 81; Verzeichnis d. Abgüsse u. wichtigeren Photographien mit Gallier-Darstellungen. Kataloge des RGZM3, 1911; Materialien zur Besiedelungsgeschichte Deutschlands. Kataloge des RGZM 5, 1913; Der Ackerbau in vorrömischer u. römischer Zeit. Kulturgeschichtliche Wegweiser durch das RGZM 1, 1922; Siedelungs- u. Kulturgeschichte d. Rheinlande von d. Urzeit bis in das Mittelalter, Bd. 1. Die vorrömische Zeit, 1921, Bd. 2. Die römische Periode, 1923, Bd. 3,1. Siedelungsgeschichte, 1925; Das Land zwischen Neckar u. Main in d. alamannischen u. fränkischen Zeit. Zwischen Neckar u. Main 9, 1926; Das Röm.-Germ. Central-Museum von 1901 bis 1926, in: FS zur Feier des 75-jährigen Bestehens des RGZM, 1927, 53–88; Aus Odenwald u. Frankenland, 1929; Dühren bei Sinsheim an d. Elsenz. Bilder aus dem mehr als 5000-jähr. Werdegang einer Siedlungsstätte im Neckarhügelland, 1931; Die römischen Heerstraßen zwischen Main u. Neckar. Der obergerman.-rätische Limes des Römerreichs (ORL) Abt. A, Bd. 3, 1933, 71–102.
Nachweis: Bildnachweise: W. Vögele, 1988, 346 (vgl. Literatur).

Literatur: G. Wolff, Karl Schumacher, in: Wiener Prähist. Zs. 7/8, 1920/21, 1–7; Zum 70. Geburtstag Karl Schumachers, 14. Okt. 1930, (= FS), hgg. von d. Direktion d. RGZM, 1930; P. Goeßler, Karl Schumacher †, in: Prähist. Zs. 24, 1933, 347–352; ders., Zur Erinnerung an Karl Schumacher, hg. vom Bezirks-Heimatmuseum Mergentheim, 1934; G. Behrens, Karl Schumacher, in: Mainzer Zs. 29, 1934, 99–107 (mit Verzeichnis aller Publikationen); W. Vögele, Dühren – Aus d. Geschichte eines Kraichgaudorfes, 1988, 345–351; K. Zimmermann-Ebert, Große Kreisstadt Sinsheim – Rund um den Steinsberg, hgg. von d. Stadt Sinsheim, 1990, 121–122; Ch. Bittel, Fränk. Chronik 4/94 vom 5. 4. 1994, 1–4; H. Ament, Schumacher, Karl, in: J. Hoops, Reallexikon d. German. Altertumskunde, hgg. von H. Beck/D. Geuenich/H. Steuer, Bd. 27, 2004, 373–375.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)