Stegemann, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 30.05.1870; Koblenz/Rheinland
Sterbedatum/-ort: 08.06.1945; Merligen am Thuner See (Schweiz)
Beruf/Funktion:
  • Journalist, Publizist, Schriftsteller
Kurzbiografie: 1890 Abitur in Altkirch (Elsaß)
1890-1894 Studium der Germanistik und Geschichte in München und Zürich (ohne Abschluß)
1894 Dramaturg am Zürcher Stadttheater
1895-1902 Leiter des Feuilletonteils der „Basler Nachrichten“
1901 Aufgabe der deutschen zugunsten der schweizerischen Staatsbürgerschaft
1902 Redakteur der „Gartenlaube“ in Berlin
1903-1906 neuerlich Leiter des Feuilletonteils der „Basler Nachrichten“
1906-1907 Kurkommissär in Badenweiler
1906-1914 Leitartikler des zweisprachigen Mülhauser „Express“
1907-1908 Herausgeber und Leiter der „Basler Zeitung“
1908-1910 Gründer, Herausgeber und Chefredakteur der „Neuen Konstanzer Abendzeitung“
1912-1915 Chefredakteur des Berner „Bund“
1914-1918 Kriegsberichterstatter für den „Bund“
1921 Dr. h. c. der Universität Freiburg i. Br.
1922 Honorarprof. für neuere Geschichte an der Ludwig Maximilians Universität München, Senator der Deutschen Akademie
1930 Dr. h. c. der Universität Frankfurt
1933 Korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie
1935 Goethepreis der Stadt Frankfurt
1939 Rheinischer Literaturpreis
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1892 Maria Magdalena, geb. Baumann (gest. 1907 Badenweiler)
2. 1908 Hedwig, geb. Amman
Eltern: Vater: Wilhelm Stegemann, Königlicher Rechnungsrat in Koblenz und Colmar
Mutter: Susanne, geb. Bagusch
Geschwister: 2
Kinder: 3 aus 1. Ehe
GND-ID: GND/118856170

Biografie: Albrecht Bamler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 267-269

Stegemann wurde 1870 in Koblenz geboren, wuchs aber im Reichsland Elsaß-Lothringen auf und lernte so von Jugend an die Problematik dieses Landes kennen, die ihn zeitlebens intensiv beschäftigen sollte. Nach dem Abitur studierte er zunächst ein Semester Geschichte und Germanistik in München, ging aber dann, u. a. aus politischen Gründen, in die Schweiz und setzte sein Studium in Zürich fort. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen ihn, das Studium abzubrechen, so daß er in der Folgezeit als Schriftsteller und Feuilletonredakteur bei verschiedenen schweizerischen und deutschen Zeitungen arbeitete. In den Jahren 1906/07 übte er das Amt eines Kurkommissärs in Badenweiler aus, wodurch er mit der Großherzoglichen Familie in Berührung kam; mit Großherzog Friedrich II. und vor allem Prinz Max von Baden verband ihn eine lebenslange Freundschaft. 1907/08 hatte er für sechs Monate die Herausgabe und Leitung der freisinnigen „Basler Zeitung“ inne, ging aber im Sommer 1908 nach Konstanz, um dort mit dem badischen Landtagsabgeordneten M. Venedey die „Neue Konstanzer Abendzeitung“ als Parteiorgan der DVP (seit 1910 FVP) zu gründen und zu leiten. Außerdem schrieb er von 1906 bis 1914 Leitartikel für den linksliberalen Mülhauser „Express“.
Stegemann setzte sich innenpolitisch vor allem für eine Demokratisierung Deutschlands ein, d. h. für die Schaffung einer parlamentarischen Monarchie und die Bildung eines linken Großblocks (Nationalliberale bis SPD), wie er im badischen Landtag zeitweise vorhanden war.
Außenpolitisch trat er für die Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes ein, da er ein Bündnis zwischen den beiden Nationen für die Grundlage eines sicheren Friedens ansah; dabei sollte Elsaß-Lothringen mit seiner Doppelkultur, für deren Erhaltung er wie R. Schickele und andere Linksliberale kämpfte, eine Vermittlerrolle spielen. Stegemann wurde vor 1914 nicht müde, die Erhebung des Reichslandes zum gleichberechtigten deutschen Bundesstaat zu fordern, um so die Bevölkerung für Deutschland zu gewinnen; in diesem Sinne beriet er auch regelmäßig den Statthalter Graf Wedel.
Seit 1912 fungierte Stegemann als Chefredakteur der Berner Tageszeitung „Der Bund“, für die er seit Kriegsausbruch 1914 täglich seine berühmten Betrachtungen „Zur Kriegslage“ verfaßte, die wegen ihrer Sachlichkeit und Objektivität bei den Verantwortlichen aller kriegführenden Staaten, besonders aber in Deutschland, größte Beachtung fanden. Da er nach der Marneschlacht nicht mehr an einen militärischen Sieg der Mittelmächte glaubte, forderte er immer wieder politische statt militärische Offensiven, bei grundsätzlichem Verzicht auf jegliche Kriegsziele. 1915/16 traf er dreimal mit Bethmann Hollweg und anderen führenden Politikern in Berlin zusammen, ohne daß freilich seine Mahnungen befolgt wurden. In Frankreich hielt man ihn wegen seiner Kontakte nach Berlin, wo er auch für die Schweiz mehrmals diplomatisch intervenierte, zu unrecht für ein bezahltes Sprachrohr der Obersten Heeresleitung. Vor der deutschen Schlußoffensive 1918 drängte Stegemann erneut zu politischem Handeln, freilich vergebens. Einen Ruf des letzten Reichskanzlers Prinz Max von Baden nach Berlin als Berater schlug er aus, da er zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr sah, entscheidend einzugreifen. Auf Vermittlung des württembergischen Politikers C. Haußmann erschien 1917 der erste der vier Bände der „Geschichte des Krieges“, von der fast eine Million Exemplare verkauft wurden und die bis in die dreißiger Jahre ein Standardwerk zum Ersten Weltkrieg darstellte. Hierfür wurde ihm 1921 die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg verliehen; 1922 ernannte ihn die Universität München zum Honorarprofessor.
Seit 1919 wandte sich Stegemann publizistisch gegen den Versailler Vertrag und die daraus resultierende Unterdrückung und Demütigung Deutschlands, wobei er die französische Rheinlandpolitik besonders anprangerte. Sein umfangreicher politischer Briefwechsel mit dem bayerischen Ministerpräsidenten von Kahr (1922-1934) dokumentiert, wie sich auch Persönlichkeiten aus verschiedenen politischen Lagern nicht mit Deutschlands jähem Sturz von einer Groß- bzw. Weltmacht zu einer bedeutungslosen und abhängigen Mittelmacht abfinden konnten. Deshalb begrüßte Stegemann 1934 in seinem Buch „Weltwende“ die Machtübernahme Hitlers, da er darin einen Vorgang sah, der „das Reich als Idee und teuerstes Gut wieder allen Herzen nahebrachte“. Allerdings warnte er wiederholt vor einer neuerlichen militärischen Auseinandersetzung, da Deutschland in einer solchen wieder unterliegen würde. Nach der Reichskristallnacht 1938 wandte er sich vom Nationalsozialismus ab; 1939/40 beriet er den schweizerischen Generalstab bezüglich eines eventuellen militärischen Angriffs von seiten der Wehrmacht auf die Schweiz.
In seinem umfangreichen literarischen Werk, für das er 1935 mit dem Goethepreis geehrt wurde, versuchte er die Menschen des alemannischen Raumes (Elsaß, Baden, Schweiz) als von ihrer Geschichte und Heimat geprägte Individuen darzustellen.
Werke: (Auswahl): Geschichte des Krieges. 4 Bde., Stuttgart/ Berlin 1917-1921; Der Kampf um den Rhein, Stuttgart/ Berlin 1924; Das Trugbild von Versailles, Stuttgart/Berlin 1926; Deutschland und Europa, Stuttgart/Berlin 1932; Weltwende, Stuttgart/Berlin 1934; Daniel Junt; Die als Opfer fallen; Die Kraft von Illzach (elsäss. Trilogie), Berlin 1905-13; Ausgewählte Werke in 6 Bde., Berlin 1920; Erinnerungen aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Stuttgart/Berlin 1929.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in Stegemanns „Erinnerungen“.

Literatur: (Auswahl): Hans Stubbemann, Der Publizist H. Stegemann, Würzburg 1940 (= Diss. München 1939); Albrecht Bamler, H. Stegemann (1870-1945) als linksliberaler Journalist und Schriftsteller vor dem Ersten Weltkrieg, Mag.arbeit München 1983; ders., Der Publizist und Schriftsteller H. Stegemann, Diss. München 1986.
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