Atorf, Walter 

Andere Namensformen:
  • Franz
Geburtsdatum/-ort: 08.05.1910; Gebweiler/Oberelsaß
Sterbedatum/-ort: 18.02.1998;  Ammerbuch-Entringen (Landkreis Tübingen)
Beruf/Funktion:
  • Verwaltungsjurist, Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg
Kurzbiografie: 1928 Abitur an der Oberrealschule in Ludwigsburg, anschließend Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Tübingen, Hamburg und Berlin
1933 1. juristische Staatsprüfung in Tübingen
1934 Promotion zum Doktor der Rechte an der Universität Tübingen, Thema: „Die öffentlich-rechtlichen Nutzungen nach württembergischem Recht“
1934-1935 kaufmännische Tätigkeit in Buchhandel und Druckerei, zuletzt in Indonesien
1939 2. juristische Staatsprüfung und Eintritt in den Dienst der württembergischen Innenverwaltung
1940-1945 (Regierungs-)Assessor, Regierungsrat bei den Landratsämtern Reutlingen und Böblingen sowie beim Innenministerium in Stuttgart
1945 kommissarischer Landrat in Böblingen (Mai bis Oktober)
1945-1952 Leiter der Haushaltsabteilung bei der Landesdirektion der Finanzen in Tübingen (Finanzministerium), unterbrochen durch eine dreimonatige Abordnung 1951 zum Bundesminister der Finanzen in Bonn
1952-1964 Referatsleiter im Finanzministerium Baden-Württemberg in Stuttgart
1947 Ernennung zum Oberregierungsrat
1949 Ernennung zum Regierungsdirektor
1956 Ernennung zum Ministerialrat
1964-1967 Vizepräsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg in Karlsruhe
1967-1975 Präsident dieser obersten Landesbehörde und in Personalunion Vorsitzender des Landespersonalausschusses
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1934 Obersasbach, Gertrud, geb. Schiele, aus Entringen (geb. 1909)
Eltern: Franz (gest. 1958), zuletzt Studiendirektor in Stuttgart
Else, geb. Raeder (gest. 1918)
Geschwister: Hans, Dr.-Ing. (1906-1977)
Kinder: 3 Söhne, 1 Tochter
GND-ID: GND/126144060

Biografie: Otto-Günter Lonhard (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 3-5

Atorf, im Oberelsaß geboren, verbrachte seine Jugendjahre, bedingt durch den beruflichen Wechsel seines Vaters, ab 1915 in Emmendingen, Stuttgart-Bad Cannstatt und ab 1927 in Ludwigsburg, von seinem Vater in humanitärem Geist erzogen, in seiner beruflichen Entwicklung und Lebensphilosophie geprägt von seinem Großvater, dem Geheimen Justizrat Dr. Hans Raeder. Nach Abitur, Studium der Rechtswissenschaft und Promotion zum Dr. jur. (Mitglied der Akademischen Verbindung Igel in Tübingen) strebte er eine kaufmännische Berufslaufbahn an. Er volontierte in einer Sortimentsbuchhandlung in Amsterdam sowie in einer Druckerei und einem Sortimentbetrieb in Darmstadt und in Leipzig, um im Herbst 1934 in die Firma eines Verwandten in Medan/Indonesien einzutreten. Eine schwere Erkrankung zwang ihn, im Herbst 1935 in die Heimat zurückzukehren. Auch während der anschließenden Referendarausbildung in Tübingen war er durch diese Krankheit erheblich beeinträchtigt. Noch 1951 wurde in den Personalakten vermerkt, daß Atorf von zarter Gesundheit sei und ständiger sorgfältiger Pflege in der eigenen Familie bedürfe. Ungeachtet dessen widmete er sich, wie es sich aus seinen Beurteilungen ergibt, nachhaltig und mit Erfolg seinem Beruf als Verwaltungsbeamter. Stationen seiner Laufbahn waren zunächst die Landratsämter Reutlingen und Böblingen sowie das württembergische Innenministerium in Stuttgart, wo er Referent im Wohnungs- und Siedlungsamt war. Vom Kriegsdienst blieb er verschont, weil seine Dienststellen aufgrund der ihm übertragenen Aufgaben und wohl auch unausgesprochen wegen seiner zarten Gesundheit seine uk-Stellung erreichten.
Obwohl seit 1937 Mitglied der NSDAP, galt Atorf am Kriegsende als nicht belastet (Mitläufer) und wurde von der französischen Militärregierung als kommissarischer Landrat in Böblingen eingesetzt. Wiederum waren es gesundheitliche Gründe, die ihn veranlaßten zurückzutreten. Eine neue Verwendung fand der Mann der Innenverwaltung in der Finanzverwaltung. Er wurde Leiter der Haushaltsabteilung der Landesdirektion der Finanzen in Tübingen, dem Finanzministerium des Landes Südwürttemberg-Hohenzollern. Durch seine qualifizierte Arbeit wurde auch das Bundesministerium der Finanzen auf ihn aufmerksam; eine dreimonatige Abordnung dorthin im Jahr 1951 blieb aber Episode. Im Zusammenhang mit der Bildung des Südweststaats wurde Atorf in das Finanzministerium nach Stuttgart berufen, wo er die wichtige Funktion des Leiters des Grundsatzreferats für den gesamten Staatshaushalt übernahm. Er galt als tüchtiger, korrekter Beamter und als Fachmann auf dem Gebiet des Haushaltsrechts. Deshalb war es nicht von ungefähr, daß er 1964 als Vizepräsident und 1967 als Präsident des Rechnungshofs berufen wurde, einer unabhängigen obersten Landesbehörde mit Sitz in Karlsruhe.
Atorf war Präsident in einer Übergangszeit. Einerseits arbeitete seine Behörde noch nach den Regeln der klassischen Rechnungsprüfung (Belegprüfung), die ganz auch seinem Wesen entsprachen, andererseits fiel in seine Amtszeit eine grundlegende Fortentwicklung des Haushaltsrechts, die er maßgeblich beeinflußte und mitgestaltete. Der Rechnungshof erhielt am 1. Januar 1972 durch ein Rechnungshofgesetz eine neue rechtliche Grundlage, die seine Stellung als unabhängige Behörde stärkte. In der Haushaltsordnung wurden seine Befugnisse erweitert und ihm das Recht eingeräumt, Maßnahmen, also noch nicht abgeschlossene Vorgänge, begleitend zu prüfen, auch durfte nun das Verwaltungshandeln auf seine Wirtschaftlichkeit hin untersucht werden. Noch unter Atorfs Präsidentschaft wurde von den neuen Befugnissen Gebrauch gemacht. Auf diese Weise legte er die Grundlage dafür, daß sich die Rechnungsprüfungsbehörde unter seinen Nachfolgern zu einer staatlichen Finanzkontrollbehörde entwickeln konnte.
Besonderes Aufsehen erregten in seiner Amtszeit die Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs zum Finanzgebaren der Universitäten, insbesondere was die Verwendung der Drittmittel betraf. Dies führte nach 1974 zu spektakulären Strafprozessen gegen Professoren und zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Landtags, der sich eingehend mit den Mißständen befaßte.
Als Atorf, bei Landesregierung und Landtag hochgeschätzt, von Kollegen und Mitarbeitern verehrt, 1975 in den Ruhestand trat, kehrte er nach Entringen zurück, wo er seit 1935 im schwiegerelterlichen Haus einen eigenen Hausstand besaß. Er widmete sich ganz der Pflege seiner schwerbehinderten Frau, was sich für ihn immer schwieriger gestaltete, weil er selbst zunehmend das Augenlicht verlor. Von einem Schlaganfall im Dezember 1997 erholte er sich nicht mehr.
Quellen: Personalakten seit 1939, Auskünfte der Familie
Werke: Die öffentlich-rechtlichen Nutzungen nach württembergischen Recht (Tübinger Dissertation) 1934, Cl, 698
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im Familienbesitz, Stuttgarter Zeitung vom 08.07.1967, BNN vom 08.07.1967

Literatur: Würdigungen/Nachrufe in Stuttgarter Zeitung vom 08.07.1967 und 10.07.1967, BNN vom 08.07.1967 und 31.05.1975, Staatsanzeiger Nr. 46/47 vom 13.06.1990 und Nr. 8 vom 02.03.1998
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