Ackermann, Karl Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 15.12.1908;  Heidelberg
Sterbedatum/-ort: 20.06.1996;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Verleger und Chefredakteur, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1915–1928 Realschule in Schwenningen, dann Gymnasium in Villingen
1928 Studium an d. Univ. München
1928–1931 Studium an d. Univ. Heidelberg
III.–XII.1929 KPD-Mitglied bis zum Ausschluss
1932 Promotion bei Emil Lederer zum Dr. phil.: „Organisatorische Streitigkeiten in d. deutschen Sozialdemokratie 1890–1919. Ein Beitrag zur Soziologie des 4.August 1914“
1932–1933 Sekretär d. „Roten Hilfe“
1934–1937 Verhaftung, Gefängnis u. Konzentrationslager
1937 Emigration in die Schweiz
1945–1996 wohnhaft in Stuttgart bis 1946, in Heidelberg bis 1980, in Mannheim bis 1995, dann in Viernheim
1945–1946 Mithg. d. Stuttgarter Zeitung
22.X.1946–1974 Mithg. des „Mannheimer Morgen“
1949 Gesellschafter des MM
1953–1968 Mitglied d. Tarifkommission des Bundesverbandes Dt. Zeitungsverleger, BDZV
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., später freireligiös
Verheiratet: I. 1946, offiziell rückdatiert auf das Jahr 1944, (Stuttgart) Luise, geb. Schneider (1919–1980)
II. 1995 (Schriesheim) Gertrud, geb. Bier (1919–1998)
Eltern: Vater: Richard (1886–1964), Feinmechaniker
Mutter: Gertrud, geb. Huhn (1888–1974)
Geschwister: 2
Kinder: aus I. Renate (geboren 1945)
GND-ID: GND/128912898

Biografie: Karl-Heinz Schwarz-Pich (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 1-4

Ackermann wuchs in einem linksorientierten Elternhaus auf. Der Vater war Anhänger der Sozialdemokraten, die Mutter aktives Mitglied der KPD, weshalb sie unmittelbar nach der „Machtergreifung“ in „Schutzhaft“ genommen wurde. Ackermann selbst trat im Frühjahr 1929 als Student in die KPD ein, wurde aber ein halbes Jahr später wegen seiner „nationalen Haltung“ wieder ausgeschlossen. Dieser Ausschluss steht im Zusammenhang mit dem 12. Parteitag der KPD, der im Juni 1929 in Berlin-Wedding stattfand. Die ultralinke Politik der KPD erreichte damals ihren Höhepunkt. Dazu gehörte auch die bedingungslose Unterordnung unter die KPdSU. Danach sympathisierte Ackermann nach eigenen Angaben eine Zeit lang mit der KPD-Opposition, die sich 1929 von der KPD abgespaltet hatte. Quellen aus der ehemaligen DDR zufolge soll er bis 1932 Mitglied der KPD-O gewesen sein.
Im Sommersemester 1928 hatte Ackermann in München Geschichte, Literatur und Sozialwissenschaften zu studieren begonnen. Im folgenden Wintersemester wechselte er nach Heidelberg, wo er Soziologie, Nationalökonomie, Geschichte und Philosophie studierte. Zu seinen Lehrern gehörten Persönlichkeiten wie Alfred Weber, Karl Jaspers, Richard Löwenthal, Friedrich Gundolf, Karl Mannheim und Emil Lederer, bei dem er im Frühjahr 1932 promovierte. Aufgrund der NS-„Machtergreifung“ konnte diese Arbeit erst 1946 gedruckt werden.
Unmittelbar nach Ende seines Studiums 1932 betätigte sich Ackermann als Unterbezirksleiter der „Roten Hilfe Deutschland“, RHD, in den Oberamtsbezirken Rottweil und Spaichingen. Die RHD war eine von der KPD 1921 ins Leben gerufene Hilfsorganisation, die aus politischen Gründen inhaftierte Linke, meist Mitglieder der KPD und deren Familienangehörige, unterstützte. Außerdem fungierte Ackermann als Chefredakteur der von der RHD herausgegebenen Widerstandszeitung „Süddeutsches Tribunal“. Als Ackermann in den Landesvorstand aufrücken sollte, legte die KPD ihr Veto ein. Nach der NS-„Machtergreifung“ setzte Ackermann den Kampf gegen den Nationalsozialismus im Untergrund fort. Am 24. Oktober 1933 wurde er in Stuttgart verhaftet und am 7. September 1934 wegen Hochverrats zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Die U-Haft verbrachte er im Polizeigefängnis in Stuttgart, danach wurde er ins Zuchthaus in Ludwigsburg eingewiesen und von dort – obwohl er seine Haftstrafe verbüßt hatte – im Februar 1936 im KZ Welzheim eingesperrt. Ab Januar 1937 war Ackermann im KZ Dachau und ab Mai 1937 wieder im KZ Welzheim. Weil sein Antrag auf Entlassung aus der „Schutzhaft“, den Ackermann im Januar 1937 gestellt hatte, negativ beschieden wurde, entschloss er sich zur Flucht, die ihm mit Unterstützung anderer Häftlinge am 24. Oktober 1937 gelang. Am 29. Oktober überschritt er die deutsch-schweizerische Grenze. Er meldete sich am 1. November bei den Zürcher Behörden und beantragte Asyl. Ackermann erhielt den Status eines „Tolerierten“. Von den fast acht Jahren, die sich Ackermann im Schweizer Exil aufhielt, war er nach eigenen Angaben fünf Jahre in Arbeits- bzw. Flüchtlingslagern interniert. Die Lebensbedingungen in diesen Lagern waren oft menschenunwürdig, was der Schweiz nach 1945 auch vorgehalten wurde. Einer festen beruflichen Tätigkeit durfte Ackermann aufgrund seines Status nicht nachgehen, obwohl sich das renommierte „Schweizerische Sozialarchiv“ in Zürich, für das er zeitweise gearbeitet hatte, um seine feste Anstellung bemüht hatte. Stattdessen musste sich Ackermann mit Arbeiten im Straßenbau und als Hilfskoch im Internierungslager durchschlagen. Hierbei lernte er seine spätere erste Frau kennen, eine aus Wien stammende Jüdin, die nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 in die Schweiz emigriert war. 1944 beantragten beide die Eheschließung, was von den Schweizer Behörden abgelehnt wurde, weil deutsche Staatsbürger nach den in Deutschland geltenden Rassengesetzen keine „Mischehen“ eingehen durften. Das Paar heiratete 1946 in Stuttgart; auf Ackermanns Antrag wurde die Eheschließung auf den 5. April 1944 zurückdatiert.
Im Exil war Ackermann journalistischer Mitarbeiter an der Widerstandszeitung „Deutsches Volksecho“ und 1943 in Zürich Gründungsmitglied des „Bund(es) Freies Deutschland“, einer von der KPD von Moskau aus ins Leben gerufenen Widerstandsorganisation, die in Ländern, in denen sich deutsche Emigranten aufhielten, tätig wurde. Als Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte, lagen fast zehn Jahre Aufenthalt in Gefängnis, Zuchthaus, KZ- sowie Arbeits- und Internierungslagern hinter Ackermann. Am 1. Juni 1945 kehrte er über die „grüne Grenze“ nach Deutschland zurück; ein legaler Übertritt war wegen der Schließung der Grenze durch die westlichen Alliierten nicht möglich. Es spricht einiges dafür, dass diese Rückkehr nach Deutschland vom „Komitee Freies Deutschland“ organisiert wurde, das bemüht war, Personen aus dem eigenen politischen Umfeld so schnell wie möglich zurückzuführen. Journalisten mit einer Widerstandsbiographie, wie Ackermann sie vorweisen konnte, waren damals gefragt. Nachdem die alliierten Siegermächte 1945 das Erscheinen aller bestehenden Zeitungen verboten hatten, ging es um den Aufbau eines demokratischen Pressewesens. Die Amerikaner richteten in ihrer Besatzungszone mit der „Information Control Division“, ICD, eine Propaganda- und Zensurabteilung ein, die Lizenzen an demokratisch gesinnte Journalisten vergab und bemüht war, die unterschiedlichen politischen Grundströmungen zu berücksichtigen, was sich in der Praxis allerdings oft als sehr problematisch erweisen sollte. Ackermann erhielt von der ICD im Spätsommer 1945 gemeinsam mit Josef Eberle und Henry Bernhard eine Lizenz für die Herausgabe der „Stuttgarter Zeitung“. Differenzen zwischen Ackermann und dem Liberalen Bernhard führten schließlich zum Ausscheiden beider.
Beim „Mannheimer Morgen“, der seit dem 6. Juli 1946 zunächst unter dem Namen „Der Morgen“ erschien, war im August 1946 dem zweiten Lizenzträger Oskar Hörrle wegen falscher Angaben im Fragebogen die Lizenz entzogen worden. Diesen Platz nahm Ackermann ab Oktober 1946 ein. Der andere Lizenzträger war Eitel Friedrich Freiherr Schilling von Canstatt. Der „Mannheimer Morgen“ begrüßte seinen neuen Mitherausgeber in der Ausgabe vom 24. Oktober als einen „bewährten Vorkämpfer für eine fortschrittliche Demokratie“, zwischen den politischen Auffassungen von Ackermann und von Schilling freilich lagen Welten. Dazu kam die unterschiedliche soziale Herkunft. Von Schilling entstammte einem alten deutschen Adelsgeschlecht und war Enkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Auf der anderen Seite der Uhrmachersohn Ackermann, ein erklärter Linker. Damit hatte der „Mannheimer Morgen“ einen konservativen und einen linksgerichteten Herausgeber, was sich in den Kommentaren zur Nachkriegspolitik unübersehbar widerspiegelte.
Aber Ackermann engagierte sich weder parteipolitisch für die Linken, noch ließ er sich instrumentalisieren. Er kommentierte das Zeitgeschehen zwar aus linker Sicht, war aber kein linker Agitator. Seiner ganzen Argumentation fehlt das für die KPD-Politik typisch Ideologisch-Dogmatische. Ackermann sah 1945 die Gefahr, dass die „reaktionären Kräfte“ aus Politik und Wirtschaft wieder die Oberhand gewinnen könnten und trat in diesem Zusammenhang für ihre Entmachtung bzw. Zerschlagung und Verstaatlichung großer Konzerne und des Großgrundbesitzes ein – Positionen, wie sie nach 1945 auch von relevanten Teilen der christlichen Parteien vertreten wurden. Doch Ackermann sah darin nur dann ein Mittel gegen eine „Restauration“, wenn damit zugleich eine tiefgreifende Demokratisierung einhergehen würde. In diesem Sinne sprach er auch von einer „wirtschaftlichen Demokratie“, ohne sich darüber allerdings im Detail auszulassen. Im eigenen Hause ging man mit gutem Beispiel voran, wie der 1951 eingerichtete Pensionsfonds für die „Mannheimer Morgen“-Mitarbeiter erkennen lässt.
Mit Kommunalpolitik beschäftigte sich Ackermann kaum. In der Landespolitik gehörte er zu den Verfechtern des Südweststaates. Zu seinem journalistischen Schwerpunktthema wurde der Ost-West-Konflikt, der „Kalte Krieg“. Dabei trat Ackermann von Anfang an für einen sachlichen Umgang und für den Dialog statt einer Politik der Konfrontation ein, was in etwa der späteren Ostpolitik von Willy Brandt (1913– 1992) entsprach. Andererseits übte Ackermann nach Bekanntwerden des Terrors in der Sowjetunion unter Stalin scharfe Kritik an der autoritären bis totalitären Machtausübung durch die kommunistischen Parteien in den Ostblockstaaten und scheute auch nicht den Vergleich mit den Praktiken des Nationalsozialismus. Als in den späten 1960er-Jahren beim „Mannheimer Morgen“ junge Mitarbeiter mit der Studentenbewegung sympathisierten, begegnete ihnen Ackermann mit wohlwollender Ironie. Als erste Tageszeitung Südwestdeutschlands verabschiedete der „Mannheimer Morgen“ ein Redaktionsstatut, das den Redakteuren eine weitreichende Mitbestimmung bei der Gestaltung ihrer Zeitung gewährte.
Ackermann wurde von ehemaligen Journalisten des „Mannheimer Morgen“ als ein streitbarer Geist charakterisiert, dem es um Wahrheitsfindung, nie aber um Rechthaberei ging. Außerdem sei er als Journalist und Herausgeber ein Moralist gewesen. Der „Kämpfer für die Unabhängigkeit der Presse“ genoss unter Zeitungsverlegern hohes Ansehen. 1949 wurde er Gründungsaufsichtsrat der Deutschen Presse-Agentur, DPA; er war Mitglied des Rundfunkrats des Süddeutschen Rundfunks, Vorstands- und später Ehrenmitglied des Vereins Südwestdeutscher Zeitungsverleger und Vorstand im Verband Deutscher Zeitungsverleger und der Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse, WIGO. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung begegnete man Ackermann mit großer Hochachtung. Zu den Gratulanten an runden Geburtstagen gehörten die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Hans Filbinger (1913– 2007) und Lothar Späth (geboren 1937), Bundeskanzler Helmut Kohl (geboren 1930) und Bundespräsident Richard von Weizsäcker (geboren 1920). Die Annahme von Orden lehnte Ackermann ab. Es gab nur zwei Ausnahmen: 1975 nahm er die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg in Gold in Würdigung seiner Verdienste um die Bildung des Südweststaates entgegen und 1994 die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen, mit der er als Widerstandskämpfer und für seine Verdienste um den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft in der Bundesrepublik geehrt wurde. Beide Auszeichnungen sind die höchsten, die von diesen beiden Bundesländern vergeben werden.
Am 31. Dezember 1988 verabschiedete sich Ackermann mit einer düsteren Prognose von seinen Lesern. In seinem letzten Artikel schrieb er angesichts der globalen Konflikte und der Umweltzerstörung: „Nun werden wir zwar in der kommenden Nacht wiederum Millionen Freudenfeuer entzünden, weil wir noch immer hoffen, dass der Welt ohne unser Zutun endlich ein Licht aufgehen müsse. Ich glaube persönlich nicht mehr daran; darum habe ich mich entschlossen, mit dieser letzten Mahnung meinen Beruf als Wegbegleiter meiner Leser zu beenden.“
Ackermann starb 88-jährig im Städtischen Klinikum Mannheim. Die Trauerfeier fand sechs Tage später auf dem Mannheimer Hauptfriedhof statt. Die sterblichen Überreste Ackermanns wurden im Familiengrab auf dem Friedhof in Schriesheim beigesetzt.
Quellen: BA Berlin NJ 2173 u. NJ 12512, Volksgerichtshof, Anklageschrift; GLA Karlsruhe 480/ 1712, Wiedergutmachungsakte; StadtA Stuttgart, Melderegister; StadtA Mannheim S 1/ 1922, NL-Heimerich 24/ 1972a Lfd.-Nr. 927 sowie 24/ 1972a Lfd.- Nr. 1270 u. 24/ 1972 Lfd.-Nr. 182; Schweizerisches SozialA Zürich, versch. Unterlagen über Ackermann als Mitarbeiter; StadtA Zürich Meldekarte; StadtA Villingen-Schwenningen, Meldekarte u. SAVS Abteilung 3, Bestand 1–3 Nr. 3853; UA München u. UA Heidelberg, Semesternachweise; A des „Mannheimer Morgen“ Bestand A., 3 Ordner mit Beiträgen Ackermanns zwischen 1946 u. 1988; A des Verbands Südwestdt. Zeitungsverleger, VSZV, Stuttgart, Tarifkommission; Auskünfte von Renate Freifrau von Reiswitz u. Kaderzin (Tochter), vom Sept. 2009 bis Januar 2010 u. von Conrad Dussel vom Dez. 2009.
Werke: Organisatorische Streitigkeiten in d. dt. Sozialdemokratie 1890–1919. Ein Beitrag zur Soziologie des 4. August 1914, Diss. phil. Heidelberg 1932, Druck 1946; Zahlreiche Kommentare in d. „Stuttgarter Ztg.“ 1945/46 u. im Mannheimer Morgen von 1946 bis 1988 (vgl. Quellen); 40 Jahre Mannheimer Morgen – In Erinnerung an vier Jahrzehnte Zusammenarbeit mit Eitel Fritz (sic!) Freiherr S. von Canstatt. Eine Denkschrift, 1984 (als Manuskript gedruckt).
Nachweis: Bildnachweise: BildA des Mannheimer Morgen.

Literatur: Udo Leuschner, Von d. Vielfalt zum Monopol. Die Geschichte u. Vorgeschichte des heutigen Mannheimer Morgen, 1981; Herrmann Weber, Die Wandlung des dt. Kommunismus. Die Stalinisierung d. KPD in d. Weimarer Republik, Bd. 1, 1969, bes. 223-232; Autorenkollektiv (Hg. Hans Bartel), Sachwörterbuch d. Geschichte, 1970, 417; Herbert Crüger, Verschwiegene Zeiten, Vom geheimen Apparat d. KPD ins Gefängnis d. Staatssicherheit, 1990, 106-123; Heike Bungert, Das Nationalkomitee u. d. Westen. Die Reaktion d. Westalliierten auf das NKFD u. die Freie Deutsche Bewegung 1943–1948, Diss. Tübingen 1995; mehrere Nachrufe in: Mannheimer Morgen ab 21.6.1996; Konrad Dussel, Dt. Tagespresse im 19. u. 20. Jh., 2004, bes. 211f.; Gottfried Hamacher unter Mitarbeit von André Lohmar, Herbert Mayer, Günter Wehner u. Harald Wittstock, Gegen Hitler. Deutsche in d. Résistance, in den Streitkräften d. Antihitler Koalition u. d. Bewegung „Freies Deutschland“. Kurzbiografien, Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskript 53, 2. korr. Auflage 2005, 18.
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