Teutsch, Hermann Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 20.11.1876;  Neunkirchen (Kreis Mosbach)
Sterbedatum/-ort: 08.12.1966;  Lahr (Schwarzwald)
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Theologe und christlich-sozialer Politiker, MdL, MdR
Kurzbiografie: 1887-1895 Besuch der Gymnasien in Weinheim und Bensheim
1895-1899 Studium der evangelischen Theologie an den Universitäten Heidelberg, Erlangen, Greifswald
1899-1905 Vikariat in Leutershausen (bis 1901), Lörrach (bis 1903) und Pforzheim (bis 1905)
1905-1910 Pfarrer in Helmstadt (Kreis Mosbach)
1910-1938 Pfarrer in Leutershausen (Bezirk Weinheim)
1926-1931 Präsident des Evangelischen Volksbundes für Baden
1929-1931 Abgeordneter des Evangelischen Volksdienstes im Badischen Landtag
1930-1931 Abgeordneter des Christlich-sozialen Volksdienstes (CSVD) im Deutschen Reichstag (Wahlkreis 32 Baden)
1931-1936 Politische Tätigkeit in der NSDAP
1937 Austritt aus der NSDAP
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1906 Königsfeld, Charlotte, geb. Vortisch (1882-1965)
Eltern: Vater: Johann Daniel Friedrich Teutsch (1839-1910)
Mutter: Anna Carolina Elisabeth, geb. Förster (1851-1928)
Geschwister: Susanna Elisabeth (geb./gest. 1874)
Johann Friedrich (1875-1938)
Paul Gerhard (1877-1896)
Heinrich Theobald (1879-1941)
Elisabeth Marie (1881-1977)
Hans Walther (1883-1980)
Johanna (1885-1905)
Marie Charlotte Luise Wilhelmine (geb. 1895)
Kinder: Helmut (geb. 1906)
Gerhard (geb. 1909)
Johann Daniel Friedrich (1910-1989)
Hans-Dieter (geb. 1912)
Harald (1914-1941)
Paul Gotthard Martin (geb. 1918)
GND-ID: GND/130150886

Biografie: Günter Opitz (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 362-364

Teutsch wurde bereits in seiner Kindheit durch die pietistische Frömmigkeit vor allem seiner Mutter und durch das Vorbild seines Vaters geprägt, das ihn früh bestimmte, dessen Beruf zu ergreifen, das ihn aber auch in seiner politischen Grundhaltung, vor allem durch seine Anhängerschaft an Adolf Stoecker, entscheidend beeinflußte. Nach der Reifeprüfung am Gymnasium in Bensheim fand er vor allem in Greifswald in Hermann Cremer den akademischen Lehrer, der ihn ebenso tief beeindruckte wie Stoecker, den er im Mai 1898 in Berlin predigen hörte und dessen Gegnerschaft gegen den Liberalismus in Politik und Kirche er sich zunehmend zu eigen machte. Angeregt durch die seit 1902 regelmäßige Lektüre der christlich-sozialen Zeitung „Das Volk“, nahm er im Herbst 1904 in den Evangelischen Arbeitervereinen Badens eine Vortragstätigkeit auf, um die Berliner Bewegung in Baden heimisch machen zu helfen. Bei der Wiederannäherung der Christlichsozialen an die Konservativen nach Stoeckers Tod schloß er sich der Deutschkonservativen Partei an. Zunächst spielten aber solche politischen Aktivitäten neben seinem Pfarramt nur eine untergeordnete Rolle, und sie vollzogen sich auch nur gelegentlich im Lichte einer breiteren Öffentlichkeit, dann aber in deutlicher Opposition gegen die in Baden vorherrschenden kirchlichen und politischen Tendenzen.
Nach dem 1. Weltkrieg und nach der Revolution gehörte Teutsch dem christlich-sozialen Flügel der DNVP an. 1919 wurde er für die Kirchlich-Positive Vereinigung in die außerordentliche Generalsynode der badischen Landeskirche gewählt. Erst im Sommer 1924 vollzog er mit einer scharf antiultramontanen Rede bei einer Veranstaltung des Evangelischen Volksbundes für Baden, dem er seit seiner Gründung angehörte, den entscheidenden Schritt in das öffentliche politische Leben; er beschwor darin unter Hinweis auf den Machtgewinn des politischen Katholizismus nach dem 1. Weltkrieg das Gespenst einer modernen Gegenreformation und zog sich wegen Inhalt und Form seiner Rede nicht nur heftige Reaktionen der der badischen Regierungskoalition nahestehenden Presse, sondern auch eine Beschwerde des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg beim Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe wegen einer Störung des konfessionellen Friedens zu. Sein Vorgehen war durch seine zunehmende Opposition gegen die Politik der in Baden regierenden Weimarer Koalition, durch das Ziel einer Überwindung der politischen Zersplitterung des Protestantismus und einer dann möglichen Herauslösung des Zentrums aus seiner Verbindung mit liberalen und sozialistischen Parteien, vor allem aber durch seinen von einem dezidierten, religiös begründeten, stark emotionalen Nationalismus getragenen Wunsch, am Wiederaufbau Deutschlands mitzuwirken, und durch die Überzeugung begründet, daß eine wirkliche Aufbauarbeit nur auf der Grundlage des Christentums möglich sei. Zudem festigte sich in ihm wegen der wachsenden atheistischen Einflüsse im gesellschaftlichen und staatlichen Leben und nicht zuletzt wegen der politischen Entwicklung in Rußland die Überzeugung einer apokalyptisch-eschatologischen Entwicklung der Geschichte seiner Zeit, eines Ausreifens zu letzten Weltkatastrophen, die merklich näher rückten.
Zunächst aktivierte er seine Vortragstätigkeit im Rahmen des Evangelischen Volksbundes und wurde Pfingsten 1926 zu dessen Präsidenten gewählt. Da er wie viele Christlich-soziale die DNVP wegen ihrer innerparteilichen Entwicklung nicht mehr als eine Partei ansah, in der er seine Ziele erreichen konnte, näherte er sich 1928 dem neugegründeten Evangelischen Volksdienst für Baden, dem er sich nach einigem Zögern kurz vor den badischen Landtagswahlen 1929 als Spitzenkandidat zur Verfügung stellte. Im Badischen Landtag vermochten aber die unter seiner Führung stehenden drei Abgeordneten des Volksdienstes keinen politischen Einfluß zu gewinnen, da ihre Stimmen für die parlamentarische Arbeit nicht benötigt wurden und sie sich in die politisch-parlamentarischen Strukturen einzuordnen weigerten. Auch seiner erfolgreichen Kandidatur bei den Reichstagswahlen 1930 konnte Teutsch nicht recht froh werden, da er mit seiner Opposition gegen die Unterstützung der Regierung Brüning und der sie tragenden oder tolerierenden politischen Kräfte in der Reichstagsgruppe des CSVD allein stand. Nachdem er in einigen entscheidenden Abstimmungen im Reichstag mit der oppositionellen Rechten gestimmt hatte, zog er sich schon nach wenigen Monaten von der Arbeit in Fraktion und Partei zurück und trat im Juni 1931 zur NSDAP über. Dort begann er seit August 1931 eine intensive Tätigkeit in politischen Versammlungen und beim Aufbau eines nationalsozialistischen evangelischen Pfarrerbundes, dessen Gauleitung er zunächst übernahm. Dadurch bahnte sich wegen heftiger, oft im Zusammenhang mit dem Fall Eckert stehender Reaktionen seiner Gegner in der Öffentlichkeit ein Konflikt mit dem Evangelischen Oberkirchenrat an, der ihm Anfang Dezember 1931 wegen des Umfangs seiner politischen Aktivitäten im Interesse seiner Gemeinde bis auf weiteres jedes Auftreten als Redner in politischen Versammlungen untersagte. Wenn Teutsch dagegen einwandte, daß er sein politisches Tun nach wie vor als Reich-Gottes-Arbeit betrachte und dem Nationalsozialismus „die erneuernde, heiligende Macht des Evangeliums“ bringen wolle, so umriß er zwar damit selbst die Bedingungen einer eingeschränkten Aufhebung dieses Redeverbots im Sommer 1932, blieb aber in Zukunft auch nach der Machtergreifung auf den Versuch verwiesen, seinen an uneingeschränkter Bekenntnistreue und am Prinzip der Freiheit kirchlicher Entscheidungen orientierten Kurs vor allem bei den Deutschen Christen durchzusetzen, wozu er im Frühjahr 1934 und 1935 in Baden, gelegentlich aber auch in Franken aktiv wurde. Unabhängig davon wurde er 1935/36 in heftige Konflikte mit der Ortsgruppenleitung und der SA-Führung seiner Gemeinde verwickelt, bei denen es neben Teutschs Unterstützung für den nichtnationalsozialistischen Bürgermeister des Ortes vor allem um seine öffentliche Kritik an der mangelnden Christlichkeit der SA und an dem weltanschaulichen Einfluß Rosenbergs in der NSDAP ging, in deren Verlauf er in zwei Parteigerichtsverfahren verurteilt wurde und im April 1937 aus der NSDAP austrat. Nicht nur diese Auseinandersetzungen, sondern wohl auch die wachsende Einsicht in sein politisches Scheitern ruinierten seine Gesundheit so, daß er sich wegen völliger, vor allem psychisch-traumatisch bedingter Dienstunfähigkeit im Oktober 1937 beurlauben und ein Jahr danach in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen mußte. Seinen Lebensabend verbrachte er auf dem Lindenberghof in Lahr.
Quellen: LKA Karlsruhe, Personalia 4095, 4094; Familienarchiv Teutsch, Lahr
Werke: Walter Braun, Evangelische Parteien in historischer Darstellung und sozialwissenschaftlicher Beleuchtung, Mannheim 1939; Günter Opitz, Der Christlich-soziale Volksdienst, Düsseldorf 1969; Eckehart Lorenz, Kirchliche Reaktionen auf die Arbeiterbewegung in Mannheim 1890-1933, Sigmaringen 1987

Literatur: Bei Eckehart Lorenz
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