Forstlagerbücher

Von Kerstin Arnold und R. Johanna Regnath

Lagerbuch des Schorndorfer Forstes, 1555, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS H 107-15 Bd 1 S. 43r)
Lagerbuch des Schorndorfer Forstes, 1555, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS H 107-15 Bd 1 S. 43r)

Definition der Quellengattung

Forstlagerbücher bilden eine Variante der Lagerbücher und dienten zur Beschreibung der Bezirke, in denen die Herrschaft die Forsthoheit innehatte, sowie der Verzeichnung von Eigentumsverhältnissen und Nutzungsrechten innerhalb der Forsten.[1] Im Gegensatz zu den sonstigen Formen des Lagerbuchs, werden im Forstlagerbuch oft keine Zinseinkünfte aufgelistet, weshalb Kieß dafür plädiert, zur Bezeichnung dieser Quellengattung den Begriff „Forstbeschreibung“ zu verwenden,[2] wie auch eine ganze Reihe der Originalbücher betitelt sind.

Eine Variante des Forstlagerbuchs bzw. der Forstbeschreibung ist das Weidlagerbuch, das in Württemberg ab dem 18. Jahrhundert entsteht. Dieses beinhaltet neben Weideordnungen eine Beschreibung der Weidebezirke und -zeiten sowie Informationen zur deren Beschaffenheit und Ertrag.

Mit den sogenannten Schönbuchlagerbüchern (ab 1383) liegt uns eine württembergische Urbarserie vor,[3] die eine Mischform aus Elementen des weltlichen Lagerbuchs und des Forstlagerbuchs darstellt. Ein Schwerpunkt der Schönbuchlagerbücher liegt in der Beschreibung von Waldnutzungsrechten, jedoch werden dort auch Einkünfte aus Äckern und Wiesen im Schönbuchgebiet verzeichnet.

Verfassungsgeschichtliche Grundlagen: die Forsthoheit

Die Grundlage und den Ausgangspunkt für die Erstellung der Forstlagerbücher im 16. Jahrhundert bildete die Forsthoheit oder Forstherrschaft. Diese beinhaltete Befugnis zur Rechtsetzung in Forst- und Jagdsachen, das Jagdrecht und die Oberaufsicht im Forst durch Strafhoheit und Kontrollrechte (über Holzeinschlag, Eckerichnutzung etc.). So heißt es in der Schönbuchbeschreibung von 1556 über die Vorstliche Obrigkaith: Der Durchleuchtig hochgebohrne Fürst und Herr, Herr Christoph Hertzog zue Württemberg und Teckh, Graffe zue Mümpelgardt [etc.] Unßer gnädiger Fürst und herr, hat alle hohe und Vörstliche Oberkeit inn diesem Vorst allein ungeirit menigliches in ruhiger Possession undt Innhaben zue gebietten und zu verbietten innselbigen zu bejagen und zue hagen, auch darinnen zu verrichten, waß Vörstlicher Obrigkait zustehet.[4]

Forstherrschaft enthält keine Eigentumsrechte am Wald, d.h. sie kann sich auch über das Waldeigentum von Gemeinden, Privaten und anderen Herrschaften erstrecken. Durch die Forstherrschaft kann kein direkter Einfluss auf Eigentumsveräußerungen im Herrschaftsgebiet genommen werden. Ebensowenig gehört die Nutzungsrechte an den Waldprodukten (Bau- und Brennholz, Weide, Eckerich etc.) uneingeschränkt zu den aus der Forstherrschaft erwachsenden Rechten, da ältere Sondernutzungen, Verträge oder auf anderen Herrschaftsformen beruhende Ansprüche beachtet werden mussten.

Die Entwicklung der Forstherrschaft

Die Forsthoheit als Herrschaftsinstrument weist in ihren Ursprüngen auf die Einrichtung königlicher Forste im frühen Mittelalter zurück.[5] Diese forestes bezeichneten einen „rechtlich gekennzeichneten Nutzungsbezirk“[6] in Königshand. Die Nutzungen von Waldprodukten, von Jagd und Fischfang und die Rodung unterstanden der Kontrolle des Königs und wurden vor allem durch die Königshöfe ausgeübt, denen der Forst angegliedert war. Die Basis für die Errichtung der forestis bildete das königliche Verfügungsrecht über nicht besiedeltes Land (ius eremi).

Seit dem 8. Jahrhundert gelangten königliche forestes auch in den Besitz des Adels und der Kirche, bzw. wurden von ihnen in Nachahmung der Strukturen errichtet. Mit dem 9. Jahrhundert gewann die Jagd immer mehr an Bedeutung. Dieser Wandel wird auch in einer veränderten Bezeichnung greifbar: An die Stelle von forestis tritt der 'Wildbann'. Über ein Gebiet, das verschiedenen Besitzern zugehören konnte, erstreckte sich ein Jagdbezirk unter Königsbann. Der so geschaffene Herrschaftsbezirk überlagerte die zersplitterten Herrschafts-, Besitz- und Nutzungsrechte und schuf damit eine Keimzelle für die spätere Landeshoheit.

Der Wildbann beinhaltete neben dem Jagdrecht auch Ansätze für eine Waldaufsicht.[7] Im Verlauf des Spätmittelalters wurde der Wildbann nicht mehr nur als Hoheits-, sondern auch als Nutzungsbezirk angesehen. So konnte der Wildbann die Jagd (mit den Rechten auf die Versorgung von Jägern und Hunden), einen Anspruch auf Frondienste, das Recht zur Erhebung von Strafgeldern und oft auch den Anspruch auf den Dehmen, die Abgabe für die Nutzung des Eckerichs bedeuten.

Im 15. Jahrhundert wird der Begriff 'Wildbann' durch das deutsche Wort 'Forst' ersetzt, das ein Gebiet bezeichnete, in dem die Forsthoheit ausgeübt wurde.

Mit Beginn der Neuzeit diente die Forstverwaltung verstärkt auch als Verwaltungsorganisation für die herrschaftlichen Eigengüter innerhalb dieser landesherrlichen Forsten. Die Entwicklung und der Umfang der jeweiligen forsthoheitlichen Rechte in Württemberg scheint abhängig von der Zeit ihrer Erwerbung und Eingliederung in die Herrschaftsorganisation.

Diese Veränderungen in Bezug auf die Forsthoheit wirkten sich auf die Untertanen vor allem in Form verstärkter Kontrollen über ihre Eigenwälder durch herrschaftliche Forstmeister und einer Ausdehnung von Abgabenforderungen aus. Das wird v.a. durch entsprechende Beschwerden aus dem 16. Jahrhundert deutlich.[8] Insgesamt gesehen nahm die Forstherrschaft eine wichtige Rolle im Territorialisierungsprozess und für den Ausbau der Landesherrschaft ein.

Historische Entwicklung der Forstlagerbücher

Eine einheitliche Beschreibung der einzelnen Forsten begann im Herzogtum Württemberg 1555. Zweieinhalb Jahre später lagen die ersten 16 Forstbeschreibungen vor, die sich in ihrem Aufbau nur wenig unterscheiden. Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Forstlagerbücher immer detaillierter.

Vorläufer dieser Forstlagerbücher waren das Schönbuch-Urbar in seinen Fassungen von 1383 und 1417 (ein Verzeichnis herrschaftlicher Einkünfte aus der Waldnutzung) und das Uracher Forstbuch. Neben einer Beschreibung der 1489 zusammengelegten Forsten Urach und Zwiefalten enthält dieses eine Liste der württembergischen Wildbänne mit einer kurzen Schilderung der einzelnen Bezirke, entstanden wahrscheinlich im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts.[9] Daneben ist aus Heidenheim ein Buch erhalten, das insbesondere Urfehden von Wilderern aber auch den Forst betreffende Vertragsabschriften, Gnadenjagen, Steinbeschreibungen und Quittungen von Leibeigenen enthält.

Weitere Quellen zur Forstbeschreibung und -organisation sind die Berichte der Forstmeister, bei denen jedoch die Mitarbeit von und Bestätigung durch Gemeindemitglieder der beschriebenen Orte als wichtige Eigenschaft eines Lagerbuchs fehlt. Auch die Rechnungen der Forstämter erweisen sich als aufschlussreich sowohl zu Fragen bezüglich des Waldes selbst als auch zu seiner Verwaltung.

Formaler Aufbau und Inhalt

Die in ihrer äußeren Erscheinungsform den Amtslagerbüchern entsprechenden Forstbeschreibungen beginnen gleichermaßen mit einer Publicatio, in der neben dem herzoglichen Auftraggeber die Zeit der Bearbeitung sowie die daran beteiligten Personen aufgeführt werden. Darauf folgt eine genaue Beschreibung der Grenzen des Forstbezirkes entlang der Grenzsteine und herausragender Merkmale in der Landschaft. Nach der Zuweisung der forstlichen Obrigkeit und des Jagdrechtes in diesem Gebiet an den Herzog, folgen Ausnahmebestimmungen zur Jagd sowie Richtlinien zur Eckerichnutzung. Weitere Inhalte sind Regelungen im Zusammenhang mit der dem Herzog zustehenden forstlichen Gerichtsbarkeit und die Festsetzung der Jagdfronen. Zur exakteren Bezirksbeschreibung dienen die Abschnitte über die obrigkeitlichen Verhältnisse der in diesem Gebiet gelegenen Ortschaften und über die Verteilung des Waldeigentums. Des Weiteren werden die im Forst vorhandenen Gewässer aufgelistet, die Besitzverhältnisse bestimmt und deren Nutzung geregelt. Neben den angeführten, in allen Forstbeschreibungen gleichermaßen vertretenen Rubriken können noch weitere Sonderbestimmungen sowie Abschriften von Weistümern, Urkunden, Gerichtsurteilen und herrschaftlichen Befehlen im Forstlagerbuch Aufnahme finden. An Abgaben wird mancherorts der Forst- oder Waldhaber erwähnt, zu zahlen für verschiedene, im Einzelfall zu bestimmende Waldnutzungsrechte.

Forschungslage

Außer der grundlegenden Dissertation von Rudolf Kieß über die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums aus dem Jahr 1958 gibt es keine größere Arbeit zu den Forstlagerbüchern als Quellen(gattung). Auch Gregor Richter beruft sich in seiner „Lagerbücher- oder Urbarlehre“ auf dieses Werk.[10]

Zum Thema der historischen Waldnutzungen, vor allem zum Bereich „Holz” bzw. „Holznot” gibt es dagegen seit längerer Zeit eine lebhafte Debatte, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden kann.

Auswertungsmöglichkeiten

Forstlagerbücher informieren neben einer Beschreibung der landesherrlichen Forstorganisation über die Verteilung des Waldbesitzes und die Obrigkeitsverhältnisse der in den Forsten gelegenen Orte. Daneben können sie in ihren Bestimmungen zu den Waldnutzungsrechten und -besitzverhältnissen Auskünfte zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der in den Forstbezirken lebenden Bevölkerung geben. Zudem ist es möglich, über die in den Forstbeschreibungen genannten Flurnamen und Stellenbezeichnungen Rodungsbewegungen oder Wüstungsvorgänge nachzuvollziehen. Für Gebiete außerhalb Württembergs fehlen bislang vergleichbare Untersuchungen, jedoch ist in anderen deutschen Territorien mit abweichenden Bezeichnungen für die Forstlagerbücher und/oder anders strukturierten Quellen zu rechnen, wie z.B. mit „Forstregistern” und (v.a. für Westfalen wichtigen) „Mastregistern”.

Anmerkungen

[1] Die Bezeichnung „Forstlagerbuch“ findet sich in den Quellen v.a. im Süden Deutschlands, hier liegen Ergebnisse zu Württemberg zu Grunde.
[2] Kieß, Forsten, S. 20.
[3] HStA Stuttgart H 107/18; der erste Band liegt in Druck vor: Altwürttembergische Urbare, S. 281-320.
[4] HStA Stuttgart H 107/18, Bd. 11.
[5] Einen Überblick über Forschungsdebatte zu „forestis“-Begriff geben Günther, Arnsberger Wald und Lorenz, Von der „forestis“.
[6] Ebd., S. 151.
[7] Vgl. eine Auseinandersetzung zwischen Württemberg und Esslingen aus dem Jahr 1360, beschrieben in Kieß, Forsten, S. 121f.
[8] Schmauder, Württemberg.
[9] Kieß, Forsten, S. 11.
[10] Richter, Lagerbücher- oder Urbarlehre, S. 96-98.

Literatur

  • Altwürttembergische Urbare aus der Zeit Graf Eberhards des Greiners (1344-1392), bearb. von Karl Otto Müller (Württembergische Geschichtsquellen 23), Stuttgart, 1934.
  • Dasler, Clemens, Forst und Wildbann im frühen deutschen Reich. Die königlichen Privilegien für die Reichskirche vom 9. bis zum 12. Jahrhundert (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 10), Köln/Weimar/Wien 2001.
  • Günther, Ralf, Der Arnsberger Wald im Mittelalter. Forstgeschichte als Verfassungsgeschichte (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung 20), Münster 1994 [Überblick über die forestis-Debatte].
  • Kaspers, Heinrich, Comitatus nemoris. Die Waldgrafschaft zwischen Maas und Rhein. Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Forstgebiete des Aachen-Dürener Landes einschließlich der Bürge und Ville (Beiträge zur Geschichte des Dürener Landes 7), Düren/Aachen 1957 (zgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins; Beih. 2).
  • Kieß, Rudolf, Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums bis ins 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 2), Stuttgart 1958.
  • Lorenz, Sönke, Der Königsforst (forestis) in den Quellen der Merowinger- und Karolingerzeit. Prolegomena zu einer Geschichte mittelalterlicher Nutzwälder, in: Mönchtum – Kirche – Herrschaft 750-1000, hg. v. Dieter R. Bauer u.a., Sigmaringen 1998, S. 261-285.
  • Lorenz, Sönke, Von der „forestis“ zum „Wildbann“: Die Forsten in der hochmittelalterlichen Geschichte Südtirols, in: König, Kirche, Adel. Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum und angrenzenden Gebieten (6.-13. Jahrhundert), hg. v. Rainer Loose/Dems., Lana (Bozen) 1999, S. 151-169.
  • Richter, Gregor, Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen, Stuttgart, 1979.
  • Schmauder, Andreas, Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad 1514. Ein Beitrag zum bäuerlichen und städtischen Widerstand im Alten Reich und zum Territorialisierungsprozeß im Herzogtum Württemberg an der Wende zur frühen Neuzeit (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 21), Leinfelden-Echterdingen 1998.
  • Schubert, Ernst, Forst, in: LexMA 4 (1989), Sp. 658-661.

Zitierhinweis:  Kerstin Arnold und R. Johanna Regnath, Forstlagerbücher, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: [...], Stand: 2005.

 

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