Hans Hornberger und Herbert Haselwander

Ideologisch geprägte Lebensläufe zweier Zöglinge aus dem Erziehungsheim Flehingen

Das Schloss in Flehingen wurde zu Beginn des 20. Jh. Erziehungsanstalt und ist heute KVJS-Bildungszentrum. Quelle: Landesarchiv BW
Das Schloss in Flehingen wurde zu Beginn des 20. Jh. Erziehungsanstalt und ist heute KVJS-Bildungszentrum. Quelle: Landesarchiv BW

Insgesamt 10.768 Einzelfallakten aus dem Erziehungsheim Flehingen, heute im Bestand Zöglingskaten Erziehungsheim Flehingen des Generallandesarchivs in Karlsruhe, geben detailliert und minutiös Auskunft über die Zeit einzelner Jugendlicher in dem Heim. Dieser Aufenthalt prägte den weiteren Lebensweg und konnte zu unterschiedlichen Lebensentwürfen führen. Zwei Beispiele: Hans Hornberger und Herbert Haselwander waren als Zöglinge in den 1920er Jahren fast gleichzeitig in Flehingen untergebracht. Ihre weiteren Lebenswege könnten kaum unterschiedlicher sein und weisen doch eine Gemeinsamkeit auf: Beide starben in den 1940er Jahren, einer hingerichtet als Folge seiner politischen Überzeugungen, einer in einem Krieg, den er befürwortete.

Hans Hornberger zog nach seinem Heimaufenthalt nach Hamburg, wo er bei der Werft Blohm & Voss arbeitete. Er trat Ende der 1920er Jahre in die KPD ein und wurde Agitprop-Leiter der KPD- Betriebszelle bei Blohm & Voss. Bis 1936 durchlief Hornberger viele unterschiedliche Positionen innerhalb der KPD. So war er Parteisekretär, Unterbezirksleiter, Partei-Instrukteur für zwei KPD-Bezirke. Des Weiteren war er in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition tätig. Ab 1936 beteiligte sich Hornberger mit anderen Gegnern des Nationalsozialismus am Aufbau von Kommunikationsstrukturen im Untergrund.

Herbert Haselwander gehörte schon während seines Aufenthalts in Flehingen der NSDAP an. 1930 wurde er Geschäftsführer und Propagandaleiter der Hitler- Jugend (HJ) im Gau Thüringen. Noch im selben Jahr wurde er Oberbannführer der HJ in Thüringen und zudem – im Alter von gerade einmal 20 Jahren – zum Kreisleiter der Kreise Heiligenstadt und Worbis ernannt. Er stieg 1936 weiter in der NS-Hierarchie auf, wurde Gauschulungsleiter des Gaus Thüringen, Kreisdeputierter im Kreis Heiligenstadt und war ab 1936 Abgeordneter im nationalsozialistischen Reichstag.

Der widerstandsleistende Hornberger schloss sich 1942 der Bästlein-Organisation an, einer Widerstandsgruppe, die auch in der Werft Blohm & Voss Sabotagen durchführte. Als die Organisation noch im selben Jahr aufgedeckt wurde, verhaftete man Hornberger. Er tauchte 1943 unter, als seine Haftstrafe wegen der Luftangriffe auf Hamburg ausgesetzt wurde. Einem Agenten gelang es 1944 Hornberger ausfindig zu machen. Er wurde erneut verhaftet, mit drei weiteren Widerstandskämpfern am 14. Februar 1944 ins KZ Neuengamme gebracht und auf Befehl Heinrich Himmlers am selben Tag hingerichtet.

Auch Herbert Haselwander brachte das Dritte Reich letztlich kein Glück. Schon in seiner Zeit in Flehingen hatte er den Wunsch geäußert, zum Reichsheer gehen zu wollen. Er zog als Oberleutnant mit in den Krieg und fiel am 21. Mai 1940 bei Arras in Frankreich. Er liegt auf dem Soldatenfriedhof in Agny begraben. Für Hans Hornberger wurde ein symbolisches Grab im Ehrenhain des Friedhofs Ohlsdorf angelegt. Vor seiner damaligen Wohnung in Hamburg wurde zu seinem Gedenken ein Stolperstein verlegt.

Jonas Brandmeier

Quelle: Archivnachrichten 55 (2017), S. 24.

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