„Fort mit den Preußen! Ra mit dem schwarzen Vogel!"
Die Revolution 1918/19 in Hohenzollern

Demonstration von ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsbeschädigten am 1. Februar 1919 vor dem Schloss in Sigmaringen (StAS Sa T 1 Nr. 75/264)
Demonstration von ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsbeschädigten am 1. Februar 1919 vor dem Schloss in Sigmaringen (StAS Sa T 1 Nr. 75/264)

Im Gegensatz zu anderen Gebieten in Preußen verlief die Revolution 1918/19 in Hohenzollern sehr gemäßigt. Dies dürfte der Grund für die spärliche Überlieferung der revolutionären Ereignisse sein.

In Sigmaringen und Hechingen wurden im November 1918 Arbeiter- und Soldatenräte und in einigen Landgemeinden Bauernräte gebildet, deren Aufgaben in der Aufrechterhaltung der Sicherheit, der Kontrolle der Behörden und der Sicherstellung der Ernährung bestanden. Vertreter des Zentrums und der Demokraten (DDP) forderten die Bevölkerung in Zeitungsaufrufen auf, den Anweisungen der Räte Folge zu leisten. Die Beziehungen der konservativen Regierung in Sigmaringen zum Soldatenrat gestaltete sich indes nicht ganz reibungslos.

Zu Ausschreitungen kam es im Lauf der Revolution nur in wenigen Fällen, die Angst vor linksradikalen Übergriffen war jedoch massiv. So bewog am 13. November 1918 eine Delegation des Zentrums und der Demokraten den Fürsten Wilhelm von Hohenzollern zum Verzicht auf Vorrechte und finanzielle Vorteile, um einem möglichen bewaffneten Ansturm von Arbeitern und Bauern auf das Schloss Sigmaringen vorzubeugen.

Am 14. November 1918 versammelten sich rund 800 Bauern in Hechingen zur Bildung eines Bauernrats für das dortige Oberamt. In der Versammlung fand sich eine Gruppe, die eine rote Fahne geschwungen und gerufen haben soll: Fort mit den Preußen! Ra mit dem schwarzen Vogel!

Seit Januar 1919 war im Sigmaringer Prinzenbau eine Sicherheitswache mit etwa 35 Soldaten vom Heuberg zur Garantie der Sicherheit von Stadt und Bevölkerung stationiert. Denn es ging das Gerücht, dass sich auch in Sigmaringen eine ultralinke Spartakusgruppe gebildet habe, die mit Unterstützung von Spartakisten aus Tübingen einen Sturm auf das Schloss plane und unliebsame Beamte absetzen wolle. Später stellte sich die neu gegründete Spartakusgruppe allerdings als Scherz einiger ehemaliger Soldaten heraus.

Zwischen der revolutionär gesinnten Sicherheitswache und der konservativen, monarchistisch eingestellten Hohenzollerischen Volkszeitung kam es zu ideologischen Auseinandersetzungen. Die Sicherheitswache, ursprünglich zur Abwehr von gewalttätigen Ausschreitungen aus dem linksradikalen Lager angefordert, hisste aus einem Fenster des Prinzenbaus, dem heutigen Dienstsitz des Staatsarchivs Sigmaringen, eine rote Fahne. Die Hohenzollerische Volkszeitung sah darin eine eindeutige Verwechslung von Pflicht und Gesinnung. Der Abzug von Sicherheitswache und Soldatenrat wurde gefordert.

Zu einer organisierten Demonstration von rund 400 Kriegsteilnehmern und Kriegsbeschädigten, an der sich auch Soldatenrat und Sicherheitswache beteiligten, kam es am 1. Februar 1919 in Sigmaringen. Im Verlauf der Demonstration wurde das Redaktionsgebäude der Hohenzollerischen Volkszeitung wegen eines Beitrags gegen den Reichsbund der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer besetzt und demoliert.

Nächstes Ziel des Zugs war das Regierungsgebäude, das allerdings verschlossen vorgefunden wurde. So zogen die Demonstranten schließlich zum Schloss, wo sie mit dem Fürsten über die Verteilung der von ihm gestifteten Zweimillionenspende an Kriegsbeschädigte verhandelten. Die Kundgebung wurde schließlich abgebrochen, da die Demonstranten ihre Züge nicht verpassen wollten. Dem Regierungspräsidenten Franz Graf von Brühl wurde am 3. Februar 1919 eine Resolution überreicht, in der die Ersetzung von weiblichen Hilfskräften durch Kriegsteilnehmer und die Absetzung des Regierungspräsidenten gefordert wurde. Für den ersten Punkt der Resolution versprach der Regierungspräsident Prüfung, den zweiten Punkt nahm er lediglich zur Kenntnis. Gemäß Schreiben des Generalkommandos des XIV. Armeekorps in (Karlsruhe-) Durlach vom 21. Februar 1919 wurde der Soldatenrat Sigmaringen aufgelöst, die Auflösung des Soldatenrats in Hechingen folgte. Die im Prinzenbau stationierte Sicherheitswache war vermutlich bereits Anfang Februar abgezogen worden. Arbeiter- und Bauernräte bestanden bei der Landeskommunalverwaltung noch bis 1920.

Birgit Meyenberg

Quelle: Archivnachrichten 37 (2008), S. 6/7.

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