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Amerikahäuser:„Information Center“ und Wärmestube 

Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten die Buch- und Kulturangebote für einen Leseboom

Im kriegszerstörten und wiederaufgebauten Karlsruher „Monninger“ wurde 1946 das bis 1953 bestehende „Amerika-Haus“ eingerichtet. Die anlässlich eines Brandes entstandene Aufnahme stammt von 1917. Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe, 8/Alben 312 / 149

Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten viele Kultureinrichtungen neu etabliert werden. Zwar gab es recht schnell wieder Kino und Theater mit Aufführungen in erhaltenen oder improvisierten Sälen, doch Bibliotheken waren dezimiert oder zerstört, die tägliche Zeitung unerschwinglich, von internationalen Blättern ganz zu schweigen. Auf diese Lücke stieß das Programm der Amerikahäuser. Die „Information Center“ waren zunächst ein Service für Angestellte der US-Militäreinrichtungen und wurden ab 1947 in das Re-Education-Programm aufgenommen. Vorrangiges Ziel war die Unterstützung des Demokratisierungsprozesses sowie der Völkerverständigung mittels einer internationalen, nicht allein durch US-Informationen abgedeckten Sichtweise.

Die Grundlage der Amerikahäuser bildeten Bibliotheken mit Material aus den USA sowie internationaler Presse, die kostenlos zugänglich waren. Dabei kamen die bisher unbekannten Freihandbibliotheken besonders gut an, die bald durch Schallplattensammlungen ergänzt wurden. Busse sorgten dafür, dass auch die Bevölkerung außerhalb der Metropolen in den Genuss der Bücher und sonstiger Medien kamen. Zum reichhaltiger werdenden Angebot zählten Sprachkurse, Vorträge und Konzerte. Kein Wunder, dass das Programm angesichts der auch in dieser Hinsicht ausgehungerten Bevölkerung auf ein breites Echo stieß. So bildete sich in den ersten Jahren innerhalb kürzester Zeit ein großer Leserkreis. In Stuttgart gab es 1948 an die 7.500 Ausleihen pro Monat, 1950 bis zu 60.000 Besucher pro Monat, was nur von der Berliner Einrichtung übertroffen wurde. Das Ulmer Amerikahaus zählte 1951 knapp 234.000 Besucher. Die Tatsache, dass die Räumlichkeiten im Winter gut geheizt waren, stellt sicher nur einen der Gründe für den Erfolg der „Information Center“ dar.

Die US-amerikanische Bibliothek für Deutsche in Stuttgart, eine Lesestube, die 1946 von der Amerikanerin Zaren Wang eröffnet wurde, gilt als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland. Sie zog bald in großzügigere Räumlichkeiten der Stafflenbergstraße und 1950, nun als Bibliothek Amerikahaus, in das Lorenzhaus an der Charlottenstraße. Der ständige Personalbestand umfasste zu dieser Zeit 40 Personen. Der riesige Einzugsbereich der Bücherbusse erstreckte sich bis in den Nordschwarzwald, nach Hohenlohe und auf die Schwäbische Alb. Wie in anderen Einrichtungen kam es Ende der 1950er Jahre zu einem Umbruch hinsichtlich der finanziellen Grundlagen mit dem Ergebnis, dass das von State Department und der Landeshauptstadt finanzierte Amerikahaus in der Friedrichstraße errichtet wurde. Mit der Schließung des Stuttgarter US-Generalkonsulats 1995 wurde auch die Friedrichstraße geschlossen. Als Nachfolgeeinrichtung entstand das Deutsch-Amerikanische Zentrum James-F.-Byrnes-Institut e.V. als Kultur- und Bildungsverein mit Sitz im Alten Waisenhaus. Das Amerikahaus in der Friedrichstraße fiel zwischenzeitlich dem Abriss zum Opfer.

Ebenfalls 1946 öffnete das „Amerika-Haus“ in Karlsruhe, das die Räume der ehemaligen Gaststätte „Zum Moninger“ nutzte. In einem separaten Gebäude bestand die amerikanische Bücherei mit Lesesaal, eine weitere Bibliothek bot pädagogische Schriften an. Schon 1953 schloss das „US-Information Center Karlsruhe“. Die Bücher gingen als „Deutsch-Amerikanische Bibliothek“ an die Stadt über. Die heutige Amerikanische Bibliothek war ursprünglich Teil der amerikanischen Garnison und wurde nach dem Abzug der Streitkräfte 1995 durch Unterstützung einer privaten Initiative Bestandteil der Stadtbibliothek Karlsruhe. Zu den ersten Amerikahäusern gehört außerdem die in Heidelberg 1946 eröffnete Einrichtung, die 1951 von der Hauptstraße in die Sofienstraße 12 zog. Wie die anderen bis heute existierenden Zentren wird das heutige Deutsch-Amerikanische Institut wird über eine Trägergruppe finanziert, zu der die Stadt Heidelberg und ein Freundeskreis zählen. Zum Angebots-Spektrum zählen heute ein internationaler Kindergarten und eine Schule.

Eine der Einrichtungen, die erst in den 1950er Jahren eröffnet wurden, ist das Tübinger „Amerika-Haus“, das 1952 in die Räume der Museumsgesellschaft einzog und wenige Monate später in die bis heute genutzte Karlstraße 3 umsiedelte. Wie das Beispiel des französisch besetzten Tübingen zeigt, waren Amerikahäuser nicht an US-Zonen gebunden. Mit den Einrichtungen in Unistädten sollten gezielt Studierende erreicht werden. In Tübingen bestanden Kooperationen mit weiteren Bildungseinrichtungen wie der Volkshochschule oder Gewerkschaften und natürlich der Uni. Darüber hinaus versorgte Tübingen die Region Südwürttemberg. Der überregionale Dienst nahm eine Vorrangstellung in ganz Deutschland ein, nicht zuletzt wegen der Ausleihe seiner umfangreichen Filmsammlung. Ab 1955 wurde auch das Haus in Tübingen in ein Deutsch-Amerikanisches Institut umgewandelt, dessen Finanzierung schrittweise an einen Trägerverein überging. Ihm traten neben der Städten Tübingen und Reutlingen mehrere Kreisverbände, das Land und die Uni bei.

Das 1952 durch die USIA (United States Information Agency) gegründete „Amerika-Haus“ in Freiburg war gleichzeitig Außenstelle des US-Konsulats von Stuttgart. Nach anderen Standorten wurde 1966 die Kaiser-Joseph-Straße 266 bezogen. Bereits ab 1962 hatten sich auch hier deutsche Träger an den Kosten beteiligt, die sich der US Information Service (USIS), die Bundesregierung, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Freiburg teilten. 1969 wurde der 140 Jahre zuvor geborene Revolutionär und spätere US-Innenminister Carl Schurz zum Namensgeber des Hauses. Neben Sprachkursen und einem vielfältigen kulturellen Angebot beherbergt das Institut heute mehrere binationale Vereinigungen.

Die Geschichte der Amerikahäuser verlief nicht immer reibungslos, besonders in Krisenzeiten. Sie wurden zur Anlaufstelle für Demonstrationen gegen die US-Außenpolitik, es kam zu Meinungsverschiedenheiten mit US-Stellen, die weiterhin ein Mitspracherecht auf Leitungsebene hatten oder fielen gar einem Bombenanschlag zum Opfer, der 1982 von einer Organisation namens „Revolutionäre Zellen“ in Tübingen verübt wurde – glücklicherweise ohne Personenschäden. Heute sind die Institute und Zentren Bestandteil der vielschichtigen multikulturellen Landschaft des Südwestens.

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