Die ältere Seitenlinie Württemberg-Mömpelgard

Einleitung: Jean-Marc Debard / Jürgen Michael Schmidt (Lexikon des Hauses Württemberg, S. 119-122)

Titelblatt zur Beschreibung der Grafschaft Horburg und der Herrschaft Reichenweier in der Chorographia Württemberg von David Wolleber, 1591, Quelle: UB Tübingen Mh 6,1
Titelblatt zur Beschreibung der Grafschaft Horburg und der Herrschaft Reichenweier in der Chorographia Württemberg von David Wolleber, 1591 [Quelle: UB Tübingen Mh 6,1]

Auch wenn sich die Grafen von Württemberg im 14. Jahrhundert in erster Linie dem Ausbau ihrer Herrschaft im Inneren Schwabens widmeten, setzte unter Eberhard I. parallel dazu auch eine neue dynastische Orientierung ein, die dem Haus Württemberg ein zusätzliches Einflußgebiet erschließen sollte und sich nach Westen über den Rhein hinweg ins Elsaß und zur burgundischen Pforte richtete. Den Württembergern gelang es dabei tatsächlich, in diesen wirtschaftlich, verkehrstechnisch und kulturell so blühenden Landschaften ein weiteres Herrschaftsgebiet zu erwerben, das schließlich über Jahrhunderte bei Württemberg verbleiben sollte. Den Anfang bei den bedeutenden und bleibenden Erwerbungen machte Ulrich III., der 1324 die elsässische Grafschaft Horburg bei Colmar und die nordwestlich davon gelegene Herrschaft Reichenweier als Allodialbesitz kaufte. Während sich andere Projekte zerschlugen, gelang dann Eberhard III. im Jahre 1397 der bedeutendste Erfolg in diese Richtung: Nach dem Aussterben der Grafen von Montfaucon im Mannesstamm konnte er die Verlobung der noch minderjährigen Henriette von Mömpelgard mit seinem ebenfalls noch minderjährigen Sohn Eberhard IV. arrangieren. Die erbberechtigte Henriette brachte die südwestlich Belforts gelegene Grafschaft und Stadt Mömpelgard (Montbéliard) als Reichslehen und die Herrschaften Granges, Clerval und Passavant als Lehen der Freigrafschaft Burgund in die Ehe ein, ferner die Herrschaft Porrentruy als Pfand des Hochstifts Basel, das aber schon 1461 wieder eingelöst wurde. Später konnten die Württemberger aus dem Erbe einer Schwester Henriettes noch weitere, diesmal wieder allodiale Herrschaften erwerben, die an die Grafschaft Mömpelgard angrenzten: 1506 Blamont und 1561 Clémont, Héricourt und Châtelot. Da Mömpelgard das Herrschaftszentrum der Württemberger wurde, diente der Name schon bald als Sammelbegriff für alle württembergischen Besitzungen links des Rheines.

Stammtafel der älteren Seitenlinie Württemberg-Mömpelgard.
Stammtafel der älteren Seitenlinie Württemberg-Mömpelgard [Quelle: Lexikon des Hauses Württemberg, S. 120] Zur Vergrößerung bitte klicken.

Hatte das Ausgreifen der Württemberger über den Rhein und ihre Verbindungen zur dortigen Adelswelt zunächst das Ansehen ihres Hauses weiter gefördert, so zeigten sich jedoch bald auch Schattenseiten der neuen Erwerbungen. Denn Mömpelgard zeichnete sich zwar durch eine günstige Lage in der Durchgangslandschaft zwischen Sundgau und Franche-Comté aus, doch fehlten den Württembergern die machtpolitischen Voraussetzungen, um diese Position effektiv zu nutzen. Im Gegenteil, gerade durch seine Lage geriet Mömpelgard immer mehr in das Spannungsfeld der Großmächte – vor allem Habsburgs, Burgunds und Frankreichs – und zog als deren relativ schutzloser Spielball auch Württemberg in diese Auseinandersetzungen mit hinein. Seit dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Geschichte des Landes vor allem durch den Konflikt mit Frankreich bestimmt, das im Zuge der Ausdehnungspolitik Ludwigs XIV. die Oberhoheit über Mömpelgard und die zugehörigen Herrschaften beanspruchte und wiederholt das Land oder zumindest Teile davon auf Jahre hinaus besetzte. Nachdem die französischen Truppen Mömpelgard im Zuge der Revolution schließlich 1790/1793 erneut besetzt hatten, trat Württemberg nach vierhundertjährigem Besitz der Grafschaft Mömpelgard die linksrheinischen Gebiete 1796 im Pariser Sonderfrieden endgültig an Frankreich ab.

Die Verbindung der mömpelgardischen Lande zum rechtsrheinischen Württemberg war vor allem eine dynastische gewesen; staatsrechtlich bestand man seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts auf einer recht strengen Trennung zwischen Herzogtum und Grafschaft. Dies äußerte sich etwa darin, daß Mömpelgard nicht den württembergischen Landtag beschickte und auch nicht unter das Teilungsverbot des Münsinger Vertrages fiel (obwohl die Stadt Mömpelgard diesen sogar noch untersiegelt hatte), so daß das Haus Württemberg in der Grafschaft echte Seitenlinien einrichten konnte. Trotz dieser trennenden Elemente im staatsrechtlichen Bereich war jedoch der jahrhundertelange kulturelle Austausch im Zusammentreffen des französischen und deutschen Kulturbereiches für Mömpelgard wie für Württemberg von prägender Bedeutung. Wenn auch der Besitz der linksrheinischen Herrschaften für die württembergischen Herzöge der frühen Neuzeit in manchen Krisenzeiten eine beachtliche finanzielle und politische Belastung darstellte, so diente er ihnen mit seiner Möglichkeit zur Etablierung von Seitenlinien andererseits auch als wichtige „dynastische Reserve“ (Mertens): 1498/1503 und 1593 mußten linksrheinische Seitenlinien beim Aussterben der Stuttgarter Hauptlinie jeweils einspringen. In Mömpelgard erwarben außerdem mehrere der späteren Regenten Württembergs als Landesherren oder Statthalter ihre ersten Regierungserfahrungen und hierhin flüchtete auch Herzog Ulrich bei seiner Vertreibung aus den Stammlanden. Schließlich brachte sogar der Verlust Mömpelgards 1796 dem Herzogtum Württemberg insofern noch einen großen territorialen Zugewinn ein, als Württemberg deswegen im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 mehr als großzügig mit südwestdeutschen Gebieten entschädigt wurde.

Insgesamt zweimal ist es zur Ausbildung einer eigenen Linie Württemberg-Mömpelgard gekommen (1526/1553–1593 und 1617–1723), doch auch sonst besaß die Grafschaft sehr häufig einen eigenen Regenten oder Statthalter, was ihren selbständigen Charakter unterstrich. Nachdem er Mömpelgard im Jahre 1397 für seinen minderjährigen Sohn erworben hatte, regierte Eberhard III. von Württemberg die Grafschaft Mömpelgard zwar zunächst noch persönlich, übertrug sie aber 1409 schon vorab seinem Sohn Eberhard IV., dem erst mit dem Tode seines Vaters 1417 auch das rechtsrheinische Württemberg zufiel. Nach dem frühen Tod Eberhards IV. im Jahre 1419 übernahm dessen Witwe Henriette, die eigentliche Erbin Mömpelgards, bis zu ihrem Tode 1444 die Regierung der väterlichen Lande links des Rheins. Nach Henriettes Tod wurde Mömpelgard zunächst sowohl vom Uracher als auch vom Stuttgarter Landesteil gemeinschaftlich regiert, ging allerdings schon 1446 durch Losentscheid gegen eine Ausgleichszahlung von 40.000 Gulden an den Uracher Teil über. Diese Situation änderte sich 1473 mit dem Uracher Vertrag, durch den Mömpelgard wieder einen eigenen Regenten erhielt, der sogar Begründer einer eigenen Linie hätte werden können: Graf Heinrich, der jüngere Sohn Graf Ulrichs V. von Stuttgart, hatte eine erneute Landesteilung zu seinen Gunsten gefordert und erhielt nun die mömpelgardischen Lande erblich zugesprochen. Dieser Besitz wurde Heinrich aber durch den Burgunderkrieg, der auch über die mömpelgardischen Lande mit aller Härte hereinbrach, schnell verleidet: 1474–1477 von Karl dem Kühnen gefangengesetzt und mit dem Tode bedroht, trat er bereits 1482 Mömpelgard und die burgundischen Lehen wieder an Graf Eberhard VI., seinen älteren Bruder, ab, der inzwischen die Nachfolge des Vaters in Stuttgart übernommen hatte. Lediglich Horburg und Reichenweier behielt Heinrich in seinem Besitz, und dies blieb auch so, als Eberhard im Bart noch in demselben Jahr 1482 mit dem Münsinger Vertrag Heinrichs Bruder von der Herrschaft faktisch ausschloß und das gesamte übrige Württemberg wieder in seiner Hand vereinigte. Heinrich und seinen Nachkommen indessen kam einige Jahre später eine entscheidende dynastische Schlüsselrolle zu, als Eberhard im Barte 1496 ohne Erben starb und Heinrichs Bruder – auch er ohne Erben – 1498 abgesetzt wurde. Jetzt mußte das Haus Württemberg auf diesen im Elsaß begüterten Zweig zurückgreifen: Neuer Herzog wurde allerdings nicht der durch sein Schicksal geistig selbst stark zerrüttete und deshalb in Urach internierte Heinrich, sondern sein ältester Sohn Ulrich, der Württemberg und Mömpelgard seit Erreichen der Volljährigkeit 1503 auch persönlich regierte. Als Württemberg 1519 vom Schwäbischen Bund erobert wurde und dann bis 1534 an Österreich fiel, trat der Vorteil der bereits praktizierten und nun noch verschärften staatsrechtlichen Trennung hervor: Da Mömpelgard nicht zum Herzogtum Württemberg gehörte, wurde es nicht wie dieses besetzt und diente dem vertriebenen Ulrich von 1519 bis 1526 als letzte Zuflucht, von wo aus er seine Vorbereitungen zur Gegenoffensive treffen konnte. Um die mömpelgardischen Lande bei einem eventuellen Mißlingen seiner Pläne dem Hause Württemberg zu erhalten, übertrug er sie jedoch 1526 seinem jüngeren Halbbruder Georg I. und verkaufte sie zum erhöhten Schutz 1534 sogar an König Franz I. von Frankreich. Diesen Kauf machte Ulrich sofort wieder rückgängig, als er noch im selben Jahr Württemberg zurückgewinnen konnte. Von 1526 bis 1534 war Georg I. Landesherr Mömpelgards gewesen, 1535 nun setzte ihn Ulrich dort als Statthalter ein, bis er diese Stelle 1542 seinem Sohn Christoph übertrug. Doch Georg kehrte noch einmal, und diesmal endgültig, an die Spitze der Grafschaft zurück: Der 1550 Herzog geworden Christoph nämlich überließ Georg und seinen Nachfahren 1553 alle linksrheinischen Lande als erblichen Besitz. Damit wurde als Sekundogenitur tatsächlich die erste, die sogenannte ältere Linie Württemberg-Mömpelgard geschaffen. Von 1553 bis zu seinem Tode 1558 war Georg nun wieder Landesherr Mömpelgards, gefolgt von seinem erst einjährigen Sohn Friedrich, für den unter anderem Herzog Christoph die Vormundschaft ausübte. Friedrich trat nach Erreichen der Volljährigkeit 1581 die Regentschaft Mömpelgards an und herrschte dort bis 1593, als die Hauptlinie des Hauses Württemberg in Stuttgart erneut ausstarb. Abermals mußte sich das Haus Württemberg von den linksrheinischen Gebieten den Nachfolger holen, und so wurde Friedrich neuer Herzog von Württemberg. Damit endete die ältere Nebenlinie Mömpelgard schon in der zweiten Generation, indem sie zur Hauptlinie wurde. Beide Landesteile waren erneut in Personalunion vereinigt.

Literatur

  • Adam, Albrecht Eugen, Mömpelgard und sein staatsrechtliches Verhältnis zu Württemberg und dem alten deutschen Reiche, in: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 7 (1884), S. 181–200, 278–285. 
  • Debard, Jean-Marc, La Principauté de Montbéliard (XVIe–XVIIIe siècles), in: Roland Fiétier (Hrsg.), Histoire de la Franche-Comté, Toulouse 1977, S. 323–350. 
  • Duvernoy, Charles, Ephémérides du comté de Montbéliard, Besançon 1832, Neu hrsg. von Blaise Meriot in: Mémoires de la Société d’Émulation de Montbéliard 59/60 (1953–1959). 
  • Grube, Walter, 400 Jahre Haus Württemberg in Mömpelgard, in: Robert Uhland (Hrsg.), 900 Jahre Haus Württemberg, Stuttgart u.a. 1984, S. 438–458. 
  • Mertens, Dieter, Württemberg, in: Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte Bd. 2, hrsg. von Meinrad Schaab und Hansmartin Schwarzmaier, Stuttgart 1995, S. 1–163. 
  • Mosers, Johann Jakob, Mömpelgardisches Staatsrecht, hrsg. und eingeleitet von Wolfgang Hans Stein, mit einer Übersetzung von Georg Anders, Stuttgart 1983.
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Biographien

1.   Heinrich (1446–1519) - Klaus Graf

2.   Elisabeth (nach 1464–1487) - Klaus Graf

3.   Eva (um 1468–1521) - Klaus Graf

4.   Ulrich (1487–1550) - Horst Carl

5.   Maria (1496–1541) - Klaus Graf

6.   Georg (I.) (1498–1558) - Jean-Marc Debard

7.   Barbara (1536–1597) - Franz Brendle

8.   Friedrich I. (1557–1608) - Dieter Stievermann

9.   Eva Christina (1558–1575) - Franz Brendle