Der radikale Flügel der Reformation. Die Täuferbewegung in Württemberg im Spiegel der Quellen des Hauptstaatsarchivs Stuttgart

Auch im Herzogtum Württemberg wurden Täufer Opfer von Verfolgungen, so in Illingen, hier auf der Karte des Reichenberger Forsts von Georg Gadner (um 1600) – Quelle LABW/HStAS
Auch im Herzogtum Württemberg wurden Täufer Opfer von Verfolgungen, so in Illingen, hier auf der Karte des Reichenberger Forsts von Georg Gadner (um 1600) – Quelle LABW/HStAS

Im Januar 1530 wurde in Lautern (Luterach, Blauburer Ampts, heute Stadt Blaustein) eine Gruppe von Täufern um die beiden Augsburger Weber Augustin Bader und Gall Fischer als Aufrührer verhaftet. Bader, der Wortführer, war als Prophet aufgetreten und sah sich als künftigen König eines endzeitlichen Friedensreiches an. Beide waren mit ihren Ehefrauen um 1526/27 zur Täuferbewegung gestoßen und hatten seitdem ein Leben als Wanderprediger geführt. Sie kamen u. a. nach Esslingen und Straßburg, ehe ihre Gefolgschaft, die sich in einem Haus versammelt hatte, darunter auch Kinder, schließlich aufgespürt wurde. Die Blaubeurer Amtleute meldeten den Vorfall König Ferdinand I., der während der Vertreibung Herzog Ulrichs auch Landesherr von Württemberg war. Die verhafteten Täufer wurden nach Stuttgart, Tübingen und Nürtingen verbracht, wo sie unter der Folter verhört (peinlich befragt) wurden. Die Verhörprotokolle liegen heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Nicht enthalten, aber historisch gesichert, sind die Todesurteile gegen Gall Fischer und Augustin Bader, die am 26. März 1530 in Nürtingen und vier Tage später in Stuttgart vollstreckt wurden. Bereits am 21. Mai 1527 war im nahen Rottenburg das Täuferehepaar Michael und Margaretha Sattler hingerichtet worden.

Wichtigstes Merkmal der um 1525 entstandenen Täuferbewegung war die Ablehnung der Kindertaufe und die stattdessen durchgeführte, nochmalige Taufe von Erwachsenen aufgrund eines persönlichen Bekenntnisses zum christlichen Glauben. Dies brachte ihnen die zeitgenössische Bezeichnung Wiedertäufer  ein. Daneben gab es unterschiedlich radikale Ausprägungen. Gewaltexzesse, wie sie 1534/35 während des sogenannten Täuferreichs von Münster stattfanden, waren die Ausnahme. Die nach dem friesischen Täuferprediger Menno Simons benannten Mennoniten oder die nach Jakob Hutter benannte Gruppierung der Hutterischen Brüder (Hutterer)  zeichneten sich durch Pazifismus oder einen einfachen Lebensstil aus. Mit Bezug auf die neutestamentliche Bergpredigt weigerten sie sich, Eide zu schwören. Auch setzten sie sich für eine konsequente Trennung von Kirche und Staat ein. Insbesondere dadurch gerieten sie in einen Loyalitätskonflikt mit der Obrigkeit.

Schnell breitete sich die Bewegung in ganz Mitteleuropa aus. In vielen Gebieten kam es zu blutigen Verfolgungen und Todesurteilen, so auch im Herzogtum Württemberg, das zwischen 1519 und 1534 von den Habsburgern besetzt war. In der Martertafel des Geschichtsbuches der Hutterischen Brüder  werden u. a. für die württembergischen Orte Illingen und Herrenberg zweistellige Märtyrerzahlen genannt, die jedoch mit Vorsicht zu genießen sind. Aus der Zeit nach 1534 sind für Württemberg keine Hinrichtungen von Täufern belegbar, was auch am Einfluss der Reformatoren Ambrosius Blarer und Erhard Schnepf gelegen haben dürfte, die sich gegen die im Wiedertäufermandat von 1529 eigentlich reichsweit vorgesehene Todesstrafe für Täufer ausgesprochen hatten. Dennoch wurde die Gruppierung auch in Württemberg bekämpft. In einem Mandat Herzog Christophs vom 25. Juni 1558 wurde auf die reichsrechtliche Regelung verwiesen, der Vollzug der Todesstrafe aber nicht explizit gefordert. Stattdessen waren bey ver meidung der inn mehrgemelten Reichsabschiden bestimpten Leibstraffen verweisung unsers fürstenthumbs, Confiscierung und einziehung aller irer haab und guetter und sonsten unserer ferneren ernstlichen ungnaad und straff  vorgesehen. Inhaftierungen, Landesverweisungen und Beschlagnahmungen von Gütern und Vermögen waren auch in den folgenden Jahrzehnten die üblichen Maßnahmen. Eine ganze Reihe reuiger  Täufer, darunter auch viele Frauen, musste im Zusammenhang mit der Rückkehr in die evangelische Landeskirche Urfehde schwören. In den Akten der württembergischen Kirchenkastenverwaltung ist eine Anzahl von Wiedertäufer-Zinsbriefen  enthalten, welche die Ausleihe beschlagnahmter Güter und Geldbeträge von Täufern in Württemberg dokumentieren.

In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges kam die Täuferbewegung in Württemberg weitgehend zum Erliegen. Einige ihrer Anliegen in Bezug auf den christlichen Lebenswandel wurden später auch vom Pietismus rezipiert.

 Johannes Renz

Quelle: Archivnachrichten 54 (2017), S.14-15.

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