Der Adelberger Freihof

Esslingen mit der Obertor-Vorstadt, Kieser' sches Forstlagerbuch, 1683/85. Copyright: LABW
Esslingen mit der Obertor-Vorstadt, Kieser' sches Forstlagerbuch, 1683/85. Copyright: Landesarchiv BW

Der Pfleghof des Klosters Adelberg ist 1248 als area (Hofstatt) des Heinrich von Wendlingen erstmals genannt. Er lag im 13. Jh. im Bereich des abgegangenen Weilers Mühlbronn, außerhalb der Stadtmauern und des 1219 errichteten Wolfs- oder Brottors. Durch das Tor verlief der Verkehrsweg vom Neckar- ins Filstal, Teil der Reichsstraße Cannstatt-Ulm. Spätestens nach der Ummauerung der Obertor-Vorstadt und dem Bau des Oberen Tors um 1330 verlief die Reichsstraße auf der Obertorgasse am Adelberger Hof vorbei. Die Gebäude des Hofes wurden 1791 abgebrochen.

Die Erstnennung der area 1248 erfolgt anlässlich der Beurkundung eines Vergleichs zwischen der Stadt und dem Kloster. Dabei ist sie als Klosterbesitz genannt, weshalb Heinrich als Vorbesitzer anzusehen ist. Im 16. Jh. war der Hof Eigen des Klosters. Die Herren von Wendlingen sind im 13. Jh. als Dienstleute der Grafen von Aichelberg bezeugt und erscheinen 1341 als Esslinger Bürger. Der Adelberger Hof blieb Klosterbesitz, bis er durch die Reformation 1535 an Württemberg fiel.

Der Pfleghof war für das Kloster weniger aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Vielmehr diente der Hof dem Abt als Wohnung während seiner Aufenthalte in der Stadt sowie als Aufbewahrungsort klösterlicher Wertsachen in Krisenzeiten. Diesen Zwecken entsprachen die in der behaußung vorhandenen drei Stuben sowie die Kapelle (1597).

Besondere Bedeutung hatte der Adelberger Hof als Verbrecherasyl, weshalb er (seit 1440 nachweisbar) die Bezeichnung Freihof trug. Dieses Asylrecht geht auf den genannten Vergleich von 1248 zurück. Zur Beilegung von Besitzstreitigkeiten hatte die Stadt damals dem Kloster zugesichert, die genannte area von Steuern, Niedergericht, Dienstbarkeiten und allen Beschwerden frei zu lassen. Die damit beginnende Rechtsentwicklung war bis 1484 längst abgeschlossen, als Kaiser Friedrich III. dem Kloster für seinen Freihof das Asylrecht bestätigte. Dieses später regelmäßig erneuerte Privileg galt für den gesamten Hofbereich. Den hierher geflohenen Asylanten standen 1484 bestimmte Gemächer zur Verfügung, die 1597 als Freistuben bezeichnet wurden.

Von 1511 an haben innerhalb von rund 50 Jahren sechs Fälle von Asylflucht schriftliche Zeugnisse hinterlassen. Nur im ersten Asylfall des Dionys Schönfritz kam es zu Streitigkeiten zwischen Kloster und Stadt. Abt Leonhard Dürr sah das Eindringen von Bewaffneten in den Freihof, in dem sich Schönfritz aufhielt, als Rechtsbruch an. Doch kam auch in diesem Fall der Delinquent nicht zu Schaden noch wurde er im Hof festgenommen. Um sich gegen das Vorgehen des Abts zu wehren, holte die Stadt 1512 von dem Augsburger Stadtschreiber Konrad Peutinger ein Rechtsgutachten ein. Von 1519 an kam es wegen einer Verletzung der allgemeinen Lastenfreiheit des Hofes zu einem weiteren Streit, weil während der Fehde des Schwäbischen Bundes gegen Herzog Ulrich bündische Reiter in den Freihof einquartiert worden waren. Der Abt verklagte die Stadt deshalb 1519 vor dem Kaiserlichen Kammergericht. Alle Streitigkeiten und der Prozess endeten 1525 durch Vergleich. In der württembergischen Zeit nach Aufhebung des Interims scheint das Asyl im Freihof seine Bedeutung verloren zu haben, jedenfalls schweigen nach 1563 die Quellen. Die Freistube wurde Ende des 17. Jh. abgebrochen.

Gerhard Kittelberger

Veröffentlicht in: Der Landkreis Esslingen. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Esslingen (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2009, Bd. 1, S. 452. 

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