Württemberg - Im "Dritten Reich"

Eugen Bolz vor dem Volksgerichtshof in Berlin am 21. Dezember 1944 (HStAS Q 1/25 Bü 62 Nr. 24)
Eugen Bolz vor dem Volksgerichtshof in Berlin am 21. Dezember 1944 (Landesarchiv BW, HStAS Q 1/25 Bü 62 Nr. 24)

Die seit 1871 fortschreitende, von 1919 an beschleunigte Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit Württembergs wurde durch den Nationalsozialismus vollendet. Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933, bei der die Nationalsozialisten in Württemberg 42% der Stimmen (Reichsdurchschnitt 43,9%) erhalten hatten, überstürzten sich die Ereignisse. Gegen den Widerspruch der Regierung Bolz setzte der Reichsminister des Innern am 8. März den SA-Gruppenführer von Jagow als Reichspolizeikommissar für Württemberg ein, am 15. März wählte der Landtag den nationalsozialistischen Gauleiter Wilhelm Murr zum Staatspräsidenten. Durch die beiden Gleichschaltungsgesetze des Reiches vom 31. März und 7. April wurde der Landtag ohne Neuwahl nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März umgebildet und das Amt des Staatspräsidenten abgeschafft. Das neugeschaffene Amt des Reichsstatthalters erhielt am 2. Mai Murr; er stand über der am 15. Mai eingesetzten Landesregierung mit Christian Mergenthaler als Ministerpräsident und Kultminister. Der gleichgeschaltete Landtag beschloss am 8. Juni ein Ermächtigungsgesetz, das die Landesverfassung von 1919 praktisch außer Kraft setzte. Kurz darauf erfolgte die Auflösung aller Parteien außer der NSDAP. Der ehemalige Staatspräsident Bolz kam mehrere Wochen in „Schutzhaft" auf den Hohenasperg. Das Reichsgesetz vom 30. Januar 1934 hob die einzelstaatlichen Landtage auf und übertrug die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich. Württemberg wurde ein bloßer Verwaltungsbezirk des rigoros zentralisierten Reiches. In allen Organen des öffentlichen Lebens trat an die Stelle demokratischer Mehrheitsbeschlüsse das „Führerprinzip", auf allen Stufen wurde die Verwaltung von den „Hoheitsträgern" der straff organisierten Partei überwacht und dirigiert.

1935 ging die Justizverwaltung an das Reich über. Nachdem die württembergische Kreisordnung vom 27. Januar 1934 die altüberkommene Selbstverwaltung auf Kreisebene beseitigt hatte, wurde das Land am 1. Oktober 1938 in 34 größere Landkreise und drei Stadtkreise (Stuttgart, Ulm, Heilbronn) neu gegliedert. Diese Maßnahme, ihrem Wesen nach nicht spezifisch nationalsozialistisch, war seit Jahrzehnten vorbereitet worden. Es war seit den »Ämterkombinationen« König Friedrichs die erste umstürzende Änderung an den administrativen Fundamenten des Landes.

Da die Kirchen sich der nationalsozialistischen Gleichschaltung widersetzten, suchte man ihnen, im Ganzen freilich vergeblich, mit Gewalt beizukommen. Der sich von Jahr zu Jahr steigernden Gewaltherrschaft fielen alle Judengemeinden zum Opfer; die Tötung der Geisteskranken wurde wenigstens in der württembergischen Anstalt Grafeneck (10.000 Tote) auf die Proteste von Bischof Theophil Wurm 1940 eingestellt. Die totale Erfassung und Ausrichtung aller Schichten des Volkes durch die NSDAP, ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände erstickte ebenso wie der allgegenwärtige Polizeiapparat Regungen des Widerstandes meist schon im Keime. An Einzelaktionen aus den verschiedensten Kreisen in Württemberg hat es nicht gefehlt. Die Geschwister Hans und Sophie Scholl aus Ulm wurden 1943 hingerichtet, weil sie in der Universität München Flugblätter gegen die „verabscheuungswürdigste Tyrannis" verteilt hatten.

Erwin Rommel (1891-1944) [HStAS M 707 Nr. 1253]
Erwin Rommel (1891-1944) (Landesarchiv BW, HStAS M 707 Nr. 1253)

Das missglückte Attentat des württembergischen Grafen Claus Schenk von Stauffenberg auf Hitler am 20. Juli 1944 hat mehrere Württemberger als Mitverschworene oder Mitwisser das Leben gekostet, darunter Erwin Rommel, Generalfeldmarschall des Zweiten Weltkrieges, und Eugen Bolz, den letzten Staatspräsidenten des demokratischen Volksstaats Württemberg.

(Quelle: Bearbeitete Fassung aus dem Abschnitt Landesgeschichte, in: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band I, Stuttgart, 2. Aufl. 1977)

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