Württemberg und Montbéliard

Die »Mömpelgarder Genealogie« von 1474

Graf Eberhard im Bart in der »Mömpelgarder Genealogie« zwischen den Schilden seiner Vorfahren. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS A 266 U 1, S. 13. Zur Anzeige des gesamten Dokuments hier klicken.er Stadtmitte. Rechts im Bild die Stiftskirche, oben die Wertheimer Burg. Vorlage: Landesarchiv StAWt-S N 70 Ordner 78, 7038/25, Aufnahme: Hans Wehnert
Graf Eberhard im Bart in der »Mömpelgarder Genealogie« zwischen den Schilden seiner Vorfahren. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS A 266 U 1, S. 13. Zur Anzeige des gesamten Dokuments hier klicken.

Für die Beziehungen zwischen dem deutschen Südwesten und Frankreich war die Verbindung zwischen Württemberg und Montbéliard von herausragender Bedeutung: Über vier Jahrhunderte, von 1397 bis 1796, gehörte die Grafschaft Montbéliard an der burgundischen Pforte zu Württemberg, bis sie im Zuge der Französischen Revolution an Frankreich abgetreten wurde.

Durch die Heirat zwischen Graf Eberhard IV. von Württemberg und Henriette von Montbéliard, der Erbtochter des bedeutenden Grafengeschlechts, war die Grafschaft in die Hände der Grafen von Württemberg gelangt. Damit war der Anfang für eine neue Adelsdynastie gemacht, die auch in der Herrschaftssymbolik der Familie ihren Ausdruck fand: Das Wappen der Grafschaft Montbéliard, zwei goldene Barben auf rotem Grund, wurde in den Württemberger Wappenschild, neben die drei schwarzen Hirschstangen auf goldenem Grund, aufgenommen.

Graf Eberhard im Bart von Württemberg (1445–1496), der Enkel Henriettes und Eberhards IV., brachte seinen besonderen Stolz auf seine vornehme Mömpelgarder Abstammung in vielfältiger, repräsentativer Weise zum Ausdruck. So sollten die Wappen seiner Ahnen den neuen Festsaal in seinem Schloss Urach zieren, wie Eberhard auch weitere solcher Ahnenproben in seinen Kirchenbauten monumental anbringen ließ.

In besonders kostbarer Form hat Eberhard im Bart eine Handschrift anfertigen lassen, die von der Familiengeschichte des Hauses Montbéliard berichtet: Die sogenannte Mömpelgarder Genealogie von 1474. Bereits der Titel verrät die inzwischen erfolgte Eindeutschung des französischen Montbéliard zum schwäbischen Mümpel- oder Mömpelgard: Wie Mümpelgard an die herrschaft Wirtemberg khomen ist, ist sie überschrieben. Beginnend mit der Erhebung der Reliquien des heiligen Maimbœuf und ihrer Überführung in die Stiftskirche nach Montbéliard, beschreibt sie die genealogische Abfolge und Verwandtschaftsverhältnisse der Grafen von Montbéliard bis zur Heirat zwischen Henriette und Eberhard. Besondere Bedeutung kommt der Darstellung wegen ihrer kostbaren Illustrationen zu, die von dem Schreibkünstler und Buchmaler Stephan Schriber am Uracher Hof gestaltet wurden. Der Text wurde offenbar in Montbéliard für Graf Eberhard im Bart verfasst.

Die Mömpelgarder Genealogie, die in mehreren Parallelhandschriften und Abschriften überliefert ist, weist mit Eberhards Devise Attempto (Ich wag’s) auf der Titelseite und der Jahreszahl 1474 auf seine berühmte Uracher Hochzeit mit Barbara Gonzaga hin. Ihre Entstehung ist also im Kontext der angesprochenen Herrschaftsrepräsentation und dynastischen Selbstdarstellung zu verstehen: Der Fürst präsentiert die internationale Bedeutung seiner Dynastie!

Eine Miniatur zeigt die ganze Gestalt des jugendlichen Grafen Eberhard im Bart. In der Rechten hält er den württembergischen Wappenschild, in der Linken das kurpfälzische Wappen seiner Mutter, Mechthild von der Pfalz. Darüber finden sich die Wappen seiner Großeltern und der Mömpelgarder Ahnenpaare aus drei weiteren Generationen – der Stolz Eberhards auf seine Mömpelgarder Vorfahren steht hier stellvertretend für das Haus Württemberg und dessen Nähe zu Burgund und Frankreich.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg erste Schritte der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich aufgenommen wurden, war die Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und Montbéliard im Jahr 1950 die erste deutsch- französische Städtepartnerschaft, die hierfür wegweisend wirken sollte – die Erinnerung an die gemeinsame historische Vergangenheit von Württemberg und Montbéliard hatte den Ausschlag dafür gegeben.

Peter Rückert

Quelle: Archivnachrichten 61 (2020), S. 12-13.
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