Neuffener Täleswein – Ein Hochgewächs am Albtrauf

Die Kelter in Neuffen, erbaut Mitte 18. Jh., heute Sitz der Weingärtner-Genossenschaft Hohenneuffen-Teck eG
Die Kelter in Neuffen, erbaut Mitte 18. Jh., heute Sitz der Weingärtner-Genossenschaft Hohenneuffen-Teck eG. Copyright: LABW

Wer die höchst gelegenen Weingärten Württembergs kennen lernen will, muss nach Neuffen und Beuren fahren. Unmittelbar am Hohenneuffen und am Beurener Fels zu Füßen der Alb stößt man bis knapp unter die 530 m-Höhenlinie auf Weinbau, welcher einst sehr viel weiter verbreitet war als heute. Dass der Weinbau sich hier halten konnte, verdankt er naturräumlichen Standortgegebenheiten wie den warmen Mergelböden und sonnigen Hanglagen, ganzjährig ausreichender Wärme sowie im Herbst geringer Nebelbildung und guter Belüftung. Dennoch lässt sich ein Rückgang der Weinanbaufläche beobachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich, als anderswo die Weingärten nach und nach aufgelassen wurden, Personen zusammen, die in einer Einlagerungs- und Absatzgenossenschaft den Ausweg aus sinkenden Wein-preisen und steigenden Arbeitskosten suchten und fanden. Die Initiative ergriff 1947 der Nürtinger Landrat, der zur Gründung einer Weineinlagerungsgenossenschaft aufrief, aus der 1948 die Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck eG in Neuffen hervorging. Über 150 Weingärtner aus Balzholz, Beuren, Frickenhausen, Kappishäusern, Kohlberg, Linsenhofen, Neuffen, Owen und Weilheim mit damals zusammen 55,5 ha Rebfläche gaben damit die individuelle Weinbereitung auf und die Vermarktung in eine Hand, eine Entscheidung, welche dem Absatz neue Wege wies und zudem mit einer erheblichen Qualitätssteigerung verbunden war. Neben den Genossenschaftsmitgliedern bewirtschaften freie Weingärtner derzeit weitere ca. 14 ha in den Gemeinden des ehemaligen Kreises Nürtingen.

Strukturelle Maßnahmen unterstützten die Fortführung des Weinbaus am Albtrauf, so u.a. die Rebflurbereinigung in Neuffen (18 ha in der Lage Schlosssteige 1–3 von 1956–81), der Beitritt zur württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft als vollablieferndes Mitglied 1966, schließlich die Umstellung auf neue Rebsorten. Dominierte 1954 das Weißgewächs, d.h. die Silvanerrebe, wurden mit dem Rebenaufbau im Zuge der Flurbereinigung zunehmend rote Traubensorten (Portugieser, Schwarzriesling, Spätburgunder, Acolon) angepflanzt. Bis heute verloren die weißen Reben etwa die Hälfte ihrer Anbaufläche. Das Weinangebot wurde vielfältiger, was hauptsächlich jüngere Kunden auf dem heiß umkämpften Markt honorieren, ältere bleiben beim althergebrachten Silvaner, der immer noch als der typische Täleswein gilt.

An die Blütezeit des Weinbaus erinnern die Keltern, obwohl viele nach 1950 – funktionslos geworden – abgebrochen wurden. Einige konnten gerettet werden und dienen jetzt kulturellen Zwecken. Lediglich in Neuffen – das Städtchen besaß 1526 drei Keltern – hat eine ihren ursprünglichen Zweck annähernd bewahren können. Zwar gibt es auch dort keinen Kelterbaum mehr, aber immerhin werden die Weine (in Flaschen abgefüllt) hier zum Verkauf gelagert. Die Namen der Keltern weisen auf die Grundherren und Träger des Weinbaus hin. Neben der Stadtkelter und der Herrschaftskelter gab es in Neuffen die Söflinger Kelter, die bereits 1278 urkundlich bezeugt ist. Sie stammt aus dem Besitz der Herren von Neuffen, die sie den Klosterfrauen von Söflingen im Rahmen einer Jahrtagsstiftung vermachten. Schriftlich bezeugt ist der Weinbau in Neuffen seit 1239, also nur zehn Jahre später als in Esslingen.

Rainer Loose

Veröffentlicht in: Der Landkreis Esslingen. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Esslingen (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2009, Bd. 2, S. 231.

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