Auf »Grand Tour« - Frankreich als Ziel von Studien- und Kavaliersreisen junger Adliger

Johann Heinrich Hipp, Hofmeister des Schenken Philipp Albrecht von Limpurg als Karikatur, Ausschnitt aus einem Brief an einen ungenannten Schuldner mit der Bitte um Aufschub der Rückzahlung einer Geldschuld [1666]. Vorlage: Landesarchiv BW StAL B 114 Bü 3013.
Johann Heinrich Hipp, Hofmeister des Schenken Philipp Albrecht von Limpurg als Karikatur, Ausschnitt aus einem Brief an einen ungenannten Schuldner mit der Bitte um Aufschub der Rückzahlung einer Geldschuld [1666]. Vorlage: Landesarchiv BW StAL B 114 Bü 3013. Zur Anzeige des gesamten Dokuments hier klicken.

Frankreich galt in der Frühen Neuzeit neben Italien als das zweite bedeutende Ziel von Kavaliersreisen. Auf der Grand Tour sollten junge Adelige Kontakte knüpfen, Bildung und Weltläufigkeit erlangen und die vorbildliche französische Hof- und Adelskultur – die courtoisie – kennenlernen, die sie dann an ihren eigenen Höfen imitierten. So auch für die Erbschenken von Limpurg, die im 17. Jahrhundert regelmäßig ihre Söhne nach Frankreich schickten, um sich die dortigen mores, die nicht allein in ceremonia und handkhüssen bestehen sollten, anzueignen, galten doch die Franzosen in geberden den Teutschen überlegen. Eine wahre Fundgrube zur Erforschung von Studienreisen nach Frankreich bieten umfangreiche Briefwechsel, Itinerare, Rechnungen und Reiseinstruktionen, die im Bestand der Herrschaft Limpurg-Gaildorf und seiner Nachfolgeherrschaften im Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Ludwigsburg, aufbewahrt werden.

Da Reisen in der Vormoderne nicht nur ein teures Unterfangen, sondern – zumal in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges – auch immer mit Gefahren für Leib und Leben verbunden war, kam den Hofmeistern, die die jungen Touristen begleiteten, eine zentrale Rolle zu. In ständigem brieflichen Kontakt mit den Daheimgebliebenen stimmten sie nicht nur den Stundenplan, sondern auch die Reiseroute ab. Johann Christoph und Joachim Gottfried von Limpurg-Gaildorf reisten nahezu drei Jahre durch Frankreich. Vom Juli 1611 bis zum Mai 1614 ging es von Straßburg über Paris die Loire entlang bis nach Bordeaux, Toulouse und Marseille und über Lyon und Dijon wieder zurück nach Paris, wo sie elf Monate blieben.

Paris war der Höhepunkt einer jeden Kavalierstour, da hier die Studia florieren, auch dabei die exercitia und politica am besten im schwang gehen. Neben allerlei Studien, Fechten und Reiten wurden hier Opern, Komödien und Ballhäuser sowie die umliegenden sehenswerten königlichen Schlösser, so z. B. Fontainebleau, besucht. Länger hielten sich die Limpurger auch an den protestantischen Ritterakademien in Sedan und Saumur auf. Saumur galt zudem als der Ort, an dem die französische Sprache am reinsten gesprochen wurde. Diese zu erlernen war ein weiteres Ziel der ausgedehnten Frankreichreisen. Wer diese Sprache, die vor allen anderen rhumb und vorzug hatte, nicht beherrschte, war unter Grafen und Herren wenig angesehen und aestimiert. Deshalb sollten nicht nur praecepta grammaticis, sondern auch die natürliche pronunciation im Land selbst geübt werden.

Dies konnte schwierig werden, wie etwa Philipp Albrecht von Limpurg 1665 erfuhr, da sich zu viele estrangers in der Stadt aufhielten, die sich lieber ihrer deutschen Muttersprache bedienten. Daher schrieb auch der Hofmeister Graf Otto Heinrichs immer wieder nach Gaildorf, um Geld für die Weiterreise nach Paris zu erbitten. Allerdings starb der Grafensohn am 4. Oktober 1653 in Saumur an Fieber und ließ seinen Hofmeister, der noch einen Grabstein in Paris für ihn in Auftrag gab, mit Schulden zurück. Anderen Gefahren erlag der zu Ausbildungszwecken nach Frankreich geschickte Philipp Albrecht. Er sprengte 1668 die Reisekasse, da er sich nur noch Diane und Venus – c’est à dire la chasse et l’amour – widmete. Besonders interessant sind die Reiseberichte im Limpurger Bestand auch deshalb, weil sie zuweilen über tagespolitische Ereignisse wie etwa eine von König Ludwig XIII. 1626 aufgedeckte Verschwörung oder die Friedensverhandlungen Kardinal Mazarins mit Spanien berichten, die 1659 in den Pyrenäenfrieden münden sollten.

Maria Magdalena Rückert

Quelle: Archivnachrichten 61 (2020), S. 16-17.
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